Gebetsraumkonflikt an Universitäten

Religion an der Universität – Privatsache?

Die Gebetsraumschließung an deutschen Hochschulen hat für viel Diskussion gesorgt. Die stellvertretende Vorsitzende des Islamischen Studierendenvereins Duisburg (ISV), Şeyma Karahan, bewertet die Entwicklungen und fragt sich, wie „neutral“ die Schließung der Gebetsräume ist.

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2016
Symbolbild: Raum der Stille, Verhaltenskodex
Symbolbild: Raum der Stille, Verhaltenskodex © SK

Begonnen hat die Gebetsraumdebatte mit der Schließung des Raumes der Stille an der Technischen Universität Dortmund. Auch die TU Berlin gab bekannt, dass der muslimische Gebetsraum auf dem Campus ab Mitte März endgültig geschlossen werden sollte. Die Universität veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der es unteranderem heißt: „Die Technische Universität Berlin bekennt sich zur kulturellen Vielfalt ihrer zahlreichen Mitglieder und fördert aktiv die Diversität auf ihrem Campus. Als staatliche Hochschule steht sie jedoch auch für die Trennung von staatlichen Einrichtungen und Kirche sowie Religion.“

Die Universität Duisburg-Essen schloss sich den anderen Universitäten an und verkündete am 17. Februar die Schließung der muslimischen Gebetsräume an beiden Uni-Campi. Einer der Gründe für die Schließung sei „die akute Raumnot, die eine Überprüfung der bisherigen Raumvergabe nötig macht“, so die Hochschulleitung. In der Erklärung heißt es weiter: „Er wurde vor über zwanzig Jahren eingerichtet, zu einer Zeit, als das Angebot an Moscheen in der Stadt noch gering war.“ Die Universität macht darauf aufmerksam, dass die muslimischen Studierenden Ausweichmöglichkeiten zur Verrichtung des Gebets hätten.

Universität Duisburg-Essen

Doch ist das wirklich so einfach geklärt? Hat die Schulleitung denn auch daran gedacht, ob es zeitlich überhaupt machbar ist? Denn die Mehrheit der muslimischen Studierenden betet zwischen zwei Vorlesungen oder Seminaren, sodass das Verlassen des Campus, um das Gebet in einer nahegelegenen Moschee verrichten zu können, keine Option sein kann.

Außerdem hatte der alte Vorstand der Hochschulgruppe „Islamischer Studierendenbund Essen“ betont, dass die Raumnot als Scheinargument diene. Schon Jahre vorher sollte der Gebetsraum aus dem selbigen Grund geschlossen werden. Die „Raumnot“ bestünde also schon damals. Die Schließung eines einzigen Raumes könne nicht die Lösung des Problems sein.

Vorfälle, wie in der Tageszeitung „WAZ“ beschrieben, dass es zu Diskriminierung der nicht-muslimischen Studierenden gekommen wäre, wurden explizit von den Studierenden und der Unileitung dementiert. Es wurden also bewusst falsche Tatsachen seitens der Medien verbreitet und der Diskurs irrational geführt. Denn im Gegenteil, die Gebetsräume auf beiden Campi waren schon immer ein positives Beispiel, was studentische Eigenverwaltung und gute Zusammenarbeit angeht. Das bestätigen sowohl Studierende, als auch die Unileitung.

Umso fraglicher ist es, dass die Räume genau während dieser Lavine an –zum Teil- falschen Medienberichten, an den universitären Einrichtungen geschlossen werden. Es wäre begrüßenswert gewesen, wenn man entgegen dieser Welle an falschen Beschuldigungen, in einem Akt des Zusammenhalts, sich für die Erhaltung der Gebetsräume stark gemacht hätte.

Denn die muslimischen Gebetsräume an der Universität Duisburg-Essen bestehen schon seit über 30 Jahren Jahren. Beide Räume werden von muslimischen Hochschulgruppen der Universität gepflegt und seit mehreren Jahrzehnten intensiv zum Gebet genutzt und waren nie Schauplatz für Konflikte- egal welcher Art.

Erklärungsnot und Unverständnis

Doch es kam zur Schließung. Da stellt sich dann zumindest die Frage, wie die Universität Duisburg-Essen die Schließung der Gebeträume handhabte und wie die muslimischen Studierenden damit umgegangen sind?

Die Schließung der beiden Gebetsräume wurde mittels eines Zeitungsartikels in die Öffentlichkeit getragen. Die muslimischen Studierenden fühlten sich „hintergangen“ und „nicht ernstgenommen“. Es fand keinerlei Rücksprache statt.

Nach der Bekanntgabe musste es auf dem Essener Campus schnell gehen. Der Islamische Studierendenbund (ISB) wurde aufgefordert den Raum zu räumen und die Kartons zu packen. Die Studierenden suchten das Gespräch mit dem Rektorat, da es für sie -mitten in der Prüfungsphase- in einer so kurzen Zeit nicht möglich war, den Raum besenrein zu hinterlassen. Die Kommunikation gestaltete sich als sehr schwierig. Erst am Tag der Räumung, also ein Tag vor der Schließung des Gebetsraumes, wurde eine Mail an den ISB versandt, dass die Universität übergangsweise Lagermöglichkeiten für 4 Wochen bereitstellen könnte. Die Bekanntgabe und die endgültige Schließung des Raumes erfolgte in einer sehr kurzen Zeitspanne.

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Die Nachricht an die Essener Studenten.

Der Gebetsraum auf dem Duisburger Campus soll Ende April geschlossen werden. Die Schließung wird –anders als in Essen- nicht mit Raumnot begründet. Der Rektor erklärte im Gespräch, dass die Schließung erfolgen müsse weil beide Campi gleichbehandelt werden müssten.

Liegt es an der Neutralität?

Ist die Neutralitätspflicht der Unileitung also der wirkliche Grund? Eine Debatte wurde ausgelöst. Es wurde immer häufiger die Frage gestellt, ob ein Raum der Stille oder gar ein muslimischer Gebetsraum in einer neutralen universitären Einrichtung einen Platz hat. Konnte man die Schließungen mit dem Argument der Neutralität und des Säkularismus begründen?

„Die Neutralität des deutschen Staates in Bezug auf die Religion ist eine positiv-fördernde, kein strenger Laizismus. Deswegen hat die Religion auch in öffentlichen Räumen eine hohe Berechtigung“ sagt Prof. Dr. Hinnerk Wißmann von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster. Auch gäbe es keinen „Anspruch darauf, nicht mit Religion in Berührung zu kommen.“

Auch Max Strecker, Pfarrer der evangelischen Studierendengemeinde Duisburg-Essen, ist der Meinung, dass man mit dem Neutralitätsgebot des säkularen Staates weder die Einrichtung, noch die Abschaffung von Gebetsräumen an der Universität zwingend begründen könne. „Der säkulare Staat soll die Religionsausübung möglich machen und unterstützen, WIE es das aber tut, muss gesellschaftlich ausgehandelt werden“, so Strecker. Er fügt weiter hinzu, dass die Religionsausübung in unserer Gesellschaft zwar eine persönliche Entscheidung ist, doch „gleichzeitig in vielen Religionen der Traum von einer besseren Welt wachgehalten“ wird. Insofern würden die Religionen aus dem rein privaten Raum hinaus gehen und „öffentlich sichtbar werden und die Welt positiv verändern“ wollen.

Tatsache ist aber, dass es keine muslimischen Gebetsräume an der Universität Duisburg-Essen geben wird. Dafür gab die Universitätsleitung bekannt, dass im Jahre 2018, also nach der Beendigung der Baumaßnahmen auf beiden Campi, ein „Raum der Stille“, also ein neutraler Raum für alle Glaubensrichtungen zum Beten, Meditieren und Ausruhen, eingerichtet werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt jedoch, wird den Studierenden keine Räumlichkeit für Gebete zur Verfügung gestellt.

Im Wirrwarr der Gebetsraum-Debatte ist es schwer einen klaren Gedanken zu fassen und sich an einer nachvollziehbaren Erklärung für die Entscheidungen der Unileitungen festzuhalten. Da wir aber alle -unabhängig von Religion- das Grundgesetz des deutschen Staates zu achten haben, bleibt die Frage offen, was dem Geist des Grundgesetzes gerechter wird. Der Ausschluss der Religion aus dem öffentlichen Raum oder die Öffnung des staatlichen Bereichs im Sinne der offenen und übergreifenden Neutralität?

Leserkommentare

Manuel sagt:
Eine Uni oder Schule ist keine Moschee, Kirche, Synagoge oder sonst ein religiöser Tempel. Religion ist außerdem in einer säkularen Gesellschaft eine Privatangelegenheit, das haben bei aller Toleranz auch die Moslems zu akzeptieren, die Religion egal welche, steht nicht über dem Staat. Wem das nicht passt, sorry, aber es gibt andere Staaten.
27.03.16
15:39
Ute Fabel sagt:
Auch die politischen Parteien, die in unserer pluralistischen Demokratie grundsätzlich gefördert werden, haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen Universitäten kostenlose Räumlichkeiten zur die parteipolitische Betätigung der Studenten zur Verfügung zu stellen. Jeder Religions- Weltanschauungemeinschaft steht es hingegen frei in Universitätsnähe Räumlichkeiten zur religiösen oder politischen Betätigung anzumieten.Nicht nur in vielen Religionen wird der Traum von einer besseren Welt wachgehalten, wie Herr Strecker sagt, sondern auch in nicht religiösen Weltanschauungen. Gerade wenn man die sich die Geschichte der abrahamitischen Religionen in den vergangenen Jahrhunderten vor Augen hält, kann man jedoch durchaus geteilter Meinung sein, was deren positive gesellschaftlichen Auswirkungen betrifft.
29.03.16
8:29
Manuel sagt:
Ute Fabel: Ja hier tat sich besonders das Christentum und der Islam hervor!
29.03.16
12:13
Marianne sagt:
Ich glaube nicht, dass die muslimischen Eroberungen und die Kreuzzüge die Welt positiv verändert haben. Und ganz gewiss verändert der Terror des IS und anderer Islamisten auch heute die Welt nicht wirklich positiv. Das mag anders sehen, wer will. Einen Anspruch auf einen Gebetsraum begründet das aber noch lange nicht. Wer beten möchte, kann in die Moschee gehen. Was den Geist des Grundgesetzes angeht, so wird sich jeder den nach seinen Vorstellungen zurechtlegen. Eine Minderheit sollte aber wohl kaum eine Mehrheit darüber belehren, was die Väter (und wenigen Mütter) des Grundgesetzes wirklich gewollt haben. Den Islam als Religion hatten die nämlich noch gar nicht vor Augen. Dann hätte das Grundgesetz möglicherweise anders ausgesehen. Muslime sollten nicht immer nur fordern. Ansonsten braucht es niemanden zu wundern, dass viele Bürger einen weiteren Zuzug von Muslimen nach Deutschland nicht wünschen.
05.04.16
15:42
Charley sagt:
Nun, was ich auch las, war, dass in diesen "muslimischen" Gebetsräumen die weiblichen Betenden von den Männern getrennt wurden. Da kommen Qualitäten ins Spiel, die der Gleichbehandlung widersprechen. Hier werden - und da liegt ein echtes religiöses Problem, dass der Islam in Europa (und anderswo) darlebt, "pflegt" - religiöse Ansichten sozial maßgeblich. Und hier ist die Grenze, wo man sich ins Abseits bringt. Da fängt Gewalt an! Ideell, religiös, sozial.... und das Ende ist nicht absehbar, denn das Prinzip des Islam ist (leider) falsch: Wer aus Dogmatismus Maßstäbe anderen aufdrückt, mißachtet die Freiheit der anderen. Dieses gesellschaftlich Normierende des Islam/von Religion ist genau dem Freiheitsgeist der Moderne entgegen gesetzt. Das haben die sog. christlichen Kirchen begriffen und sind sehr kleinlaut geworden, beschränken sich auf das Mitteilen von Wünschen, Denkanstößen.... Der Islam, auch in Europa, aber noch viel mehr in anderen Ländern, fängt erst an zu begreifen, dass da etwas bei ihm nicht stimmt.
06.04.16
13:01
Charley sagt:
wie gesagt, es geht um ein Prinzip. Was derzeit in Polen statt findet (wo die katholische Kirche immer noch gesellschaftlich normierend wirken will), ist ein krasses Beispiel. In sog. Islamischen Ländern ist das auch, z.T. mit grausamer Konsequenz zu beobachten. Wen wundert es, wenn dieses übergriffige Prinzip, dass Mohammed schon installierte, in Europa Angst verbreitet?!
06.04.16
13:04
Mehmet sagt:
Die Intoleranz der Vorkommentatoren gegen die Verrichtung von Gebeten in den Universitäten ist lächerlich, da sie fern von der Realität sind. Die heutige junge Generation von Studenten nimmt es locker, wenn muslimische Studenten in der Universität ihre Gebete verrichten und Gebetsmöglichkeiten von seitens der Universität erhalten. So ist die Realität an deutschen Universitäten, und nicht anders. Abgesehen davon, dass Versuche, muslimische Studenten zu "überreden", im Universitätsgelände das Gebet zu unterlassen, ohnehin nichts bringen würden. Sofern kein Raum als Gebetsmöglichkeit gegeben wird, wird üblicherweise auf "geheime Gebetsecken" im Universitätsgelände ausgewichen.
09.04.16
2:40
Charlie sagt:
Also Neutralität heißt für mich nicht, dass wir nicht unterschiedlich denken dürfen! Wenn das so wäre, brauchen wir keine Neutralität! Und wem das nicht passt, der kann ja nach China ziehen. Wenn man die Kommentare so liest merkt man, dass fast keiner weiß was Säkularismus bedeutet, bzw. den Artikel aufmerksam gelesen hat. Dieser Professor Wißmann hat ganz recht! Und wer denkt, dass der Staat das freie Praktizieren der Religionen verbieten müsse, muss selber auswandern, weil wir in Deutschland leben. Viele sagen, dass wir zuviel Religion sehen, aber ich wünschte mir, dass sogar mehr Juden, Christen, Muslime und alle Anderen ihre Religion frei ausleben. Wir sollten alle anfangen Menschen zu sein und aufhören Menschen auf ihre Religion, auf ihr Aussehen, auf ihren Job etc. zu reduzieren! Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, sowohl religiöse als auch nicht-religiöse. Menschen wegen ihrer Religion zu verurteilen ist grausam. Heute ist die Hetze gegen Muslime. Und morgen? Gegen Christen? Gegen Juden? Wo soll der Hass ein Ende nehmen? Wenn jemandem wirklich die deutschen Gesetze am Herzen liegen und man geistig die Zeit der Aufklärung mitbekommen hat, dann sollten wir anfangen, endlich auch die Menschen um uns zu akzeptieren, auch wenn sie nicht 1 zu 1 so sind wie ich. So wie sie ihre Freiheit haben zu sein wie sie wollen, habe ich meine Freiheit zu sein wie ich will. Und im gegenseitigen Respekt liegt der Schlüssel zum friedlichen und harmonischen Miteinander. Und wer weiter hetzt und nicht versteht worum es geht, katapultiert uns direkt ein Jahundert zurück. Na dann, prost!
10.04.16
2:26
Markus sagt:
Natürlich ist Religion Privatsache. Auch an der Universität. Das muss aber nicht daran hindern, dass ein Raum für die Pflichtgebete der Muslime von der Universität zur Verfügung gestellt wird. Man sollte gläubigen Menschen die Ausübung ihrer Religion nicht unnötig erschweren.
13.04.16
14:02
Manuel sagt:
@Charlie: Genau, führen wir gleich auch noch die Scharia ein oder?
14.04.16
11:36
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