Bundeswehr

Muslimische Soldatin übt Kritik

Schätzungen zufolge gehören der Bundeswehr zwischen 1200 und 1600 Soldaten islamischen Glaubens an. Eine von ihnen ist Nariman Reinke, Hauptfeldwebel mit Eltern aus Marokko. Sie meint, die Bundeswehrführung müsse mehr für Muslime tun.

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04
2016
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Soldaten im Einsatz © by Kecko auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Nariman Reinke ist bei der Bundeswehr für elektronische Aufklärung zuständig und praktizierende Muslimin. Offenen Rassismus hat sie in ihren elf Jahren bei der Truppe noch nicht erlebt. Unangenehme Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrer Religion machte sie trotzdem – mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), wie sie erzählt. Schätzungen zufolge gehören der Bundeswehr zwischen 1200 und 1600 Soldaten islamischen Glaubens an.

Die Bedrohung durch Terrorismus ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Treten die Kameraden Ihnen nun mit mehr Skepsis gegenüber, weil Sie Muslimin sind?

Reinke: Nein, so habe ich das nicht erfahren. Ich komme aber auch aus einer Truppengattung, die vom Personal her ziemlich vielfältig aufgestellt ist. Meine Sicherheitsüberprüfung hat allerdings drei Jahre gedauert. Bei anderen, nicht-muslimischen Kameraden waren es nur neun Monate. Das hat mich richtig genervt, dass das so lange gedauert hat. Ich bin auch erst später Feldwebel geworden.

Als Feldwebel für elektronische Aufklärung sind Sie in einem sogenannten sicherheitsempfindlichen Bereich tätig. Deswegen ist auch die Sicherheitsüberprüfung notwendig. Sie sind drei Mal vom Militärischen Abschirmdienst intensiv befragt worden. Inwieweit hat dabei eine Rolle gespielt, dass Sie Muslimin sind?

Reinke: Bei der ersten Befragung hat das keine Rolle gespielt. Später dann schon. Man war auf der Suche nach radikalen Moslems. Da hätte man sich bei mir die Arbeit ersparen können, wenn man vorher ein bisschen sorgfältiger recherchiert hätte. Das war schon unangenehm.

Haben Sie sich unfair behandelt oder sogar diskriminiert gefühlt?

Reinke: Das war für mich ein Vertrauensbruch. Man gibt ja viel auf in diesem Beruf, das ist ja nicht so ein 08/15-Arbeitsplatz, wo man abends nach Hause kommt und dann seine Freunde treffen kann. Man investiert viel Zeit, muss flexibel und abrufbereit sein, gibt viele soziale Kontakte auf und kann ständig in den Auslandseinsatz befohlen werden. Deswegen war das schlimm für mich, dass man mich und meine Motive derart hinterfragt hat – trotz all der Opfer, die ich bereits gebracht hatte. Dabei war vor allem die Art und Weise äußerst unpassend. Das war unnötig und persönlich verletzend. Ich war danach ziemlich durch den Wind.

Auch wegen der Gefahr des Terrorismus will das Verteidigungsministerium alle Soldaten vor der Einstellung überprüfen lassen. Finden Sie das gut?

Reinke: Ja, natürlich. Wenn gewisse Grenzen nicht überschritten werden und das für alle Soldaten so gemacht wird – warum nicht. Im sicherheitsempfindlichen Bereich, in dem ich arbeite, muss man schauen: Was ist das für ein Mensch? Wie geht er mit sicherheitsempfindlichen Daten um? Kann er verschwiegen sein? Genauso muss man an anderer Stelle sehen: Kann ich dem Soldaten zeigen, wie er mit einer Waffe umgeht, und missbraucht er das Wissen dann nicht? Das wissen wir ja leider vorher nicht.

Wie viele Menschen gehen jetzt mittlerweile aus Deutschland in den Irak oder sonstwo hin, um für den IS zu kämpfen, und da sparen sich diese Terroristen dann die Waffenausbildung – das kann ja wohl nicht sein. Dass man die Menschen überprüft, bevor die überhaupt eintreten in die Bundeswehr und Soldat werden, das finde ich schon richtig. Es muss um jeden Preis vermieden werden, dass Terroristen von der Bundeswehr ausgebildet werden.

Finden Sie, dass sich die Bundeswehr mehr um Muslime kümmern muss?

Reinke: Ja. Auch wir Muslime gehen für unser Land in den Einsatz. Auch wir würden unser Leben für Deutschland geben. Gerade da sollte man schauen, dass man auch für Soldaten islamischen Glaubens und deren Familien militärische Seelsorge bereitstellt. Man muss doch zum Beispiel wissen, was zu tun ist, wenn muslimische Kameraden im Einsatz ums Leben kommen. Wie gehe ich mit der Leiche um? Wie benachrichtige ich die Familie?

Ich habe zwei Einsätze in Afghanistan hinter mir. Ich musste vorher mein Testament schreiben, musste eine Anleitung schreiben, wie man mit meinem Leichnam umzugehen hat, falls ich getötet werde. Ich denke nicht, dass das meine Aufgabe ist. Im Einsatz religiösen Beistand zu haben, ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann. Wenn man das für christliche Soldaten stellen kann, warum dann nicht für muslimische? Wenn das die niederländischen, amerikanischen und französischen Streitkräfte schaffen, warum nicht die Bundeswehr? Wir leben im Jahr 2016. Mittlerweile sollte man begreifen, dass der Islam zu Deutschland gehört.

ZUR PERSON: Nariman Reinke (36) trat 2005 in die Bundeswehr ein und war von Anfang an für elektronische Aufklärung zuständig. Aufgabe ihres Bataillons in Daun in der Eifel (Rheinland-Pfalz) ist es, Fernmeldesignale zu erkennen, aufzuzeichnen und auszuwerten – unter anderem zum Schutz der eigenen Soldaten im Einsatz. Zwei Mal war die 36-Jährige in Afghanistan. Ihre Eltern stammen aus Marokko, sie selbst ist in der Nähe von Hannover geboren. Als sie acht war, wurde die Familie eingebürgert. Ihr Vater wünschte sich, dass seine beiden Söhne ranghohe Offiziere werden sollten. Stattdessen ging die Tochter zum Bund und ist seit vergangenem Jahr Berufssoldatin. Reinke ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat, der sich für die Belange von Soldaten mit Migrationshintergrund einsetzt.(dpa/iQ)