Die Idee ist nicht neu, die CSU hat sie wiederholt: Islamische Geistliche sollen per Gesetz auf Deutsch predigen. Dabei ist der Trend zur Landessprache längst im Gang.
In deutschen Moscheen soll per Gesetz Deutsch gepredigt werden – mit dieser Forderung kam CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland nicht gut an. Ein „Eingriff in die freie Religionsausübung“ wäre das, meinte der Vorsitzende der Gemeinde, Gökay Sofuoğlu, in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Im Übrigen werde in katholischen Kirchen „ja auch noch Latein gesprochen“. Was Scheuer und Sofuoğlu verbindet: eine schräge Sicht auf den jeweiligen Sachverhalt.
Gepredigt wird in katholischen Gottesdiensten seit jeher in der Landessprache. Schließlich sollen die Gläubigen verstehen, was der Geistliche ihnen nahebringen will. Latein kommt in der Regel inzwischen bestenfalls bei festen Texten der Messe wie „Sanctus“ oder „Agnus Dei“ zum Tragen, die aus Sicht des Verfassungsschutzes unbedenklich sind.
Was die Methoden der gottesdienstlichen Verkündigung angeht, stehen Pfarrer und Imame praktisch Seite an Seite: So wird in vielen Moscheen längst Deutsch gepredigt, Tendenz steigend. Oft verstünden junge Muslime aus Migrationsfamilien ohnehin nicht mehr die arabische oder türkische Muttersprache ihrer Großeltern oder Eltern, sagt Hansjörg Schmid, Direktor des Zentrums für Islam und Gesellschaft im schweizerischen Fribourg.
Wohl bleibt es fester Brauch, den Koran auf Arabisch zu rezitieren – er gilt in dieser Form als direkte Offenbarung Gottes. Gerade deshalb soll die Predigt auch in einer Sprache sein, die bei den Gläubigen ankommt.
Das Problem liegt beim Personal. Die Türkei versuchte dem seelsorgerischen Bedarf in Deutschland nachzukommen, indem die Religionsbehörde Diyanet im Fünf-Jahres-Turnus Imame entsandte – aus Schmids Sicht ist das keine Lösung auf Dauer. Ähnliche Versuche und Probleme gab es mit Seelsorgern aus Bosnien oder dem arabischen Raum.
Ein Ausbau der Berufsgruppe deutscher Imame steht vor zwei Hindernissen. Zum einen der Bildungsweg: Mittlerweile bieten zahlreiche Hochschulen islamische Theologie an, einige auch als Master-Studiengang, etwa Münster, Osnabrück, Frankfurt oder Tübingen. Allerdings führt ein Abschluss darin ebenso wenig zu einer Berufsqualifikation wie ein Studium der Katholischen Theologie ins Priesteramt.
Eine zweite Hürde: Der Beruf des Imams ist finanziell schlichtweg nicht attraktiv. Die Türkei ermöglicht eine internationale Ausbildung, etwa in Istanbul, und fördert sie mit Stipendien. Anschließend müssen die jungen Seelsorger aber zusehen, wie sie in der Heimat auf ihre Kosten kommen. Für Geistliche in Deutschland heißt das, dass sie von der Finanzkraft ihrer jeweiligen Gemeinde abhängen – „eine delikatere Situation als in einer evangelischen Landeskirche“, sagt Schmid.
Im Ganzen herrscht – so der Leiter des Islam-Zentrums, der selbst katholischer Theologe ist – ein „hohes Problembewusstsein in den islamischen Gemeinden“. Man will das Profil der Imame verbessern, es werden Sprachkurse für zugereiste Imame angeboten. Verbindliche Ausbildungsstandards ließen sich vermutlich aber nur im Rahmen von Staatsverträgen festlegen, ähnlich wie bei den großen christlichen Kirchen.
Auf den bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen verwies in seiner Reaktion auf Scheuers Forderung nach einem „Islam-Gesetz“ auch der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici: „Wir haben in Deutschland ein bewährtes Religionsverfassungsrecht, das das Verhältnis von Staat und Religion regelt“, erklärte er.
Der Islam brauche „keine Kultivierung vonseiten der Politik“. Dies wäre unvereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, betonte Kesici. Inwieweit der Staat in die Gottesdienstgestaltung eingreifen darf, fragt auch Schmid – und verweist auf christliche Zuwanderer-Gemeinden in Deutschland, in denen seit Jahrzehnten Polnisch, Italienisch oder Portugiesisch gebetet und gepredigt wird.
„Wie Muslime sich einen Imam wünschen und wie er von außen gewünscht wird – da gibt es eine große Schnittmenge“, meint Schmid. Er fragt daher, inwieweit Gesetze und Verbote sinnvoll seien. „Man sollte auf Kooperation setzen und nicht auf Polarisierung.“ Vor einem warnt Schmid jedoch: dass sich „Arabisch als neue Angstsprache“ etabliert. (KNA, iQ)