Niedersachsen

Staatsvertrag in Niedersachsen? – Ein Überblick

In Niedersachsen sollte ein Staatsvertrag zwischen der Landesregierung und den islamischen Religionsgemeinschaften zu Stande kommen. Doch die Verhandlungen stocken. Grund: ein neuer Vorstand. Kritik auf diese Entscheidung kam von vielen Seiten. Ein Überblick.

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04
2016
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Symbolbild: Koalitionsvertrag © by Eleleleven auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Die „Nordwest-Zeitung“ hatte am Mittwoch berichtet, dass Niedersachsens Landesregierung den geplanten Staatsvertrag mit drei Islamischen Religionsgemeinschaften – Schura, DITIB und Aleviten – vorerst auf Eis legen wolle. Anlass sei ein Führungswechsel bei Schura vom bisherigen Vorsitzenden Avni Altiner, einem engen Duz-Freund von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), hin zu Recep Bilgen. Bilgen kommt von der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Sie zählt rund 2.600 Mitglieder in Niedersachsen.

Recep Bilgen selbst sagt, personelle Veränderungen aufgrund turnusmäßiger Neuwahlen sei in einem demokratisch strukturiertem Verband wie der Schura ein normaler Vorgang. Die Schura sei eine unabhängige Religionsgemeinschaft der Muslime in Niedersachsen und sehe sich als Teil der deutschen Gesellschaft. Zudem seien IGMG-Gemeinden bei der Schura Niedersachsen von Anfang an dabei gewesen und den Verband geprägt und mit aufgebaut.

„Wir bedauern in der Tat die Abwahl von Herrn Altiner, der sich bei uns und parteiübergreifend Vertrauen erarbeitet hat“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen (SPD) der KNA. „Das ist kein Misstrauensvotum gegenüber dem Neuen.“ Aber man müsse nun „zunächst in Ruhe prüfen, wie sich der Landesverband unter der neuen Führung darstellen wird.“ Sie rechne nicht mit einer kurzfristigen Unterzeichnung. Dass nun nur Verträge mit DITIB und den Aleviten abgeschlossen würden, sei „nicht realistisch“, so Pörksen.

Trotz offener Fragen nach dem Führungswechsel beim muslimischen Landesverband hofft Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf eine Unterzeichnung des Islamvertrags noch in diesem Jahr. „Wir haben ein gemeinsames Interesse, dass wir zügig zueinander kommen“, sagte Weil am Donnerstag nach einem Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden der Landtagsparteien. „Ich habe in unseren Gesprächen keinen Diskussionspunkt gehört, der nicht lösbar ist.“ Der am Samstag gewählte neue Vorstand des Landesverbandes habe am Mittwoch bereits um ein Gespräch mit der Landesregierung gebeten. Alle Fraktionschefs äußerten den Willen, zu einem Vertrag für die rund 300 000 Muslime in Niedersachsen zu kommen.

Geklärt werden müsse, dass es sich bei der neuen Schura-Spitze um unabhängige Persönlichkeiten handele und nicht gefühlt Dritte mit am Verhandlungstisch säßen, sagte Weil. Er betonte, dass die IGMG zuletzt eine positive Rolle innerhalb des Landesverbandes eingenommen habe und der Verfassungsschutz seine Beobachtung eingestellt habe.

Statt in dem Vertrag nur bestehende Regelungen zu bündeln, müsse dieser die islamischen Religionsgemeinschaften auch in die Pflicht nehmen, bei der Integration von Muslimen sowie dem Kampf gegen Extremismus mitzuhelfen, sagte CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Die islamischen Religionsgemeinschaften müssten es außerdem billigen, dass Muslime ihren Glauben ablegen und sich einer anderen Religion zuwenden. FDP-Fraktionsvize Stefan Birkner forderte einen Vertrag, der unabhängig von Veränderungen in den islamischen Religionsgemeinschaften Bestand haben könne. Für noch offene praktische Fragen sei er zuversichtlich, dass sich pragmatische Lösungen finden. CDU und FDP haben schon lange Bedenken gegen den Vertrag in seiner bisher geplanten Form und fordern eine Nachbesserung des Entwurfs sowie Neuverhandlungen.

„Wir sind daran interessiert, diesen Vertrag auch zum Abschluss zu bringen“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Die Fraktion wolle das Gesprächsangebot des neuen Schura-Vorsitzenden schnell annehmen. „Wir sind optimistisch, dass wir zu einem Vertragsabschluss kommen“, erklärte auch die SPD-Fraktionschefin Johanne Moder.

Kirchen in Niedersachsen für Staatsverträge mit Muslimen

Auch die beiden großen Kirchen in Niedersachsen haben sich für Weiterverhandlungen der rot-grünen Landesregierung mit den islamischen Religionsgemeinschaften zum Staatsvertrag ausgesprochen. „Es wäre schade, wenn der Vertragsabschluss aufgrund des Personalwechsels an der Spitze des Landesverbandes der Muslime Schura scheitern würde“, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Felix Bernard, am Mittwoch in Hannover der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er erwarte von dem Landesverband auch unter neuer Führung, dass er „zum ausgehandelten Vertrag steht“, betonte Bernard.

Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers hält ebenfalls an ihrem Votum für den Abschluss der Staatsverträge mit den muslimischen Gemeinschaften fest. Sie befürworte „unabhängig von den Personen“ die „Abschlüsse von Verträgen zwischen der Landesregierung und den muslimischen Verbänden in Niedersachsen“, sagte Pressesprecher Johannes Neukirch.

Neukirch sagte, es gelte nach wie vor das Wort von Landesbischof Ralf Meister, dass es bei aller noch nötigen Diskussion „möglichst bald“ zum Abschluss der Verträge mit den muslimischen Verbänden kommt.