Gebetsraumkonflikt: Jetzt reden wir!

„Menschen im Guten zusammenbringen“

Negative Schlagzeilen über drei muslimische Gebetsräume an deutschen Universitäten dominierten die Nachrichten. Doch wie sieht es mit anderen muslimischen Hochschulgruppen aus? IslamiQ lässt sie selbst zu Wort kommen. Heute: die Muslimische Hochschulgemeinde Düsseldorf (MHG).

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2016
Semestereröffnungsveranstaltung „Comedy Klatscher“, April 2016. © MHG

IslamiQ: Aus wie vielen Mitgliedern besteht Ihre muslimische Hochschulgruppe und seit wann besteht sie?

Muslimische Hochschulgemeinde Düsseldorf (MHG): Die Muslimische Hochschulgemeinde Düsseldorf (MHG) wurde 2010 gegründet und versteht sich als Ansprechpartner und Vertreter aller muslimischer Studierender der Heinrich Heine Universität (HHU) Düsseldorf. Eine registrierte Form der Mitgliedschaft hat die MHG erst vor kurzem neu eingeführt. Seither beläuft sich die Anzahl der Mitglieder auf über 120 Studierende, wie auch MitarbeiterInnen der Universität, und steigt stetig mit jeder Veranstaltung. Darüber hinaus engagieren sich aber weiterhin eine weitaus größere Zahl an nichtregistrierten Studierenden und Alumnis in der MHG.

IslamiQ: Gibt es einen muslimischen Gebetsraum an Ihrer Universität? Wenn ja, gab es je Probleme? Wenn nein, ist ein Gebetsraum geplant?

MHG: Die Heinrich Heine Universität verfügt über einen konfessionsübergreifenden „Raum der Stille und des Gebets“. Dieser wurde auf Anfrage von Studierenden in Zusammenarbeit mit dem AStA, der christlichen Hochschulgemeinden, anderen Konfessionsgruppen und dem Rektorat initiativ im Jahr 2010 eröffnet. Seither wird er unter Berücksichtigung der Raumordnung und mit gegenseitigem Respekt täglich zur Meditation, zum Gebet und zur stillen Besinnung genutzt.

Festessen auf dem Campusgelände für Flüchtlinge (Eid al-atha), Teammitglieder bei der Essensausgabe. September 2015

Festessen auf dem Campusgelände für Flüchtlinge (Eid al-atha), Teammitglieder bei der Essensausgabe. September 2015 © MHG

IslamiQ: Wie ist die Beziehung der muslimischen Hochschulgruppe zu den anderen Hochschulgruppen und nicht-muslimischen Studierenden? Gibt es auch gemeinsame Organisationen?

MHG: Die MHG Düsseldorf steht im stetigen Austausch und pflegt den Kontakt zu anderen Hochschulgruppen an der Heinrich Heine Universität, wie beispielsweise mit der KHG (katholische Hochschulgemeinde) oder ESG (Evangelische Studierenden Gemeinde). Es werden regelmäßig Veranstaltungen in Kooperation mit diesen Hochschulgruppen, aber auch mit dem AStA, geplant und angeboten. Darüber hinaus sind sämtliche Veranstaltungen und wöchentliche Vorstandssitzungen während des Semesters Studierenden aller Glaubensrichtungen und Überzeugungen offen und werden von diesen auch in Anspruch genommen.

Die MHG versteht sich als integrativer Teil dieser Universität, und zeichnet sich durch Transparenz in ihrer Arbeit u.a. gegenüber dem Rektorat, dem AStA und den außeruniversitären Institutionen, wie mit der Stadt, sowie dem Land NRW aus. Sie möchte durch ihr Wirken ihren Beitrag zur Förderung des Dialoges und des Selbstverständnisses einer respektvollen Studierendenschaft auf dem Campus leisten, etwaigen Vorbehalten oder Vorurteilen entgegenwirken und die internationale Ausrichtung an der Heinrich Heine Universität positiv fördern. Die MHG Düsseldorf ist zusätzlich im regen Austausch mit bundesweiten und regionalen muslimischen Hochschulgruppen und ist Mitglied des Dachverbandes Rat muslimischer Studierender und Akademiker (RAMSA).

Abschlussfoto „Comedy Klatscher“, April 2016, über 600 Studierende nahmen an der Veranstaltung teil.

Abschlussfoto „Comedy Klatscher“, April 2016, über 600 Studierende nahmen an der Veranstaltung teil. 

IslamiQ: Warum ist es wichtig, dass es muslimische Hochschulgruppen und/oder einen muslimischen Gebetsraum gibt?

MHG: Die Existenz muslimischer Hochschulgruppen ist eine organisierte Instanz und Reflektion eines nicht zu unterschätzenden Anteils der Studierendenschaft. Sie zeichnet sich durch eine interne dynamische und inklusive Struktur aus und kann als Austauschpartner, Beratungsinstanz und Repräsentant eben dieser Studierenden dienen. Die Hochschulgruppen fungieren als Sprachrohr für die Bedürfnisse und Anregungen muslimischer Studierenden und umgekehrt als Ansprechpartner für unterschiedliche Verwaltungsebenen der Universität. Sie tragen dazu bei, inneruniversitäre Freizeitangebot durch Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art zu erweitern und zu bereichern. Ebenso sensibilisieren MHGen das Verständnis der Studierenden für die Relevanz ehrenamtlicher Arbeit.

Die MHG Düsseldorf leistet beispielsweise regelmäßig Bedürftigen, der Kinderkrebsklinik oder für andere karitative Zwecke finanzielle Hilfestellung (durch beispielsweise Spendenaktionen, Kuchenständen o.ä.), oder ermöglicht durch unterschiedliche Projekte den Studierenden den Zugang zur Flüchtlingshilfe. Die Eröffnung von Gebetsräumen oder Räumen der Stille, wie sie an der Heinrich Heine Universität existiert, fördert das Gefühl des respektvollen Miteinanders und der Wertschätzung der persönlichen Glaubensauslebung bei gegenseitiger Rücksichtnahme und stellen einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert für den Studienalltag dar, indem sie einen geschützten Raum für die Ausübung eines Pflichtbedürfnisses bieten.

Auf der Facebook-Seite der MHG können Interessierte aktuelle Nachrichten verfolgen und sich aktiv in die Arbeit der Hochschulgruppe einbinden.

IslamiQ: Hatten die aktuellen Debatten um die muslimischen Gebetsräume einen Einfluss auf Ihr universitäres Miteinander?

MHG: Nein, hatten sie nicht. Die Muslimische Hochschulgemeinde setzt sich entschieden dafür ein, nicht wegen einem oder zwei Negativbeispielen zahlreiche positive Entwicklungen auf dem Campus überschatten zu lassen. Stattdessen möchte die MHG weiterhin die Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung und Studierendenvertretung intensivieren.

IslamiQ: Was macht Ihre Hochschulgruppe aus?

MHG: Die MHG Düsseldorf zeichnet sich durch ein hochengagiertes internationales Team aus, welches auch außeruniversitär stark lokal und regional vernetzt ist. So leitet die muslimische Hochschulgemeinde Düsseldorf ein ehrenamtliches Projekt „Dolmetscher für geflüchtete Menschen“ mit über 100 ehrenamtlichen Helfern/Helferinnen, ist Partner eines weiteren Projektes zur medizinischen Betreuung von Flüchtlingen und ist noch dazu Mitglied beim „Kreis der Düsseldorfer Muslime“ (KDDM). Letzteres stellt einen multinationalen Zusammenschluss der muslimischen Gemeinden und Vereine in Düsseldorf dar. Die MHG Düsseldorf möchte durch dieses erweiterte Wirkspektrum auch über die Campusgrenzen hinaus ihrer Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben, als Mehrwert für die gesamte Gesellschaft nachkommen und ihren Anspruch, ein nützlicher und selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft zu sein, unterstreichen. Ziel ist es dabei stets, Gutes zu bewirken und Menschen im Guten zusammen zu bringen.

Leserkommentare

Jamie Vardy sagt:
Wie sieht es mit IGMG Students aus, sind die nicht in Hochschulen vertreten?
01.05.16
20:01
Ute Fabel sagt:
Ein Rückzugraum der Stille an staatlichen Universitäten für alle unabhängig von Religion oder nicht religiöser Weltanschauung: JA; ein Gebetsraum für einzelne Konfessionen: NEIN, der Staat hat sich religions- und weltanschauungsneutral zu verhalten, Religionen und Staat sind zu trennen. Besteht Bedarf nach konfessionellen Gebetsräumen, sind diese von den religiösen Gruppen in Universitäsnähe auf eigene Kosten anzumieten.
02.05.16
13:17
Manfred sagt:
@Ute Fabel: Lassen Sie den Muslimen dich ihren Gebetsraum an der Uni. In anderen Ländern gibt es das auch. Das steht der Neutralität des Staates nicht im Wege. Und die Trennung von Religionen und Staat ist besser gewährleistet, wenn der Staat nicht dauern aufgefordert wird, sich in die inneren Angelegenheiten der Muslime einzumischen.
02.05.16
18:53
Ute Fabel sagt:
@Manfred: Sind Sie auch der Meinung, dass der Staat marxistischen Gruppen oder Burschenschaftern Räumlichkeiten zur Verfügung stellen soll? Oder anderen Religionsgemeinschaften wie den Zeugen Jehovas? Was ist mit der Scientolgy Kirche, die in vielen Ländern auch als Religionsgemeinschaft anerkannt ist? Die Trennung von Staat und Religionen und die weltanschauliche Neutralität ist am besten gewährleistet, wenn sich der Staat da ganz heraushält, sonst gibt es immer neue Begehrlichkeiten. Religion und Weltanschauung ist einfach Privatsache.
03.05.16
12:37
William Weismann sagt:
Wundervoll. Diese Studentengruppe leistet mehr als alle politische Listen, AStAen und andere pseudo Studierendenvertreter zusammen. Wir tun besonders solchen engagierten Studis Unrecht an, wenn wir versuchen Religion ins Privatleben zu verbannen. Es ist ein Teil von Ihnen und es bewirkt gutes für uns alle. Wenn das dabei rauskommt, das Muslime studieren gehen dann sollten wir schauen dass wir das fördern damit sie es schaffen und wenn sie dadurch belesen genug sind um gegen radikale Rattenfänger imun werden, umso besser. Es gibt nichts gutes ausser man tut es!
04.05.16
0:18
Moni sagt:
@Ute Fabel: Es geht nicht darum, irgendwelchen Gruppen einen schönen Raum zur Verfügung zu stellen. Muslime haben als eine Pflicht das fünfmalige Gebet zu vorgegebenen Zeiten. Religionsfreiheit bedeutet, dass z.B. Muslime ihren religiösen Pflichten nachkommen können, ohne behindert zu werden. Dabei schadet es nichts, wenn der Staat es den Muslimen erleichtert, ihren Pflichten nachzukommen, indem er z.B. an Universitäten Räumlichkeiten für das Gebet zur Verfügung stellt. Warum unnötig Steine in den Weg legen? Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut. Die christlichen Kirchen profitieren übrigens noch von der Vergangenheit, als sie in der glücklichen Lage waren, das Volk auszuplündern und Vermögen anzuhäufen. Die Muslime haben diesen Vorteil nicht, sie müssten also Geldgeber suchen, wenn sie Gebetsräume in Universitätsnähe anmieten sollen. Das wären dann aber sicherlich ausländische Geldgeber, z.B. aus der Türkei oder Saudi Arabien oder Katar. Das wiederum will auch niemand. Im Ergebnis liefe das dann wieder darauf hinaus, dass Muslime an der Ausübung ihrer Religion gehindert würden. Und das wäre schließlich ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Um Freiheits- und Menschenrechte zu schützen, ist es manchmal erforderlich, dass der Staat eingreift. Das verstößt weder gegen die staatliche Neutralität, noch gegen die Trennung von Religion und Staat.
04.05.16
13:51