Aleppo brennt vor den Augen der Weltgemeinschaft. Juristin und Aktivistin Nahla Osman erklärt, was in Anbetracht des täglich anhaltenden Völkermordes in Aleppo, von Deutschland aus getan werden kann.
Aleppo brennt. Eine Stadt mit Weltkulturerbe. Vor fünf Jahren hatte Aleppo in Syrien als zweitgrößte Stadt noch circa fünf Millionen Einwohner. Mittlerweile sind es nur noch circa 200.000 Überlebende.
Das Aleppo von 2016 bedeutet: Tägliche Luftangriffe, keine Lebensmittel, kein Strom, kein Wasser, keine Nahrung, keine ausreichende medizinische Versorgung, keine Bildungsmöglichkeiten, keine Schulen, und keine Müllabfuhr. Allepo hat Hunger, ist erkrankt, hat Angst, Trauer und keine Hoffnung mehr.
Ohnmacht, Wut, Trauer, Angst, Hass treten in uns auf. Bei den Menschen, die im täglichen Kontakt mit den wenigen Überlebenden in Aleppo sind; bei den Menschen wie mich, die hier verwurzelt sind, aber seit fünf Jahren Verwandte, Familie, Freunde, Bekannte, Aktivisten in Aleppo kennen und versuchen, sie vergeblich zu trösten, ihnen Mut zuzusprechen, ihnen die Angst zu nehmen oder ihnen einfach nur zuhören und trotzdem nichts erreichen. Im Gegenteil, ich unterstütze die Geflüchteten in Deutschland Asyl zu erhalten, ihr Land dauerhaft zu verlassen und spüre innerlich, mein Land hintergangen zu haben, die Menschen im Stich gelassen zu haben, nicht genug zu tun. Ich schäme mich.
Gerade auch nach der Ermordung von Dr. Muhammad Maaz, dem letzten Kinderarzt in den sogenannten „befreiten Gebieten“ scheint jede Hilfsaktion, jede Rede, jeder Beitrag, jede Demo aussichtslos. Gerade nach der Zerstörung des Krankenhauses AlQuds in Aleppo, in dem mehr als 5000 Menschen notversorgt wurden. Das schlimme ist, dass es vor den Augen der Weltgemeinschaft geschieht und keinen scheint dieses Kriegsverbrechen zu interessieren.
Nein, im Gegenteil, man verhandelt weiter mit Assad, dem Kriegsverbrecher und dessen Unterstützer. Die Welt verdeutlicht wieder einmal, dass er die „rote Linie“ unbekümmert überschreiten darf. Dass die Opfer hauptsächlich Frauen und Kinder sind, spielt keine Rolle.
Wut, Hass und Ohnmacht lähmen uns. Aber trotzdem müssen wir alle, die Menschen, die immer noch an den Wert eines jeden Menschen glauben, und vor allem wir, die im direkten Kontakt zu den Überlebenden in Aleppo stehen, weiter machen. Hilfe sammeln und versuchen, diese nach Syrien zu bringen. Auch mit der Gewissheit, dass das Krankenhaus nach dem Wiederaufbau und der zahlreichen Lieferungen erneut beschossen und zerstört werden kann. Der Bruder des getöteten Dr. Maaz macht es und vor. Er operierte zwei Stunden nach der Ermordung als Arzt im Untergrund.
Die Revolutionäre versuchen in Syrien mit jeder Minute und mit aller Kraft zu überleben. Wir versuchen daher in Deutschland z.B. medizinisches Material wie schwer zu erhaltene Medikamente, OP-Material, Prothesen etc. an die Organisationen vor Ort in Aleppo zu liefern. Es gibt ausreichend Organisationen wie z.B. das Syrian Humanitary Forum e.V. Auf der Internetseite des Dachverbands Deutsch-Syrischer Hilfsvereine kann man sich ein Überblick verschaffen.
Diese Menschen haben direkten Kontakt zu Aleppo und haben bereits in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich notwendige Hilfen überbracht. Wichtig ist zu beachten, dass die erfolgten Hilfeleistungen dringend in Aleppo benötigt werden. Es wird also immer vorab nach dem Bedarf gefragt und anschließend direkt gehandelt. Mittlerweile haben wir bekannte Fotografen aus Aleppo, Ärzte aus den Notkrankenhäusern und auch Kinder hier, die mit unserer Hilfe sehr wohl auf das Ausmaß der Lage aufmerksam machen können.
Wir können dies auf Demonstrationen tun, da bitte ich alle Mitmenschen sich gegen das Unrecht aufzulehnen und mit teil zu nehmen (einen Überblick: actions4syria). Denn was wiegt schlimmer: Das tägliche Morden an der syrischen Bevölkerung oder das Schweigen der Weltgemeinschaft?
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass langfristig gesehen die Fluchtursachen bekämpft werden müssen, dann werden die Menschen auch nicht mehr zu Tausenden fliehen und nach Deutschland kommen. Die Menschen würden sich nicht in Lebensgefahr bringen, indem sie sich auf das offene Meer begeben. Viele der Geflüchteten hier in Deutschland möchten auch wieder zurück in ihre Heimat, wenn denn der Mord durch Assad an der Bevölkerung aufhört oder zumindest aus der Luft keine Gefahr mehr drohen würde. Und wenn es überhaupt dann noch eine Heimat für sie geben wird.