In Mainz haben Islamforscher über Propaganda und Rekrutierung im Netz diskutiert. Es gebe zunehmend Attentäter ohne direkten Draht zur IS. Religiöse Muslime hingegen würden sie schnell als unislamisch entlarven.
Anschläge in Namen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) werden Experten zufolge immer häufiger ohne direkten Draht zu der Terrormiliz verübt. „Die Attentäter bekennen sich einfach zum IS. Das ist kein geschütztes Label“, sagte die Frankfurter Islamforscherin Susanne Schröter. Ihr Mainzer Kollege Bernd Zywietz sagte, diese Täter seien ideologisch nicht gefestigt. „Der IS ist für sie eine Marke, mit der sie sich schmücken wie mit Markenkleidern.“ Die Terrormiliz wiederum reklamiere tödliche Anschläge gerne für sich.
Über ihre Forschungsergebnisse berichten die Experten am Freitag auf der Konferenz „Propaganda im Internet – Formen und Herausforderungen“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Vorträge und Diskussionen sollten sich auch um die Inszenierungen der Extremisten drehen: Diese nutzen nach Erkenntnissen der Wissenschaftler Hollywood-Ästhetik, Computerspiel-Grafiken sowie schnelle Schnittfrequenzen wie in Werbeclips und Musikvideos für ihre Kommunikation.
„Diese Videos enthalten heute oft nur wenige religiöse Botschaften“, sagte Zywietz, der am Forschungsprojekt „Dschihadismus im Internet“ in Mainz mitarbeitet. „Das ist sehr anschlussfähig auch für diejenigen, die ideologisch nicht so gefestigt sind und sich nur oberflächlich damit auseinandersetzen.“ Im Grunde würden hauptsächlich nicht-religiöse Männer der IS-Propaganda verfallen. Religiöse Muslime hingegen würden die IS-Propaganda schnell als unislamisch entlarven. „Beim IS kann man einfach ein Logo ausdrucken, ohne groß vorher Bücher gelesen zu haben, und eine Kampagne starten“, so Zywietz.
Schröter hält es trotz dieser „Franchise-Struktur“ für möglich, gefährliche Extremisten zu überwachen. „Die meisten Radikalen suchen eine Gruppe. Sie wollen nicht allein radikal sein“, sagt die Ethnologin, die das Forschungszentrum Globaler Islam an der Universität Frankfurt leitet.
Zywietz würde gerne die Medienkompetenz ausbauen. Es sei wichtig, dass junge Menschen verstünden, wie Extremisten arbeiten und sich inszenieren. „Ich wünsche mir außerdem, dass sich eine Internet-Gemeinschaft herausbildet, die dagegenhält“, sagte Zywietz. Möglichst viele Menschen sollten dichte, glaubwürdige Gegenstimmen zur extremistischen Propaganda bilden. Das könnten staatliche Stellen nicht leisten.