AfD-Islambuch

Hetzschrift im Mantel der Sachlichkeit

Die AfD Thüringen hat ein Buch zum Islam herausgegeben. Der Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni hat es für IslamiQ gelesen. Fazit: Kein Pamphlet. Scheinbare Sachlichkeit. Unterschwellige Hetze.

26
06
2016
Das AfD-Islambuch: hetzerisch oder sachlich?. © http://afd-thl.de/buch-der-islam-fakten-und-argumente/

Voller Stolz verkündet die AfD für „alle, die mehr über den Islam wissen und sich selbst ein Urteil bilden wollen“, die Veröffentlichung eines Islambuchs mit dem Titel: „Der Islam. Fakten und Argumente.“ Dass es sich bei den „Argumenten“ wohl kaum um solche für den Islam, sondern eher gegen selbigen handelt, dürfte angesichts der offen islamfeindlichen Haltung der AfD sicherlich niemanden verwundern. Insbesondere das Vorwort des Vorsitzenden der Fraktion der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, welches auf nur zwei Seiten die gängigsten islamophoben Positionen bedient, lässt keinen Zweifel an der Absicht dieser Publikation. Wer allerdings eine populistisch reißerische Hetzschrift gegen den Islam erwartet, wird schwer enttäuscht sein.

Reduktion auf militärische Konflikte

Tatsächlich bemüht sich der Autor Dr. Michael Henkel darum, den Eindruck zu vermitteln, sachlich und mit vielen Quellenverweisen einem akademischen Standard gerecht zu werden. Der Politikwissenschaftler macht jedoch bereits in seiner Einleitung deutlich, dass er den Islam als ein politisch soziologisches Konstrukt betrachtet und nicht einfach als Religion. Das Wirken des Propheten Muhammad reduziert Henkel in nur wenigen Zeilen schlicht auf militärische Konflikte und vermeintliche Expansionsbestrebungen, ohne auch nur mit einem Satz auf theologische Aspekte oder die ethische und spirituelle Botschaft des Propheten einzugehen. Stattdessen beschäftigt ihn vielmehr der Beginn der islamischen Zeitrechnung mit der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina, denn dies sei „insofern markant, als es nicht Mohammeds Geburt, sondern sein Eintritt in die große Politik ist, mit dem der Islam beginnt“ (S. 11).

Sunniten – Schiiten

Nahtlos geht der Autor dann stark verkürzt zu den politischen Ereignissen über, die zur (politischen) Spaltung der Muslime in Sunniten und Schiiten führten. Henkel bemüht sich zwar die inhaltlichen Hauptunterschiede zwischen Sunniten und Schiiten sachlich darzustellen, begeht jedoch (wahrscheinlich aufgrund fehlender Expertise) den Fehler, der Schia vorzuwerfen, dass diese glaubten, der Koran sei von Sunniten verfälscht worden (S. 17). Kein anerkannter schiitischer Gelehrter vertritt heute diese Ansicht, auch wenn es ähnliche Debatten gegeben haben mag. Diese Behauptung bedeutet schließlich, dass Schiiten entweder nicht an den Koran glauben, oder eine eigene Version besitzen. Beides trifft nicht zu.

Fehlende Fachexpertise, fragliche Quellen

Nachdem der Autor dann auf Seite 23 kurz auf die fünf Säulen des Islams eingeht und im Folgenden erwähnt, dass der Koran die verfälschten heiligen Bücher der Juden und Christen ablöst, begibt er sich mit den großen Themen „Scharia“ und „Dschihad“ wieder auf politische Ebenen. Dabei wird deutlich, dass der Politikwissenschaftler Henkel einen mangelnden Überblick über innerislamische Debatten hat und in seiner Recherche nur auf Sekundärliteratur angewiesen war, da er als Fachfremder offensichtlich keinen direkten Zugang zu islamwissenschaftlichen Quellen hat. Bei genauerem Nachlesen stellt man dann fest, dass die vielen Fußnoten weniger auf Quellen verweisen, sondern auf eigene Kommentare, wobei unter der verwendeten Sekundärliteratur auch kaum renommierte wissenschaftliche Fachliteratur vorzufinden ist. Stattdessen wird auf populistische und umstrittene Personen wie etwa Bassam Tibi oder sogar Sabatina James und Hamed Abdel-Samad verwiesen, deren Arbeit keinerlei wissenschaftlichen Standards gerecht wird und auf akademischer Ebene niemals ernst genommen wurde.

Henkel geht hier sogar soweit, selbst Karl Marx zu zitieren, von dem er selbst schreibt, dass dieser eigentlich „kein ausgewiesener Islamkenner“ sei, um den Dschihad im Islam zu erklären (S. 34). Dass Henkel „Dschihad“ durchgehend als „Heiliger Krieg“ übersetzt verdeutlicht nur mehr, dass er sich niemals wissenschaftlich mit dem Islam beschäftigt hat. Da er aufgrund fehlender Sprachkennnisse keine eigene wissenschaftliche Recherche betreiben kann und nicht einmal die Standardwerke der Islamwissenschaft zu kennen scheint, dürfte Björn Höckes einleitende Behauptung, die vorliegende Publikation verstehe sich „als ein auf der einschlägigen Forschung basierender Beitrag zur öffentlichen Aufklärung“ nicht mehr als eine leere Phrase bleiben.

Willkürliche Legitimation von Gewalt?

Henkel beschreibt ohne Wertung und durchaus kenntnisreich die Entstehung des politischen Islams im Kontext der sozio-politischen Umstände, aber lässt sich dann zu der Erkenntnis hinreißen, „dass der Koran selbst Rechtfertigungen für religiöse Gewalt liefert, auf die sich Islamisten/Djihadisten durchaus zu Recht berufen können“ (S. 44). Der Politikwissenschaftler versucht seine Voreingenommenheit dadurch zu überspielen, indem er behauptet, der Koran sei „mit Blick auf religiös legitimierte Gewaltanwendung ambivalent.“ In Wirklichkeit blendet er jedoch die gesamte etablierte Koranexegese und all die innerislamischen Diskurse aus, indem er verschweigt, dass auch die Koranverse, die seiner Einschätzung nach Gewalt „zu Recht“ legitimieren, von islamischen Theologen eben nicht als Legitimation für religiös begründeten Extremismus anerkannt werden. An dieser Stelle ist es ziemlich bemerkenswert, dass der Politikwissenschaftler sich als Koranexperte ausgibt und völlig zusammenhangslos die Koranstelle 8:12 zitiert, um die Legitimation für Gewalt im Koran nachzuweisen.

Um mögliche Kollisionen zwischen dem Verfassungsstaat und der Scharia zu veranschaulichen, greift Henkel kulturelle Probleme auf, wie die „Zwangsehe“ (S. 70), ohne zu erwähnen, dass der Prophet Muhammad selbst die Zwangsehe verboten hat. Hier wird etwas als „islamisches“ Problem dargestellt, das kulturell begründet ist und sowohl bei ägyptischen Kopten als auch bei irakischen Jesiden vorkommen kann. Mit Verweis auf einen Artikel auf welt.de kommt er dann auch zu der reißerischen These, „dass die in Deutschland verbotene Mehrehe in muslimischen Gemeinschaften einen Umfang erreicht hat, bei dem es sich keineswegs mehr lediglich um Einzelfälle handelt“ (S. 71).

Besorgt über die Feindbildkonstruktion und „Rhetorik von Islamisten und Djihadisten“ bemängelt der Autor, dass „die komplexe Geschichte der Kreuzzüge nicht eingehender diskutiert“ wird, bei der es sich „um historisch überaus komplexe Vorgänge“ gehandelt haben soll (S. 76-77). Es ist jedoch verwunderlich, dass der Autor es nicht schafft bei Muslimen „historisch komplexe Vorgänge“ zu beachten und völlig selbstverständlich aus der politischen Beziehung des Muftis Amin al-Husseini zu Adolf Hitler einen islamischen Antisemitismus zu konstruieren versucht (S. 91-92).

Die üblichen Verdächtigen

Nachdem der Leserschaft nach fast der Hälfte des Buchs das Gefühl einer differenzierten und sachlichen Auseinandersetzung mit dem Islam vermittelt wird, folgen im zweiten Teil die üblichen populistischen Scheinargumente und Hetzthesen gegen den Islam: Kulturelle Aspekte werden konsequent mit dem Islam vermischt und länderspezifische Eigenheiten, wie das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien, als Beweis für die Benachteiligung aller Frauen „im Islam“ herangeführt (S. 94-95). Dass in den jeweiligen Ländern Ehrenmorde und religiös begründete Gewalt gegen Frauen auch bei arabischen Christen vorkommen, scheint den Autor nicht zu interessieren. Muslimen könne man außerdem grundsätzlich nicht trauen, da sie die Takiyya anwenden würden. Eine „erlaubte Täuschung“ von Nichtmuslimen, „die in Koran und islamischer Lehre gerechtfertigt werde“ (S. 101) und damit alle Muslime unter Generalverdacht stellt.

Spätestens an dieser Stelle verliert diese AfD-Hetzschrift ihren schwer erarbeiteten Schein der Sachlichkeit und gipfelt schließlich in einer Suggestivfrage, wie man sie als Fazit nicht anders erwartet hätte: „Müssen wir uns vor dem Islam fürchten?“ Nach dieser Lektüre wird man wohl glauben: „Ja, müssen wir!“

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Die "teleologischen" Fakultäten sind in Wirklichkeit staatlich finanzierte Religionsakademien und haben auf staatlichen Universitäten rein gar nichichts zu suchen. Sie gehören durch das Studienfach Religionswissenschaften ersetzt, das jedem unabhängig von Glauben oder Unglauben offensteht - genauso wie Politikwissenschaften.
08.07.16
22:16
Johannes Disch sagt:
@Charley Ich hätte wetten können, dass Sie mit Ourghi kommen. Das ist aber auch so ziemlich der Einzige, der sich positiv zu Samads Pamphlet äußert. Und auch Ourghi wurde von der Fachzunft längst widerlegt. Ourghi hat versucht, sich an die kurzzritige Popularität von HAS dranzuhängen. Es reichte grade für ein zweimoinütiges Interview in den "Tagesthemen." Und dann war auch schon wieder Feierabend für den Ourghi. Wenn man sich auch nur ein bisschen mit der Materie "Islam" beschäftigt hat, dann ergreift einen bei einem Abdel-Samad spätestens auf Seit 3 das große Gähnen und Kopfschütteln. lg Johannes Disch
09.07.16
19:38
Charley sagt:
@Johannes Disch: Und wo "widerlegt"? Gibt es da eindeutige google-Suchwörter (links sind hier ja unerwünscht)? Ansonsten war es nur Polemik hier von Ihnen: "Ourghi HAT VERSUCHT, sich an die kurzzfristige Popularität .....dranzuhängen. ES REICHTE GRADE für ein zweimoinütiges Interview.... Und dann war auch SCHON WIEDER Feierabend für DEN Ourghi." Also nochmal an Sie, der Sie beständig die Kongruenzfähigkeit von FDGO und Islam betonen: Wo ist das radikale Ablehnen von Hadd-Strafen von welcher deutschen islamischen Organisation bekundet? Wo ist die Notwendigkeit, allein auf die allgemeine deutsche Justiz sich zu berufen, entschieden (siehe "Friedensrichter").... Auch Sie, verehrter Herr Disch, machen einen großen Bogen um Ourghi und polemisieren lieber gegen ihn, anstatt sich mit seinem differenzierten Artikel (den Sie nicht in 2 Minuten lesen!) auseinander zu setzen. Der Islam HAT ein Problem, und zwar mit Moslems, die sich nicht erklären, sich aber mit deutlichem Dominanzanspruch in eine Gesellschaft drängeln, die Werte und Gepflogenheiten pflegt, die denjenigen, die islamischen Gemeinschaften gelebt werden, widersprechen. Zu Arikel 13 der Charta des Zentralrates der Moslems schreibt der niedersächsische Verfassungsschutz: "....Weiterhin fällt auf, dass der besonders umstrittene Bereich des islamischen Strafrechts keine Erwähnung findet. Dies, obwohl die so genannten hadd-Strafen immer wieder Anlass zu Kritik oder gar Polemik von islamkritischer Seite bieten." Aber es könnte ja auch eine Technik sein, alles auf die polemische Meinungsebene zu ziehen, weil Argumente verachtet werden von dem, der sich im Besitz der (Koran-)Wahrheit glaubt. Also, Herr Disch, dann bitte Ihre Positionierung! Da geht es um (nicht nur eine) "Gretchenfrage"!
10.07.16
12:43
Charley sagt:
falls jemand etwas Lustiges lesen möchte, dann bitte mal googlen: "Fatwa zu der Frage, ob das Beten ungültig wird, wenn ein Hase vor einem Betenden vorbei läuft" ....... wenn so klare Positionen eingenommen werden können, warum dann keine eines Islamwissenschaftlers/Imans zu den Hadd-Strafen! :-))
10.07.16
13:26
Johannes Disch sagt:
@Charley Geben Sie einfach den Namen Hakim Ourghi ein. Zu Ourghi finden Sie auch auf dieser Seite einige Artikel. Und was meine Positionierung zu dem Thema betrifft: Das habe ich hier in einigen Postings zu verschiedenen Artikeln eindeutig dargelegt, u. a. bei dem Artikel "Der ungefährliche Prophet." Wenn Sie sich mit anderen Quellen beschäftigen-- beispielsweise Alexander Flores und Thomas Bauer, um nur 2 zu nennen-- dann werden Sie sehen, wie marginal die Position von Ourghi (und Samad) ist. Beziehungsweise wie banal dessen Statements sind. Und bei den genannten Herren handelt es sich ebenfalls um Islamwissenschaftler. Und zwar um welche, die wesentlich größere akademische Meriten aufzuweisen haben als ein Ourghi oder gar ein Samad. Die Punkte, die Ourghi anspricht, sind in der Islamwissenschaft längst erledigt und kein kontroverser Diskussionsgegenstand mehr. Nur in gewissen deutschen Feuilletons gilt der Kram noch als Neuerung oder gar als "Tabubruch." Was die "Scharia" betrifft: Auch hier wieder nur pauschales. Die "Scharia" wird mit den hadd-Strafen gleichgesetzt. Das Thema ist aber wesentlich komplexer. Was die Vereinbarkeit von Islam und FDGO betrifft: Muslime müssen die sogenannten "hadd-Strafen" nicht explizit ablehnen. Sie müssen sich schlicht und einfach nur an unsere Gesetze halten. Von uns Deutschen erwartet ja auch keiner, dass wir ständig das Tun und die politische Denke des NSU ablehnen, um damit zu beweisen, dass wir tatsächlich verfassungstreu sind. "Der Islam" hat ein Problem?? Ja, aber es ist nicht primär ein religiöses, sondern ein politisches. Die Problematik im Nahen Osten lösen sie nicht mit Diskussionen über Koransuren oder über die Scharia. Die lassen sich nur politisch lösen. Und das ist schwer genug. Die Hilflosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft ist mit den Händen zu greifen. lg Johannes Disch
10.07.16
14:34
Johannes Disch sagt:
@Charley Die Herren Ourghi und Samad arbeiten auch mit Polemik. Da müssen sie es schon aushalten, dass man gegen sie ebenfalls polemisiert. Geben sie in irgendeine beliebige Suchmaschine einfach den Namen Ourghi ein, und sie werden genügend dazu finden. Zu Ourghi gibt es auch hier bei "IslamiQ" einige gute Artikel. Ourghis Standpunkt ist banal und seine Kritikpunkte in der Islamwissenschaft längst unumstritten und abgehandelt. Nur gewisse Seiten des deutschen Feuilletons machen daraus noch eine Neuerung oder gar einen "Tabubruch." Meinen Standpunkt zu den Herren Samad & Ourghi habe ich hier bei "IslamiQ" schon wiederholt deutlich gemacht, u. a. bei dem Artikel "Der ungefährliche Prophet." Kommen wir zum Thema "ÁfD" zurück, den davon handelt der Artikel. Abdel Samad ist inzwischen nicht mehr wählerisch und tritt auch bei Veranstaltungen der "AfD" auf, unter anderem in Dachau. Sehr geschmackssicher, der Mann. lg Johannes Disch
10.07.16
15:39
Charley sagt:
@Johannes Disch: Wenn die Positionen von Ourghi so überholt wären, so wundere ich mich, dass Leute wie z.B. Ali Özgür Özdil hier so ein großes Forum haben. Und Ali Özgür Özdil vertritt durchaus eine sehr reaktionäre Position! - "Distanzieren": Es würde reichen, dass man das einfach mal sehr klar stellt. Natürlich ist "sharia" komplex und nicht nur auf die Hadd-Strafen zu reduzieren. Aber genau diese komplexe Differenzierung zur Sharia im Hinblick auf ein Lebenwollen in der FDGO wäre mindestens einmal von Nöten. Das Problem ist doch, dass man dann einige Zacken aus der Krone derjenigen brechen müsste, die hier in Deutschland leben, aber noch nicht begriffen haben,das "ihr Islam" dazu nicht passt. Und diese innerislamische religiöse (!) Auseinandersetzung scheut man, weil man damit viele Moslems vielleicht sogar überforderte in ihrer eigenen Sicht auf den Islam. Man müsste also doch ein mittelalterliches, buchstabenfrömmelndes Koranverständnis als überholt ansprechen und damit das weite Feld der sinngemäßen und zeitgemäßen Interpretation eröffnen. Damit wäre plötzlich jeder gefragt in seinem eigenen Verständnis dessen, was Mohammed in seiner Zeit (!) intendiert haben möge. Damit wäre er nicht mehr die direkte Autorität, aus der man so direkt eine normative Ethik ableiten könnte, wie man es gemeinhin tut (siehe die Kopftuchdiskussion hier uvam.). Insofern gibt es diese "fortschrittliche, zur FDGO passende Koranauffassung" vielleicht in einigen akademischen Zirkeln, aber die bleiben gern unter sich. Nicht einmal hier in islamiq tritt diese Auffassung auf. Siehe die Artikel über "Braucht der Islam eine Reform" uvam.. Insofern, wovon reden Sie? Von welcher Realität? - Von Faschismus und NSU distanziert man sich klar und einmal! Und diese Distanzierung ist in Deutschland mit einer Gründlichkeit passiert, dass man staunen muss im europäischen Vergleich. Aber nicht mal diese einmalige Distanzierung von dem, was eben in der Islamischen Morallehre, Sharia usw... nicht zur FDGO passt, ist nicht erfolgt. Differenziert, wie es nötig wäre! Siehe mein obiges Statement: Weil solche klaren Ansagen fehlen, ist der hier in Deutschland auftretende Islam sehr wohl suspekt! Ich könnte aus persönlichen Begegnungen div. Beispiele anfügen. Religiöse Arroganz und Ignoranz sind da z.T. verblüffend! Aber diese Fragen stellen sich dem Islam nicht in nur in Deutschland, sondern in der Zeit. Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam sind da doch ein beredetes Beispiel für die Offensichtlichkeit des Problems. Tun Sie also nicht so, als ob es nicht existierte oder irgendwie schon erledigt ist. Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt das Gegenteil!
10.07.16
22:26
Charley sagt:
Ich hab mal ein bisschen über Ourghi gegooglet. Da stellt sich das Bild heraus, dass es also in der islamwissenschaftlichen Welt durchaus Menschen gibt, die sehen, wie wenig der orient-importierte Islam zu Europa passt und inwiefern er hier neu begriffen werden muss. Das stellen Sie, Hr Disch, ja auch immer da. Nur hier auf islamiq wird eher der sehr konservative Islam propagiert (Kopftuch, Händedruck usw.usf...). Zitat (Quelle bitte googlen): "Diesem liberalen Islam der neuen Fakultäten gegenüber stehen die großen muslimischen Verbände in Deutschland. Mehrheitlich stehen diese für einen konservativen, sunnitischen Islam. Die Verbände sprechen dabei nicht nur für sich und die ihnen zugehörigen Moscheegemeinden in Deutschland; sie stehen zum Teil auch unter politischem Einfluss z.B. der Türkei oder anderer Regierungen im Nahen Osten. Neuinterpretationen des Islam wie jene Khorchides sind diesen konservativen sunnitischen Kräften eine Herausforderung. Im Interesse eines „deutschen Islam“ aber ist zu betonen, dass gerade diese „Herausforderungen“ unumgänglich sind für eine Neuinterpretation des Islam im pluralen Kontext Europas." Und solange diese "neue" Verständnis des Islam nicht als Aufgabe von der Mehrheit der Muslime anerkannt wird, bleibt die Kritik berechtigt stehen. Und da ist mir ein Herr Dr. Ourghi eher sympathisch, auch wenn man hier und da an seinen Aussagen kritteln kann, im Prinzip zeigt er - sehr wertvoll - ein Problem auf, dass viele andere nicht anzupacken wagen!
11.07.16
16:01
Johannes Disch sagt:
@Charley Der ganze Streit um Koransuren un die islamische Geschichte lässt sich leicht zusammenfassen: Die Vorbehalte, die ein Abdel Samad und ein Ourghi vorbringén, ziehen sich durch die gesamte Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Islam und Abendland. Und die Vorhaltungen sind immer dieselben: Mohammed als Eroberer, Mohammed als Pädophiler, etc. Es werden Feind-und Angstbilder vor dem Islam reproduziert. Ohne jetzt einen ausufernden Diskurs in die Geschichte der islamischen Theologie / Philosophie zu veranstalten, der zeigen würde, wie verzerrend und falsch diese Bilder sind: Wir haben es heutzutage mit komplexen politischen Problemen in der wohl kompliziertesten Region der Weltpolitik zu tun: Dem Nahen Osten. Aber anstatt sich der Analyse dieses Themas zu unterziehen, geben sich viele einer einfachen Antwort hin: "Der Islam" ist das Problem. Ist sehr pauschal, bietet sich aber prima als Sündenbock an. Das ist eine Reduktion von Komplexität. Sehen Sie, über den Koran und die islamische Geschichte kann man endlos diskutieren. Es bringt aber sehr wenig, um die aktuellen Probleme zu lösen. Aber Leute wie Ourghi & Abdel Samad bieten scheinbar einfache Antworten für die Probleme: "Der Islam" ist schuld. Das gefällt dem deutschen Stammtischler! Und das findet der deutsche Stammtischler dann auch noch so einleuchtend! "Charley", das hier ist nur ein Hobbyforum, weshalb ich nicht ausufern möchte: Aber sowohl Abdel Samad wie auch Ourghi sind methodisch und inhaltlich so schlecht, dass sie heute noch nicht einmal einen Seminarschein bekommen würden. Ich bin Sozialwissenschaftler. Ich unterrichte das Fach Islam. ich weiß, worüber ich rede. Samad und Ourghi können nur Leute beeindrucken, die vom Thema keinen blassen Schimmer haben. lg Johannes Disch lg Johannes Disch
11.07.16
23:51
Charley sagt:
@Johannes Disch: Sie schreiben: "Es werden Feind-und Angstbilder vor dem Islam reproduziert." Das liest sich etwas so, als ob da "Wahnvorstellungen" gepflegt werden, die der Realität entbehren. Ich denke mal, dass das so einfach nicht ist. Hinter 80 Millionen Toten bei der Eroberung Indiens können sich noch Hitler und/oder Stalin verstecken. - In der Summe verstehe ich Sie so: "Das Problem ist sowohl theologisch also auch politisch zu kompliziert, um es auszubreiten", richtig? Damit verschieben Sie es in einen Elfenbeinturm, wo es noch lange sein Eigenleben pflegen kann, während die Realität sich aus anderen Kräften gestaltet. Sei es auf islamischer Seite wie hier in Islamiq, wo eben auch durchaus mit Klischeevorstellungen argumentiert wird (Opfermentalität, "Beweise" mit Koran-Buchstabenfrömmelei) als eben auch auf Pegida uam.-Stammtischen. So hat man den "Elfenbeinturm" als Alibi-Verweis auf einen eben zeitgenössisch akzeptablen Islam, während man die "Realität" dabei gern weiter laufen lassen kann. Das kann auch "Taktik" sein und gehört genau in dieses Thema. Wie ich oben schrieb: "Hausaufgaben als Mitteleuropäer machen" und zwar nicht im Elfenbeinturm. Das gilt auch für die "großen" Moslemverbände, aber selbst die werden von dem "islamwissenschaftlichen Niveau" nicht berührt oder befruchtet! Insofern ist der Verweis auf das Niveau im Elfenbeinturm für mich nicht beruhigend! - Samad will ich nicht weiter aufgreifenl. Von Ourghi habe ich aufgrund der Artikel, die ich von ihm las einen durchaus positiven Eindruck. Und dass er nun als "Parier" läuft, könnte auch ähnlich sein einem Medizinprofessor, der sich öffentlich für Homöopathie ausspricht. Obwohl fachlich qualifiziert, hat er "das Falsche" gesagt und ist "draußen". Ein "Kasten-"/Zunftwesen ist in Wissenschaftskreisen etwas durchaus nicht unübliches! Auch wenn er evtl. "fachwissenschaftliche" Schnitzer sich leistet, wo sagt er denn grundfalsche Thesen? Und wer sagt diese evtl. richtigen Thesen öffentlichkeitswirksam besser begründet? Oder was ist falsch an seinen Thesen? - Abgesehen von allem akademischen Glasperlenspiel (Hesse), wer wagt es wo, in die Auseinandersetzung zwischen dummer AfD/Pegidarethorik und beleidigt-trotziger Opfermentalität klärende Ideen einzustreuen?
12.07.16
15:38
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