AfD-Islambuch

Hetzschrift im Mantel der Sachlichkeit

Die AfD Thüringen hat ein Buch zum Islam herausgegeben. Der Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni hat es für IslamiQ gelesen. Fazit: Kein Pamphlet. Scheinbare Sachlichkeit. Unterschwellige Hetze.

26
06
2016
Das AfD-Islambuch: hetzerisch oder sachlich?. © http://afd-thl.de/buch-der-islam-fakten-und-argumente/

Voller Stolz verkündet die AfD für „alle, die mehr über den Islam wissen und sich selbst ein Urteil bilden wollen“, die Veröffentlichung eines Islambuchs mit dem Titel: „Der Islam. Fakten und Argumente.“ Dass es sich bei den „Argumenten“ wohl kaum um solche für den Islam, sondern eher gegen selbigen handelt, dürfte angesichts der offen islamfeindlichen Haltung der AfD sicherlich niemanden verwundern. Insbesondere das Vorwort des Vorsitzenden der Fraktion der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, welches auf nur zwei Seiten die gängigsten islamophoben Positionen bedient, lässt keinen Zweifel an der Absicht dieser Publikation. Wer allerdings eine populistisch reißerische Hetzschrift gegen den Islam erwartet, wird schwer enttäuscht sein.

Reduktion auf militärische Konflikte

Tatsächlich bemüht sich der Autor Dr. Michael Henkel darum, den Eindruck zu vermitteln, sachlich und mit vielen Quellenverweisen einem akademischen Standard gerecht zu werden. Der Politikwissenschaftler macht jedoch bereits in seiner Einleitung deutlich, dass er den Islam als ein politisch soziologisches Konstrukt betrachtet und nicht einfach als Religion. Das Wirken des Propheten Muhammad reduziert Henkel in nur wenigen Zeilen schlicht auf militärische Konflikte und vermeintliche Expansionsbestrebungen, ohne auch nur mit einem Satz auf theologische Aspekte oder die ethische und spirituelle Botschaft des Propheten einzugehen. Stattdessen beschäftigt ihn vielmehr der Beginn der islamischen Zeitrechnung mit der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina, denn dies sei „insofern markant, als es nicht Mohammeds Geburt, sondern sein Eintritt in die große Politik ist, mit dem der Islam beginnt“ (S. 11).

Sunniten – Schiiten

Nahtlos geht der Autor dann stark verkürzt zu den politischen Ereignissen über, die zur (politischen) Spaltung der Muslime in Sunniten und Schiiten führten. Henkel bemüht sich zwar die inhaltlichen Hauptunterschiede zwischen Sunniten und Schiiten sachlich darzustellen, begeht jedoch (wahrscheinlich aufgrund fehlender Expertise) den Fehler, der Schia vorzuwerfen, dass diese glaubten, der Koran sei von Sunniten verfälscht worden (S. 17). Kein anerkannter schiitischer Gelehrter vertritt heute diese Ansicht, auch wenn es ähnliche Debatten gegeben haben mag. Diese Behauptung bedeutet schließlich, dass Schiiten entweder nicht an den Koran glauben, oder eine eigene Version besitzen. Beides trifft nicht zu.

Fehlende Fachexpertise, fragliche Quellen

Nachdem der Autor dann auf Seite 23 kurz auf die fünf Säulen des Islams eingeht und im Folgenden erwähnt, dass der Koran die verfälschten heiligen Bücher der Juden und Christen ablöst, begibt er sich mit den großen Themen „Scharia“ und „Dschihad“ wieder auf politische Ebenen. Dabei wird deutlich, dass der Politikwissenschaftler Henkel einen mangelnden Überblick über innerislamische Debatten hat und in seiner Recherche nur auf Sekundärliteratur angewiesen war, da er als Fachfremder offensichtlich keinen direkten Zugang zu islamwissenschaftlichen Quellen hat. Bei genauerem Nachlesen stellt man dann fest, dass die vielen Fußnoten weniger auf Quellen verweisen, sondern auf eigene Kommentare, wobei unter der verwendeten Sekundärliteratur auch kaum renommierte wissenschaftliche Fachliteratur vorzufinden ist. Stattdessen wird auf populistische und umstrittene Personen wie etwa Bassam Tibi oder sogar Sabatina James und Hamed Abdel-Samad verwiesen, deren Arbeit keinerlei wissenschaftlichen Standards gerecht wird und auf akademischer Ebene niemals ernst genommen wurde.

Henkel geht hier sogar soweit, selbst Karl Marx zu zitieren, von dem er selbst schreibt, dass dieser eigentlich „kein ausgewiesener Islamkenner“ sei, um den Dschihad im Islam zu erklären (S. 34). Dass Henkel „Dschihad“ durchgehend als „Heiliger Krieg“ übersetzt verdeutlicht nur mehr, dass er sich niemals wissenschaftlich mit dem Islam beschäftigt hat. Da er aufgrund fehlender Sprachkennnisse keine eigene wissenschaftliche Recherche betreiben kann und nicht einmal die Standardwerke der Islamwissenschaft zu kennen scheint, dürfte Björn Höckes einleitende Behauptung, die vorliegende Publikation verstehe sich „als ein auf der einschlägigen Forschung basierender Beitrag zur öffentlichen Aufklärung“ nicht mehr als eine leere Phrase bleiben.

Willkürliche Legitimation von Gewalt?

Henkel beschreibt ohne Wertung und durchaus kenntnisreich die Entstehung des politischen Islams im Kontext der sozio-politischen Umstände, aber lässt sich dann zu der Erkenntnis hinreißen, „dass der Koran selbst Rechtfertigungen für religiöse Gewalt liefert, auf die sich Islamisten/Djihadisten durchaus zu Recht berufen können“ (S. 44). Der Politikwissenschaftler versucht seine Voreingenommenheit dadurch zu überspielen, indem er behauptet, der Koran sei „mit Blick auf religiös legitimierte Gewaltanwendung ambivalent.“ In Wirklichkeit blendet er jedoch die gesamte etablierte Koranexegese und all die innerislamischen Diskurse aus, indem er verschweigt, dass auch die Koranverse, die seiner Einschätzung nach Gewalt „zu Recht“ legitimieren, von islamischen Theologen eben nicht als Legitimation für religiös begründeten Extremismus anerkannt werden. An dieser Stelle ist es ziemlich bemerkenswert, dass der Politikwissenschaftler sich als Koranexperte ausgibt und völlig zusammenhangslos die Koranstelle 8:12 zitiert, um die Legitimation für Gewalt im Koran nachzuweisen.

Um mögliche Kollisionen zwischen dem Verfassungsstaat und der Scharia zu veranschaulichen, greift Henkel kulturelle Probleme auf, wie die „Zwangsehe“ (S. 70), ohne zu erwähnen, dass der Prophet Muhammad selbst die Zwangsehe verboten hat. Hier wird etwas als „islamisches“ Problem dargestellt, das kulturell begründet ist und sowohl bei ägyptischen Kopten als auch bei irakischen Jesiden vorkommen kann. Mit Verweis auf einen Artikel auf welt.de kommt er dann auch zu der reißerischen These, „dass die in Deutschland verbotene Mehrehe in muslimischen Gemeinschaften einen Umfang erreicht hat, bei dem es sich keineswegs mehr lediglich um Einzelfälle handelt“ (S. 71).

Besorgt über die Feindbildkonstruktion und „Rhetorik von Islamisten und Djihadisten“ bemängelt der Autor, dass „die komplexe Geschichte der Kreuzzüge nicht eingehender diskutiert“ wird, bei der es sich „um historisch überaus komplexe Vorgänge“ gehandelt haben soll (S. 76-77). Es ist jedoch verwunderlich, dass der Autor es nicht schafft bei Muslimen „historisch komplexe Vorgänge“ zu beachten und völlig selbstverständlich aus der politischen Beziehung des Muftis Amin al-Husseini zu Adolf Hitler einen islamischen Antisemitismus zu konstruieren versucht (S. 91-92).

Die üblichen Verdächtigen

Nachdem der Leserschaft nach fast der Hälfte des Buchs das Gefühl einer differenzierten und sachlichen Auseinandersetzung mit dem Islam vermittelt wird, folgen im zweiten Teil die üblichen populistischen Scheinargumente und Hetzthesen gegen den Islam: Kulturelle Aspekte werden konsequent mit dem Islam vermischt und länderspezifische Eigenheiten, wie das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien, als Beweis für die Benachteiligung aller Frauen „im Islam“ herangeführt (S. 94-95). Dass in den jeweiligen Ländern Ehrenmorde und religiös begründete Gewalt gegen Frauen auch bei arabischen Christen vorkommen, scheint den Autor nicht zu interessieren. Muslimen könne man außerdem grundsätzlich nicht trauen, da sie die Takiyya anwenden würden. Eine „erlaubte Täuschung“ von Nichtmuslimen, „die in Koran und islamischer Lehre gerechtfertigt werde“ (S. 101) und damit alle Muslime unter Generalverdacht stellt.

Spätestens an dieser Stelle verliert diese AfD-Hetzschrift ihren schwer erarbeiteten Schein der Sachlichkeit und gipfelt schließlich in einer Suggestivfrage, wie man sie als Fazit nicht anders erwartet hätte: „Müssen wir uns vor dem Islam fürchten?“ Nach dieser Lektüre wird man wohl glauben: „Ja, müssen wir!“

Leserkommentare

Anisa sagt:
@grege, Charley, Manuel & die üblichen ... Hat sich die AfD eigentlich schon von David Ali S. distanziert? Er hat sich die Hetzpartei zum Vorbild genommen. Nach eigener AfD-Logik muss diese Partei, die die geistigen Steilvorlagen für Terroristen bietet, umgehend verboten, jedenfalls aber überwacht werden! AfD = Verfassungsfeinde! Wehret den Anfängen!
30.07.16
0:05
Johannes Disch sagt:
@grege Wieso werden die muslimischen Verbandsvertreter ihrer Verantwortung nicht bewusst??? Glauben Sie, es würde auch nur einen Terroranschlag verhindern, wenn muslimische Verbandsvertreter dazu Stellung nehmen?? Das würde diese terroristischen Spinner nicht im geringsten beeindrucken. Ganz davon abgesehen: Muslimische Verbände haben schon oft genug gegen den Terror Stellung genommen. Es wird leider nur nicht so häufig darüber berichtet. lg Johannes Disch
31.07.16
2:46
gregek sagt:
@anisa wie in früheren Beiträgen dargelegt, besitzen die AFD und die AKP nicht nur den gemeinsamen Anfangsbuchstaben sondern auch eine vergleichbare Gesinnung. Vor dem Hintergrund erwarte ich von den Anhängern und Führungsvertretern keinerlei Distanzierungen. Predigten in DITIB Moscheen schuffen auch den Nährboden für Verwüstungen und Bedrohungen durch Erdowahnanhänger . Tja dann müsste ich den DITIB mit sämtlichen Moseegemeinden hier auch verbieten und die Erdowahnanhänger Richtung Bosporus schicken, wie es bereits der österreichische Außenminister gefodert hat.. Wehret den Anfängen!!!
01.08.16
14:55
grege sagt:
@Herr Disch in diversen Beiträgen habe ich meinen Standpunkt zu der Rolle der Islamverbände bezüglich des Umgangs mit Extremismus (Antisemititische Auswüchse, Todesfatwa gegen Religionsbeleidigung, Mitvertretung radikal gesinnter Moscheegemeinden, Hetzreden gegen Andersgläubige, etc.) sowie des Umgangs mit Kritik (Tabuisierung von Missständen, Bedrohung kritischer Journalisten und Satiriker, Einschüchterung von andersdenkenden) kundgetan. Wenn dieselben Bewertungsmaßstäbe angelegt werden, wie gegenüber Vertretern anderer Religionen, ist der Vorwurf von Verantwortungsdefiziten geradezu harmlos. Vor dem Hintergrund werden die Islamverbände in den Medien eher zuvorkommend behandelt und damit sogar gegenüber anderen Religionen, Institutionen oder Personen öffentlichen Interesses noch bevorzugt. In den angeblichen Distanzierungen nach Terroranschlägen gebährden sich die Islamverbände als Opfer eines Generalverdachts. Auf diese geschmack- und pietätslose Verlinkung kann man getrost verzichten. Wie würden Sie denken, wenn im Gedenken an die Opfer des Holocoust oder die Reichskristallnacht sich ein deutsch Redner als Opfer eines Generalverdachts hervortun würde??? Bei dieser Art von Distanzierung wird natürlich weiterer Nährboden für das Heranzüchtigen weiterer Extremisten geschaffen. Wie sollen Gruß Grege
01.08.16
15:20
Charley sagt:
@Anisa: wieso erwähnt du meinen Namen? Wo hab ich die AFD oder ihren Stil oder Urteile vertreten? Habe mit denen NICHTS zu tun!
04.08.16
8:53
Charley sagt:
"Johannes Disch sagt: @grege -- "Wenn ein islamischer Terrorist mit einem LKW fast 100 Menschen tötet..." (grege) Nach allem, was wir bisher wissen, ..". muss Johannes Fisch jetzt sein Urteil revidieren, denn der Attentäter war wohl doch Terrorist u islamischer Djihadist und (!) seelisch "neben der Spur" (ein Ausdruck v Ihnen, Herr Fisch, welcher i d Zusammenhang sehr makaber ist!)..... Und alle 3 Aspekte müssen sich doch nicht ausschließen, oder?
04.08.16
9:00
Charley sagt:
Disch, sorry Autokorrektur
04.08.16
9:01
Johannes Disch sagt:
@Charley Richtig, inzwischen wissen wir, dass sich der Attentäter von Nizza dem IS zugehörig fühlte. Das muss aber nicht viel heißen. Der IS macht das recht geschickt. Er muss nen durchgeknallten Einzeltäter einfach zu seinem Kämpfer erklären. Und mit unserer panischen Medienerstattung tun wir dem IS den größten Gefallen. Wir machen ihn damit größer als er ist. Der Mann radikalisierte sich im Internet. Was wollen sie denn dagegen tun??? Terror gibt's auch von anderen Seiten. Der Attentäter von München handelte aus fremdenfeindlichen Motiven. lg Johannes Disch
04.08.16
22:35
Johannes Disch sagt:
@gregek So, die AFD und die AKP haben die gleiche Gesinnung??? Das ist eine sehr grobmaschige "politische Analyse." Die DITIB mag problematisch sein. Aber die Deutschen können offenbar nur in kirchenähnlichen Institutionen denken. Sie brauchen unbedingt einen Ansprechpartner. Dabei kennt der Islam keine Kirche. Man weiß seit Jahren über den Einfluß der Türkei auf die DITIB. Das hat nicht verhindert, dass man Gespräche führt. Ist ja auch okay. Es ist doch nicht so, als wären die deutschen Gesprächspartner willenlose manipulierbare Büttel, die den Islamverbänden hilflos ausgeliefert sind. Und tun wir doch nicht so, als wären die deutschen Kirchen von politischem Einfluß frei. Dass sich die islamischen Verbände gegen einen Generalverdacht wehren, ist verständlich und berechtigt. Die Islamfeindlichkeit hat signifikant zugenommen. Die Verbände werden für den Terror mit verantwortlich gemacht, "Der Islam" insgesamt wird unter Generalverdacht gestellt. Man sucht sich selektiv Suren aus dem Koran, um die angebliche Problematik und Gefährlichkeit dieser Religion und ihres heiligen Buches zu beweisen, etc. Es ist doch völlig wurscht, wie oft und in welcher Form sich die Verbände vom islamistischen Terror distanzieren: Islam-Angsthasen finden immer ein Haar in der Suppe, dass die Distanzierung angeblich nicht weit genug ginge, dass sie nicht deutlich genug wäre, etc. Kein Muslim ist verplichtet, sich von Taten dieser islamistischen Terroristen zu distanzieren. Die meisten Muslime hier in Deutschland haben es langsam satt, nach jedem Ereignis immer dieselben Aufforderungen zu hören! Wer nichts getan hat, ist unschuldig. Und er muss sich auch nicht von Dingen distanzieren, mit denen er nichts zu tun hat. lg Johannes Disch
04.08.16
22:58
chris sagt:
So hat es anfang des 20.Jahrhunderts auch angefangen als man gegen jUDEN gehetzt hat und alles mit Sachlichkeit erklärt hat PSEUDOWISSENSCHAFTLICHE THESEN usw. aber in Wahrheit Rassismus heute ist es das selbe mit den Muslimen man hasst Muslime und Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit und langsam nimmt es überhand eine Schande und Deutschland unternimmt nix Rassismus kann die AFD gut verstecken !
05.08.16
15:10
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