Völkermord in Bosnien

Srebrenica – Gedenkkultur auch für Schüler

Der heutige Tag markiert den 21. Jahrestag des Völkermords in Bosnien. Heute findet auch die alljährliche Gedenkfeier am Massenbegräbnis in Srebrenica statt. Ayşe Akova nahm im Rahmen einer Bildungsreise an der Trauerfeier teil und fordert eine stärkere Gedenkkultur- vor allem für SchülerInnen.

11
07
2016
Die trauernden Mütter Srebrenicas. © AA

Heute ist der Jahrestag vom Massaker in Srebrenica und oft fällt der Slogan zum Gedenktag „Don’t forget Srebrenica“. Aber wie soll man etwas nicht vergessen, wenn man es gar nicht kennt und noch nie etwas darüber gehört hat. Srebrenica steht nicht auf dem Lehrplan der Schulen, nicht in den Geschichtsbüchern – nicht einmal in Bosnien. Obwohl die Historiker vom größten Massaker auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg sprechen, hat fast kein Schüler in Europa jemals davon gehört.

Bildungsreise nach Srebrenica

Einige Politiker fordern hin und wieder „Mehr Gedenkkultur und Besuche von Gedenkstätten an Schulen“. Immer häufiger finden mittlerweile Schulausflüge nach Auschwitz, oder zu den Gedenkorte des Ersten Weltkrieges in Belgien oder nach Berlin um den Fall der Mauer zu gedenken, statt. Die Gedenkstätte als Lernort ist ein effektives Lernmittel um die Erinnerungskultur zu stärken. Denn gelebte „Spurensuche“ fühlt sich ganz anders an als Theorieunterricht. Srebrenica steht leider nie auf dem Ausflugsprogrammen der Schulen. Nicht zuletzt hatte der ehemalige Präsident von Bosnien und Herzegowina Alija Izetbegović zum Erinnern angehalten: „Vergesst den Völkermord nicht, denn vergessene Völkermorde werden sich wiederholen.“

2014 hatte ich die Möglichkeit fast 70 Schüler aus Europa zur Gedenkfeier in Potočari zu begleiten. Im Rahmen einer Bildungsreise der IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüş) besuchten 12-17 Jährige SchülerInnen verschiedene historische Orte Bosniens. Auch die Teilnahme an der alljährlichen Gedenkfeier stand auf dem Programm. Zum ersten Mal besuchte eine Schülergruppe aus Europa die Gedenkfeier am 11 Juli. Viele Schüler wussten nicht was sie dort erwartete. Viele konnten nicht einmal den Namen dieser Stadt richtig aussprechen. Über das Ausmaß des Verbrechens und der Trauer waren sich viele nicht bewusst. Für Schüler, die auf der europäischen Friedensinsel aufgewachsen waren, war Krieg und Völkermord ein Fremdwort.

Zeugen des Massenbegräbnisses

Die Busfahrt zum Ort des Grauens war sehr strapaziös. Holprige und dichte Waldwege tief hinter den Bergen wirkten fast gespenstig. Trotz der vergangenen 20 Jahre waren die Häuser mit Schusslöchern zu sehen und die Grausamkeit dahinter allgegenwärtig. Ein Bild welches die Schüler nur von Kriegsfilmen kannten. Angekommen am Gedenk-und Trauerort Potočari waren viele der Schüler beim Anblick der tausenden Grabsteine wie erstarrt. Doch mehr aber erschreckte sie die frischen Graböffnungen für die neu identifizierten Überreste der Opfer. Noch nie waren sie dem Tod so nahe. Noch nie waren sie Zeuge eines Massenbegräbnisses. Ein Ereignis, was nicht nur die Jüngeren erschaudern ließ.

Ein Meer aus Grabsteinen, Graböffnungen, Schaufeln, Särgen und Trauernden wo das Auge hinreicht. Ein unendliches Leid, ein unbeschreiblicher Schmerz. Trotz des tiefen Schocks wollten einige Schüler nicht untätig bleiben und halfen ohne Berührungsängste die grün umhüllten Särge zu ihren Gräbern zu Tragen. „Als Zeichen der Solidarität und Anteilnahme“ sagte der 12-jährige Hasan. Viele bosnische Teilnehmer und Angehörige bejubelten und umarmten die jungen Schüler, die über Tausend Kilometer auf sich nahmen, um ihre Trauer zu teilen und an die Opfer zu gedenken. Eine Begegnung, die sie wahrscheinlich niemals vergessen werden.

Srebrenica darf nicht vergessen werden

„Mögen die Tränen der Mütter zum Gebet werden, damit Srebrenica nie wieder passiert, niemandem und nirgendwo“, stand auf einem Gedenkstein. Ein Mahnmal für die Schüler- die Friedensstifter der Zukunft. Die 15-Jährige Fatima aus Deutschland schrieb auf der Rückfahrt ihre Gedanken nieder: „Ich begreife erst jetzt, was passieren kann wenn Menschen sich gegenseitig hassen. Die Tränen der Mütter aus Srebrenica haben mich wachgerüttelt. Wahrscheinlich werden viele nach kurzer Zeit vergessen, was sie hier sahen. Ich hoffe, dass ich diesmal nicht vergessen werde. Ich werde dieses schlimme Ereignis als eine Warnung immer im Gedanken und im Herzen tragen…“.

Leserkommentare

Marek sagt:
Dieses Schicksal teilt dieses Massaker mit dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich, das Muslime ihrerseits sogar leugnen. In ihren Geschichtsbüchern erwähnen sie es gar nicht. Muslime stellen sich immer gerne als Opfer dar, leugnen aber stets jede Täterschaft. Dabei sollten gerade die türkischen Muslime der IGMG vielleicht auch mal die eigene Geschichte ins Visier nehmen und sich an den Völkermord ihrer Vorfahren an den Armeniern erinnern. Oder gilt Gedenkkultur nur, solange es nicht um Muslime als Täter geht? Natürlich sind die Spuren dieses Völkermords von muslimischen Türken an christlichen Armeniern längst verwischt und können daher bequem geleugnet werden.
11.07.16
14:39