Hadsch & Reisen

„Reist durch das Land…“

Reisen bildet nicht nur, sondern bringt gläubige Menschen auch ihrem Schöpfer näher. Für Muslime ist die Pilgerfahrt (Hadsch) die größte Reise überhaupt. Warum Muslime insgesamt mehr reisen sollten, erklärt Aişe Akova.

06
09
2016
Symbolbild Bahnsteig ©Blasius Kawalkowski auf flickr (CC BY 2.0), bearbeitet by IslamiQ.

Beim Thema Reisen denkt man meist an eine Reise nach Scharm al-Scheich oder Alanya. Eine solche Komfortreise dient lediglich dazu, sich vom Alltagsstress und der Hektik zu entfernen. Dieses Erlebnis wird eher als Urlaub bezeichnet, nicht als Reise.

Eine Reise sollte bilden, Horizonte erweitern und neue Erkenntnisse und Einblicke in neue Welten verschaffen. Entdeckergeist, Wissenshunger und Offenheit sind dafür wichtige Voraussetzungen. Denn wie schon Goethe sagte, findet der gescheite Mensch die beste Bildung auf Reisen.

Hadsch – eine Reise zu sich selbst

Die Pilgerreise (Hadsch) nach Mekka ist eines der fünf Gebote des Islams und die größte spirituelle Reise eines jeden Muslims. Der Hadsch sollte aber nicht nur als spiritueller Höhepunkt verstanden werden. Diese besondere Reise sollte auch eine Reise zu sich selbst sein. Der Gläubige sollte sich die Zeit nehmen, sein Leben und Handeln zu überdenken. Besonders gut hat das der afroamerikanische Bürgerrechtler Malcolm X getan, für den der Hadsch einen Wendepunkt darstellt. Bei der Pilgerfahrt legte er seine rassistischen Einstellungen gegenüber den Weißen ab und orientierte sich im Islam neu.

„Strebt nach Wissen, und sei es in China“

Der Islam hat eine lange Reisetradition. Dies sind zum einen die Pilgerreise in die gesegneten Stätten des Islams und zum anderen die jahrelangen Studienreisen der Gelehrten.

Einer dieser Reisenden war der heute bedeutendste Hadithgelehrte der islamischen Welt, Imam Buhârî. Es wird überliefert, dass er für seine Nachforschungen der Hadithe 16 Jahre lang mehrere Länder bereist hat. Obwohl er in Buchara (heute Usbekistan) geboren wurde, ist er unter anderem nach Syrien, Irak, Ägypten und Saudi-Arabien gereist. Am Ende seiner Studienreisen hatte er über 100.000 Überlieferungen gesammelt und sie auf ihre Richtigkeit geprüft. Unter anderem ist er auch der Überlieferer folgendes Hadith: „Sei auf dieser Welt wie ein Fremder oder wie Reisender“. Der Prophet Muhammad (s) ermutigte auch in anderen Überlieferungen zu (Studien-)Reisen. So sagte er „Strebt nach Wissen, und sei es in China“.

Reisen des Propheten

Der Prophet selber wurde durch verschiedene Reiseerlebnissen in seinem Leben geprägt. Schon als Kind begleitete er viele Karawanen und kam dadurch sehr früh in Kontakt mit anderen Stämmen und Kulturen. So hatte er die Möglichkeit, ein Verständnis für andere Bräuche und Lebensarten zu entwickeln.

Bei seiner Ankunft in der neuen Stadt Medina ist er mit Offenheit und Toleranz empfangen worden. Vorurteile abbauen und ein eigenes Bild vom Fremden gewinnen – das sollte die Devise eines jeden Reisenden sein. Denn Reisen, wie Oscar Wilde sagt, veredelt den Geist und räumt mit Vorurteilen auf.

„Reist durch das Land…“

Das Reisen bringt den Gläubigen dem Schöpfer nahe. Unberührte Naturschönheiten, gigantische Wasserfälle, atemberaubende Bergketten, farbenprächtige Korallenriffe oder endlose Wüstenrändern. Alles faszinierende Zeichen des Schöpfers, die zum Staunen und Nachdenken anregen.

Der Schöpfer selber fordert im Koran zur Erkundung seiner vollkommenen Schöpfung auf. „Sprich: Reist durch das Land und schaut, wie er seine Schöpfung begonnen hat und sie dann wiederholt. Siehe, Allah hat Macht über alle Dinge“ (Sure Ankabût, 29:20). Denn das festigt den Glauben und eröffnet neu Perspektiven. Das käme jedem Menschen und jeder Familie im monotonen und stressreichen Alltagsleben zugute.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
"Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf." hat Oscar Wilde gesagt. Ob das auf Wallfahrten, sei es nach Lourdes oder nach Mekka oder -wie es die alten Griechen getan haben- zum Orakel nach Delphi auch in vollem Umfang zutrifft, kann jedoch bezweifelt werden. Sicher, man kann dabei gut ins Gespräch zu anderen Glaubensbrüdern oder - schwestern aus anderen Ländern kommen, umgekehrt schottet sich die Glaubensgemeinschaft durch solche Pilgerfahrten insgesamt gegenüber Andersdenkenden ab. Ich persönlich habe die intensivsten sinnlich-meditativen Erlebnisse immer im Hochgebirge. Beim majestetischen Anblick von Berggipfeln komme ich viel leichter mit anderen Menschen ins Gespräch als in der Stadt - aber ganz unabhängig von ihrem Glauben oder Unglauben, während bei Pilgerreisen die Gläubigen doch immer nur im eigenen Saft schmoren und ihr teils merkwürdig anmutenden Ritual abspulen.
07.09.16
7:58