Kardinal Schönborn

Muslime leben ihre Religion

Laut dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn könne man Muslimen nicht vorwerfen, dass sie von ihrer Religion überzeugt seien. Er verstehe Muslime die Europa für dekadent hielten.

19
09
2016
Kardinal Christoph Schönborn © Facebook Kardinal Christoph Schönborn

„Ein glaubwürdiges Christentum braucht den Islam nicht zu fürchten.“ Das sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn im Interview der Presseagentur „Kathpress“ (Sonntag). Dass immer mehr Muslime ins Land kommen und damit der Islam als Religion an Einfluss gewinne, bereite vielen Sorge, so der Kardinal. Das sei jedoch kein Vorwurf an die Muslime, sondern eine ernste Anfrage an Österreich.

„Wir können doch nicht den Muslimen vorwerfen, dass sie von ihrer Religion überzeugt sind“, sagte Schönborn. „Aber wir müssen uns ernsthaft fragen, ob wir nicht gerade unser christliches Erbe verspielen.“

Nichts anderes habe er auch in seiner viel, aber nur sehr selektiv zitierten Predigt am vergangenen Sonntag gemeint. „Wir brauchen in Europa kein Aufrüsten gegen andere Religionen, sondern wir brauchen wieder ein lebendiges Christentum.“ Der Wiener Kardinal wies alle medial verbreiteten Interpretationen seiner Predigt zurück, wonach er damit den Islam habe angreifen wollen. Schon gar nicht habe sich seine Predigt indirekt auch gegen Flüchtlinge gerichtet.

Viele gläubige Muslime seien seit langem Teil diese Landes, betonte Schönborn. Jeder in Österreich wisse inzwischen, was der Ramadan ist, „aber wer kennt noch das Freitagsfasten?“ Er sorge sich um den Verlust der christlichen Wurzeln und verstehe Muslime, wenn sie Europa aufgrund seiner Glaubensschwäche für dekadent hielten.

Christentum glaubwürdiger leben

Laut Umfragen wünschten sich 80 Prozent der Österreicher, dass das Land christlich bleibt. „Und was tun wir dafür?“, fragte der Kardinal. Sein Rat: „Lebt glaubwürdig das Christentum und habt keine Angst vor dem Islam.“

Sowohl das Christentum als auch der Islam hätten einen universalen Missionsauftrag, betonte Schönborn; und beide Religionen wie auch alle anderen hätten das Recht, für ihren Glauben zu werben. Freilich müsse dies stets auf Basis der Religionsfreiheit geschehen, also ohne Zwang und in gegenseitigem Respekt. Ein solches Verständnis von Religionsfreiheit sei womöglich nicht in allen mehrheitlich muslimischen Ländern vorhanden. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel --Nachtrag wegen Trennung von weltlicher und kirchlicher Macht. Diese Trennung finden Sie nur in der Westkirche. In der Ostkirche finden Sie diese Trennung nicht. Entsprechend anders war der historische Weg Osteuropas und vor allem Russlands. Mit ein Grund dafür, dass Russland über weite Teile seiner Geschichte autoritärem Denken und autoritären politischen Strukturen verhaftet blieb. Das ist bis heute so. Man schaue sich den engen Schulterschluß an zwischen dem Autokraten Putin und der Russisch-Orthodoxen Kirche. - Noch einmal zurück zu den USA: Wie geschildert verhindert der Erste Verfassungszusatz so ziemlich jegliche Einschränkung von Religionsfreiheit. Niemand würde dort auf die Idee kommen, eine Burka, einen Burkini oder gar ein Kopftuch verbieten zu wollen. Und das, obwohl die USA mit "09/11" den mit Abstand größten islamistischen Terroranschlag der Geschichte erlebt haben. Ich finde, das sollte uns zu denken geben. Die USA lassen auch durch einen schlimmen Terroranschlag ein Grundrecht wie die Religionsfreiheit unangetastet. Und was tun wir, die nicht annähernd vergleichbares erleben mussten?? Wir diskutieren ein Burka-Verbot und manche gar ein Burkini-Verbot. Oder gar ein Kopftuchverbot. Das ist absurd. Und es ist hysterisch. Präsident G. W. Bush kann man eine Menge Fehler nachsagen in seinem "Kampf gegen den Terror." Aber eine Geste von ihm war absolut großartig und brilliant. Wenige Tage nach "09/11" besuchte er eine Moschee. Und er setzte damit ein Zeichen. Ein Zeichen, das er auch in Worte fasste: " Wir meinen nicht euch Muslime, die bei uns friedlich leben, wir meinen nicht eure Religion, den Islam, wenn wir vom "Kampf gegen den Terror" sprechen. Wir meinen die islamistischen Terroristen, die das getan haben." Und was tun wir hier in Deutschland?? - Suchen uns selektiv Koranstellen aus, die die angebliche Gefährlichkeit und Unvereinbarkeit des Islam mit der Demokratie belegen sollen. - Wir bauschen die Übergriffe einiger Nordafrikaner an Silvester 2015 auf zu kulturellen Stereotypen. Angeblich ist es kulturell bedingt, dass "der muslimische Mann" keinen Respekt vor der (westlichen) Frau hat. - Wir machen ein Kopftuch am Arbeitsplatz zum Problem. - Wir machen einen verweigerten Handschlag zum Problem. - Wir schieben jegliches Problem mit Muslimen dem Islam in die Schuhe oder der Kultur der Muslime. Etc. Dabei leben Millionen Muslime bereits seit vielen Jahrzehnten bei uns in den Demokratien dieser Welt und zeigen, dass ihre Religion und Kultur problemlos mit unserer Lebensweise vereinbar sind. Wir sollten uns an der relaxten Haltung der Amerikaner vielleicht etwas abschauen. Und an den Worten von G. W. Bush bei seinem Moscheebesuch nur einige Tage nach "09/11."
24.09.16
1:02
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Und das bedeutet auch, dass die Religionen sich nicht in den Staat einzumischen haben, was der Islam derzeit ständig tut oder zumindet versucht.
24.09.16
18:23
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Was das Christentum betrifft: Die Trennung von Kirche und Staat ist absolut keine Errungenschaft des Christentums. Ganz im Gegenteil. Sie wurde zunächst in der Renaissance der Kirche von reich gewordenen Handelstädten in der Toskana abgetrotzt und nach der Reformation, die (erfreulicherweise) eine Schwächung des Christentums insgesamt bedeutete, z.B. in den protestantischen Niederlanden weiter entwickelt. Diese Abnabelung vom Christentum führte zu einer Blüte der Kunst. Bis in die jüngere Vergangenheit haben die christlichen Kirchen z.B. im Personenstandsrecht (Geburten-, Ehe-, Sterberegiester) klar staatliche Aufgaben an sich gerissen. Von wegen "gebt des Kaisers was des Kaisers". Seit seiner Machtergreifung ab dem 4. Jahrhundert hat das Christentum ein religiöses Wahrheitsmonopol für sich in Anspruch genommen und dieses mit eiserner Hand verfolgt. Die altrömisch-polytheistische Religiion war da wesentlich toleranter. Kaiser Kostantin hat ja noch Anfang des 4. Jahrhunderts Apollo, Mithras und Christus paralllel verehrt, unter Kaiser Theodosius wurde Ende des 4. Jahrhunderts das Christentum als Staatsreligion allen aufgezwungen. Was den Islam betrifft: Ich halte nichts von bedingungslosten Solidaritätsbekundungen, wie z.B. kürzlich jener des kanadischen Premiers Justin Trudeau in einer kanadischen Moschee, die selbst aber Geschlechtertrennung in ihren Gebetsräumen durchführt. Respekt muss immer verdient sein. Keine Religionsgemeinschaft hat Anspruch auf Heiligsprechung durch die Politik. Geschlechterapartheid verdient keinen Respekt.
26.09.16
10:44
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Sie schreiben immer, dass in den USA Burkinis, Burkas, verweigerte Handlschläge und Kopftücher unbestrittenermaßen akzeptiert sind. Wie kommt es dann, dass ein Kandidat für die Präsidentschaft, Donald Trump, der für ein generelles Einreiseverbot für Muslime eintrat, nach Umfragen sogar Siegeschancen eingeräumt werden? Syrische Flüchtlinge wurden und werden weder von Barack Obama nocht seinem kanadischen Amtkollegen Justin Trudeau mit offenen Armen aufgenommen, obwohl sich gerade Letzterer als besonders islamophil zu vermarkten versucht. Um Pauschalverurteilungen aller Moslems im Stil von Donald Trump vorzubeugen, halte ich es für wichtig, sich offen kritisch mit dem Islam auseinanderzusetzen anstatt sich nur anzubiedern. In den USA gibt es im Übrigen auch keinen konfessionellen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen und keine "theologischen Fakultäten" an öffentlichen Universitäten.
26.09.16
13:52
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Die Trennung zwischen Kirche und Staat geht auf das Christentum zurück, und zwar auf das Jesus-Wort "Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott, was Gott gebührt. Hier hat das ideengeschichtlich seinen Ursprung. Bevor ich mich jetzt einen langen historischen Exkurs veranstalte: Näheres erläutert Heinrich August Winkler in seinem vierbändigen Standardwerk "Geschichte des Westens", Band 1.
05.10.16
22:16
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel -- Zu den USA: Natürlich gibt es auch in den USA islamophobe Rassisten. Und zu denen zählen hauptsächlich "The Donald" Trump & Fans. Es würde in den USA keinem Politiker gelingen, die Religionsfreiheit einzuschränken und schon gar nicht, ein pauschales Einreiseverbot für Muslime durchzusetzen. Solche Dinge würde der Supreme Court sofort kippen. Dass etwas verfassungsrechtlich garantiert ist, bedeutet nicht, dass es unumstritten ist und dass es nicht Leute gibt, die gegen eine solche Regel sind. Das haben wir in Deutschland ja auch. Und was Justin Trudeau betrifft, den kanadischen Premier: Der verkauft sich nicht islamophil, sondern er hat erkannt, dass Migranten eine Bere3icherung sein können und dass man das Flüchtlingsproblem nur global und nicht durch Abschottung lösen kann. Er springt nicht auf den Zug der islamophoben Rechtspopulisten auf, sondern zeigt das, was man von einem verantwortungsvollen kompetenten Premier erwarten muss: Geistige Fühjrung. Er gibt Orientierung und schwimmt auch mal gegen den Strom und macht seiner Bevölkerung klar, dass es gut und richtig ist, Flüchtlingen zu helfen.
05.10.16
22:23
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel -- Noch einmal zum Ursprung der Trennung von Kirche und Staat: Historisch beginnt dieser Prozeß früher als Sie es ab der Renaissance (richtig) schildern. Stichwort "Investiturstreit."
05.10.16
22:38
Johannes Disch sagt:
@Manuel -- "Das bedeutet auch, dass Religionen sich nicht in den Staat einzumischen haben..." (Manuel) Nein. Das ist ein falsches Verständnis von Säkularismus. Säkularismus bedeutet, dass sich der Staat in religiösen Angelegenheiten neutral verhalten muss. Damit ist dem Bürger garantiert, dass er seinen Glauben frei leben kann. Der Staat hat religiös neutral zu sein, und nicht der Bürger.
09.10.16
0:41
1 2