Der Kirchenrechtler Heinig warnt davor aus einem falsch verstandenen Neutralitätsverständnis, Religionen aus den Universitäten zu verbannen. Damit reagiert er auf die Schließung von Gebets- und Meditationsräumen an diversen deutschen Hochschulen.
Kirchenrechtler Hans Michael Heinig warnt vor der Verdrängung religiöser Aktivitäten aus Hochschulen mit Verweis auf das staatliche Neutralitätsprinzip. In einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geht Heinig damit auf die Schließung des Raum der Stille an der Universität Dortmund, sowie der Einschränkung der Interessen von muslimischer, katholischer und evangelischer Gruppen an anderen Hochschulen ein.
Neutralität nach dem Grundgesetz verlange, dass der Staat sich mit keiner bestimmten Religion oder Weltanschauung identifiziere. „Damit wird der staatlich verfasste Raum aber nicht zur religionslosen Zone. Nur der Staat ist zur Neutralität verpflichtet, nicht seine Bürger“, erklärt Heinig, der Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Göttingen lehrt.
Deshalb dürften Studenten auch in ihren Hochschulen öffentlich sichtbar beten oder religiös konnotierte Kleidung tragen. Sie dürften sogar für ihren Glauben werben und sich mit Gleichgesinnten zusammentun. „Eine Grenze ist erst dann erreicht, wenn Rechte Dritter oder der eigentliche Zweck der Hochschule, wissenschaftliche Forschung und Lehre, gefährdet werden“, so der Rechtsexperte.
Jedoch müssten die Hochschulen Studentengruppen weder Räume bereitstellen noch ihren Internetauftritt für sie öffnen. „Sie können dies aber. Mit verfassungsrechtlichen Neutralitätspflichten hat diese Entscheidung schlicht nichts zu tun“, erläutert Heinig.
Dem Argument, es gebe einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen Religion und Vernunft, setze er die Hochschule als Lebensraum entgegen. Es gäbe „seit jeher Hochschulsport und studentische Theatergruppen, Universitätsorchester und in der Selbstverwaltung sich tummelnde parteipolitische Nachwuchskader“. Solche Aktivitäten vermittelten Gemeinschaft und Identifikation, ein „rares Gut an Massenuniversitäten“. Das lege nahe, auch religiös-weltanschauliche Interessen der Studenten in der Hochschule zu berücksichtigen.
Auf eskalierende religiös-weltanschauliche Konflikte und religiösen Fundamentalismus sollten die Hochschulen mit „Aufklärung, Wissensvermittlung, Diskurs“ reagieren, statt mit Schließungen. Dies sei zwar im Rahmen der Befugnisse der Hochschulleitungen, „aber ohne Maß und Mitte“. Heinig erklärt: „Schlagen im städtischen Freibad Jugendliche über die Stränge, wird schließlich auch nicht gleich die Einrichtung geschlossen, sondern ein befristetes Hausverbot erteilt.“ (KNA/iQ)