Frankreichs Premierminister François Hollande fordert in einem offenen Brief einen „französischen Islam“. Frankreichs Muslime reagieren gespalten.
In einem offenen Brief mit dem Titel „Wir – Franzosen und Muslime – stellen uns unserer Verantwortung“ fordert der französische Premierminister François Hollande einen französischen Islam. Frankreichs Muslime sollten sich zu Frankreich und Europa bekennen und gemeinsam mit der Regierung dem IS den Krieg erklären. Etwa 40 bekannte muslimische Unternehmer und Akademiker unterstützten und unterzeichneten den Brief, so beispielsweise auch der Arzt Madjid Si Hocine. In einem Interview mit dem französischen Radiosender France Inter kritisiert er den muslimischen Rat Frankreichs als Staathalter der Maghreb-Staaten, der eine Reform des Islam nach französischen Werten blockiere.
„Wir müssen andere Persönlichkeiten hervorheben, die den Islam in der öffentlichen Debatte repräsentieren. Muslime, die in Frankreich geboren und aufgewachsen sind, die hier gearbeitet haben, Französisch sprechen und voll integriert sind. Muslime, die kein Problem damit haben, dass sie Franzosen sind. Sie können mehr oder weniger religiös sein. Wichtig ist, dass sie einen Teil der muslimischen Franzosen abbilden, dass es keine Karikaturen mehr sind“, so der Mediziner
Viele Muslime reagieren allerdings mit Kritik und Skepsis auf den offenen Brief des Premierministers. Seine Forderung einen französischen Islam zu kreieren sei anmaßend und entmündigend. Der Premierminister setze undifferenziert den Islam mit Terrorismus gleich und unterstelle den Muslimen Verbundenheit zu Terroristen.
Diverse muslimische Geistliche und Intellektuelle, die sich stets um den Islam und die Muslime in Frankreich bemühen, üben scharfe Kritik an den Forderungen des Premierministers. Nassr Eddine Errami, ein Imam in Straßburg kritisiert das Vorgehen des Premiers als kolonialistisch.
„Der Staat kann nicht von oben einen Islam verordnen. Schon der Begriff ‚Islam de France‘ ist völlig unangebracht. Es gibt keinen nationalen Islam. Nebenbei gesagt: Radikalisierung lässt sich nicht bekämpfen, wenn man sich nicht mit Ursachen und Wirkung fundamentalistischer Lektüren des Islams aus dem Ausland auseinandersetzt – wie etwa den saudischen Wahhabismus. Und wie passt es zusammen, dass die Regierung einen Islam fordert, der individuelle Freiheiten respektiert, das säkulare Prinzip und die Gleichstellung der Frauen, gleichzeitig aber Saudi-Arabien aus wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zu einem privilegierten Partner macht? Diese Politik ist voller Widersprüche“, kritisiert der Imam empört.