Immer häufiger kommt es zu Diskriminierungen von Migranten und Muslimen durch Polizisten. Das Thema interkulturelle Kompetenz wird in der Polizeiaus- und Weiterbildung immer wichtiger.
Es ist vielleicht einen Monat her, Mohamed Abu El-Qomsan steht auf der Straße, da ruft ihm ein Polizist zu: „Ist das dein Auto?“ Abu El-Qomsan lacht – heute, als er davon erzählt. „Da möchte man zurückrufen: Woher kennen Sie mich?“ Er erlebe es oft, dass Menschen ihn duzen oder ihn gleich nur mit Befehlen ansprechen: „He du! Nicht hier!“ Sie denken, dass er kein oder nur schlecht Deutsch kann, und lassen die Höflichkeit sein. Das passiert nicht nur mit Polizisten – aber auch.
„Furchtbar“, sagt Wolfgang Sommer. „Der Kollege hat noch nicht die moderne Ausbildung genossen.“ Sommer ist Präsident der Bayerischen Bereitschaftspolizei, die im oberfränkischen Bamberg sitzt, immer wieder bundesweit im Einsatz ist – und für die Ausbildung aller bayerischen Polizisten zuständig ist. Dabei sind natürlich viele ältere der rund 40 000 Polizisten in Bayern schon im Dienst – und werden nicht erst heute ausgebildet, da sich die Polizei im Freistaat interkulturelle Kompetenz explizit auf die Fahne schreibt.
Rund 17,1 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten 2015 in Deutschland, dazu zählen Gastarbeiter, deren Kinder und Enkel ebenso wie neue Zuwanderer. Im vergangenen Jahr wanderten besonders viele Menschen aus anderen Ländern zu. Auch wenn es verschiedene Kulturen in Deutschland nicht erst seit 2015 gibt – interkulturelle Kompetenz sei auch wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen „eine zunehmend wichtigere Anforderung“ für die Polizeiarbeit, sagt ein Sprecher.
„Es gibt ganz, ganz unterschiedliche Kulturen – und da kann es ganz ohne Absicht zu Missverständnissen kommen“, sagt Abu El-Qomsan. Er ist der Bayern-Beauftragte des Zentralrats der Muslime in Deutschland. „Es ist Zeit, dass die Polizei geschult wird, damit für beide Seiten keine extra Belastung dazukommt.“
Deshalb will die bayerische Polizei nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Fortbildung ihrer Beamten verbessern. Zum Beispiel durch eine Tagung zu interkultureller Kompetenz, zu der Experten aus mehreren Bundesländern, von der Bundespolizei und auch aus Österreich und der Schweiz am Dienstag für zwei Tage nach Bamberg gekommen sind.
Nurgül Janker sagt, dass es einfach Respekt braucht. Sie kommt aus einer türkischstämmigen Familie, war lange Polizeiausbilderin und ist jetzt angehende Kommissarin. „Ich habe einen anderen Blick“, sagt sie, denn sie kenne beide Kulturen. „Respekt hat in islamischen Ländern einen hohen Stellenwert, ich denke, ich kann das so allgemein sagen.“ Ihr sei deshalb eher aufgefallen, wie schnell manche Kollegen ausfällig oder gereizt werden, im Umgang mit allen Bürgern. „Und mit manchen ausländischen Mitbürgern muss man vielleicht manches wiederholen.“ Höflichkeit ist deshalb ihr Grundprinzip.
Auch weil es nicht nur um Islam geht, und nicht einmal nur um Religion. Man könne nicht die Bräuche aller möglichen Ethnien kennen, sagt Janker. Viele Regeln haben nichts mit Religion zu tun, sondern mit der Kultur, sagt auch Abu El-Qomsan. „Ich habe oft erlebt, dass auf einem Podium neben mir ein nicht-muslimischer Islam-Experte sitzt, der dann Stereotype verwendet.“ Es sei wichtig, dass die Polizei muslimische Seelsorger oder Pädagogen einbinde.
Janker ist die einzige Referentin mit Migrationshintergrund auf der Bamberger Tagung. Und im engsten Mitarbeiterkreis von Chefausbilder Gerd Enkling in Bamberg hat von 20 Leuten niemand einen Migrationshintergrund. Die bayerische Polizei versucht deshalb, sich den direkten Input zum Beispiel von Kollegen wie Janker zu holen, die am Ausbildungsstandort Sulzbach-Rosenberg gearbeitet hat. Oder zum Beispiel vom Flüchtlingsrat oder Geflüchteten selbst, die die Polizei einlade, sagt Sommer. Oder von Besuchen in Moscheen.
Interkulturelle Kompetenz ist für die Polizei dabei auch etwas, womit sie Bewerber anlocken wollen. „Bewerber mit Migrationshintergrund sind eine Zielgruppe für uns“, sagt Sommer. „Vielfalt muss sich in der Polizei widerspiegeln.“ Wie viele Polizisten in Bayern Migrationshintergrund haben, ist allerdings nicht erfasst. Dafür können im Freistaat auch Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft Polizisten werden, wenn sie den Aufnahmetest bestehen. Nurgül Janker hat einen deutschen Pass, aber sie erlebt oft, was Abu El-Qomsan erzählt hat. „Die Leute denken, dass ich nicht gut Deutsch spreche – auch wenn ich in Uniform vor ihnen stehe“, sagt sie. „Ich antworte dann in fließendem Deutsch, dann sind sie erst recht überrascht.“ (dpa/iQ)