Islamische Bestattungen

Bestattungskultur befindet sich im Wandel

Begräbniswald oder Friedhof, Urne oder Eichensarg, individuell gestaltete Trauerfeier oder doch eine islamische Bestattung? Die Bestattungskultur in Deutschland ist immer vielfältiger geworden. Ein Überblick.

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Symbolbild: Ein muslimisches Grabfeld
Symbolbild: Ein muslimisches Grabfeld © by Sludge G auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

In Deutschland ist ein dramatischer Wandel der Bestattungskultur zu besichtigen. 2013 gab es rund 45.000 Bestattungen auf mittlerweile 400 Baumbestattungsstandorten in Deutschland. Die Zahl der Feuerbestattungen ist auf über 60 Prozent gestiegen. Friedhöfe verändern ihre Gestalt, weil Grabfelder für Muslime angelegt und Gräber individueller oder – wegen veränderter Familienstrukturen – pflegeleicht gestaltet werden.

Kirchen, Friedhofsverwalter und Bestatter beobachten zwei gegenläufige Trends: auf der einen Seite immer mehr anonyme, kostengünstige Rasengrabstellen, auf der anderen Seite zunehmend persönlich gestaltete Grabmale. Einerseits bieten Discountbestatter Einfachbeerdigungen. Andererseits wollen immer mehr Hinterbliebene den Sarg des Verstorbenen bemalen, seine Lieblingsmusik bei der Trauerfeier oder eine besonders persönliche Trauerrede hören.

Friedhofspflicht und Sargzwang verlieren an Bedeutung

„Traditionen, Konventionen und religiöse und familiäre Bindungen verlieren an Bedeutung“, so fasst es der Vorstand der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas, Christoph Keldenich, zusammen. „Mobilität und Vielfalt der Lebensentwürfe nehmen zu“. Das hat Auswirkungen auf Tod und Sterben.

Solche Vielfalt war lange unmöglich: Friedhofspflicht und Sargzwang prägten die Bestattungskultur. Ausnahmen sind nur die Seebestattung und die Naturbestattung in einem Wald. Jedoch wird auch bei Baumbeisetzungen die Urne vom Bestatter an den ausgewiesenen Bestattungsort gebracht. Während andere europäische Länder inzwischen erlauben, die Asche von Verstorbenen auch daheim aufzubewahren, bleibt Deutschland streng. Lediglich Bremen erlaubt seit 2015, die Asche von Verstorbenen auf Privatgrundstücken und festgelegten öffentlichen Flächen zu verstreuen. Eine völlige Abschaffung des Friedhofszwangs bedeutet das nicht.

Weit flexibler sind die Regelungen zum Sargzwang: Insbesondere aus Rücksicht auf die Vorstellungen von Muslimen, wonach die Bestattung in einem Leichentuch stattfindet, wurden in den meisten Bundesländern Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen.

Islamkonforme Bestattung

Vor allem in den letzten fünf Jahren wird das Thema der islamkonformen Beisetzung in Deutschland als Möglichkeit wahrgenommen, um das Grundrecht auf eine pietätvolle Bestattung gewährleisten zu können. Die Ergebnisse dieses noch längst nicht abgeschlossenen Aushandlungsprozesses variieren jedoch von Region zu Region. Konkret haben Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen Bürgerinnen und Bürgern das Recht eingeräumt, sarglos in einem Leichentuch bestattet zu werden. Zwar wurde medial damit ein Entgegenkommen gegenüber lediglich den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern kommuniziert, doch betrifft diese Bestimmung alle Religionsgruppen, die genau jene sarglose Bestattung als religiöse Verbindlichkeit ansehen.

Sofern der Bedarf besteht und die Kommunen sich mit den jeweiligen lokalen muslimischen Ansprechpartnern einigen können, werden auf städtischen Friedhöfen einzelne Abschnitte für Muslime reserviert. Die Bestimmungen für diese Grabfelder, ob und wie jene gepflegt werden, welche Grabanbauten, Blumen, Dekor usw. erlaubt sind, werden immer wieder kommunal neu ausgehandelt. Aus diesem Grund finden sich mancherorts Ausnahmeregelungen.

Da die Zahl der Bestattungen nach islamischer Tradition in der deutschen Hauptstadt sprunghaft gestiegen ist, schaffte Berlin mehr Raum für muslimische Bestattungen. Auf dem Friedhof Ruhleben ist am Montag ein 1300 Quadratmeter großes Feld für 133 Grabstellen eröffnet worden. Dort seien auch Bestattungen ohne Sarg möglich, teilten die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf mit. Bei Bedarf könne das Feld ab 2020 um 2000 Quadratmeter erweitert werden.

Ein neues Geschäftsfeld

In Deutschland lebende Muslime entscheiden sich noch zu 80 bis 90 Prozent für eine Rückführung. Dies werde sich allerdings in den kommenden Generationen stark verändern. Muslimische Beisetzungen, ein neues Geschäftsfeld auch für nicht-islamische Unternehmen? Theoretisch ja, meint BDB-Mann Oliver Wirthmann. Sein Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der etwa 4000 Bestattungsunternehmen in Deutschland. Die Bestatter agierten nicht auf der Basis von Religion und seien fachlich und kulturell auf unterschiedliche Konfessionen eingestellt, so Wirthmann. Dies zeige sich auch: „Unsere Unternehmen berichten, dass sie immer mehr Muslime bestatten“.

Allerdings sei der Markt muslimischer Beisetzungen „sehr schwer aufzubrechen“, sagt Bestatter Christoph Kuckelkorn aus Köln. „Wir sehen noch eine sehr starke Bindung der Muslime an Moscheen und damit an die entsprechenden Bestattungsunternehmen“. (KNA, dpa, iQ)