Nach Monaten des Streites will die CSU sich und ihrer Schwester CDU einen neuen politischen Kompass verordnen. Dazu passende Leitanträge und das neue Grundsatzprogramm sollen in dieser Woche auf dem Parteitag beschlossen werden. Alle Probleme löst das aber nicht.
Das Ziel für die CSU ist klar: Mit einem klaren Kurs gegen den Politischen Islam und gegen ein Rot-Rot-Grünes Bündnis im Bund will die bayerische CDU-Schwesterpartei sich und die gesamte Union für die anstehenden Wahlen neu positionieren. Dabei sind die teils markig formulierten Positionen und Forderungen in den beiden Leitanträgen, die am Montag vom Parteivorstand und am Ende der Woche vom Parteitag beschlossen werden sollen, nicht neu für die CSU: Ja zur Obergrenze für Zuwanderer, ja zur Leitkultur, kein Zurückweichen vor terroristischen Bedrohungen, einen starken Staat und eine deutliche Kampfansage gegen Rot-Rot-Grün sowie AfD.
Soll heißen: Um bei der „Mutter aller Wahlen“ im kommenden Jahr, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer gerne nennt, wieder erfolgreich sein zu können, muss die Union nicht nur geschlossen agieren, sondern auch ihren politischen Kompass neu justieren. Und damit nicht genug. Wer Wahlen gewinnen will, der muss den Menschen das Gefühl geben, sie ernst zu nehmen, auch jene Wert- und Nationalkonservativen, die die CDU zuletzt massenhaft in Richtung AfD verlassen haben.
„Wir hatten ja in der Tat sehr schwierige Monate für CDU und CSU“, sagt Seehofer am vergangenen Montag im ZDF-Interview. Fünf schmerzhafte Wahlniederlagen habe die CDU und damit die Union erlitten, eine neue Partei rechts von der CSU erziele dafür zweistellige Ergebnisse, ein gespaltenes Land und eine EU-Krise bedrohe die friedliche Gesellschaft. Seine Antwort ist seit Monaten dieselbe: Die CSU und die CDU müssten wieder die gesellschaftliche Mitte und das rechte demokratische Spektrum abbilden: „Das ist unser Standort. Wenn wir dies gut besetzen als Volkspartei, dann werden wir auch gut abschneiden in der Bundestagswahl.“
Nachdem Angela Merkel (CDU) die gesamte Union in den vergangenen Jahren schrittweise in die Mitte bewegte, will die CSU nun den Rückwärtsgang einlegen. Dies zeigt sich nicht nur in den Kampfansagen an „Islamisten“ und „Linksfront“ in den Leitanträgen, sondern auch im neuen Grundsatzprogramm der Partei, für die es demnächst laut Seehofer um nicht weniger als die politische Existenz geht. Maßgabe für die CSU ist dabei der alte Satz von Ex-CSU-Chef Franz Josef Strauß: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“
Das neue Grundsatzprogramm, das auch am Parteitag zur Abstimmung steht, hat den schlichten Titel „die Ordnung“. Es soll den Mitgliedern und allen potenziellen Wählern helfen, sich in der schnell verändernden Welt neu zurechtzufinden. Wer kulturelle Verlustängste verspürt, weil mehr Muslime in Deutschland leben, wer Angst vor Terroranschlägen vor der eigenen Haustür hat, wer den sozialen und wirtschaftlichen Abstieg befürchtet – alle sollen wieder in der Union eine politische Heimat finden und nicht zur AfD laufen müssen. Die Botschaft: Die CSU hat verstanden, wir nehmen euch ernst, ab jetzt kümmert sich die Union (wieder) um eure Sorgen.
Doch Seehofer und die CSU fürchten nicht nur eine Pleite bei der Bundestagswahl im kommenden Herbst. Die erfolgsverwöhnte CSU-Seele würde dadurch zweifelsohne schweren Schaden nehmen, zugleich drohe der Partei aber auch eine schwere Hypothek für die Landtagswahl im November 2018 in Bayern. Ohne ihre absolute Mehrheit würde der Einfluss der CSU in der Union und damit in der Bundespolitik schwinden, zurück bliebe eine Regionalpartei.
Deshalb ist es für die CSU nur folgerichtig, sich nach Monaten des Streites mit der CDU um ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder auf die Suche nach gemeinsamen Zielen für die Union zu machen. Das große Ziel vor Augen lässt sogar den ungelösten Obergrenzenstreit in den Hintergrund treten: „Entweder es geht weiter aufwärts in Deutschland mit einer unionsgeführten Bundesregierung, die für Sicherheit, Wohlstand und klare Werte steht. Oder es geht abwärts mit Deutschland durch Rot-Rot-Grün“, heißt es in dem Leitantrag mit dem Titel „Linksrutsch verhindern – damit Deutschland Deutschland bleibt.“
Während CDU und CSU mit Blick auf die Wahlen noch an den Sieg glauben, ist bei einer wichtigen Frage auch der Glaube der größten Optimisten wohl schon am Ende: Mit der eigentlich obligatorischen Einladung Merkels zum CSU-Parteitag am Freitag und Samstag in München rechnet in der Union niemand mehr. Doch wirklich bedauern wird diesen Tabubruch in diesen Tagen niemand. (dpa, iQ)