Klinik-Patienten brauchen neben der medizinischen Versorgung auch Zuspruch und Seelsorge. Muslime haben dabei andere Bedürfnisse als etwa Christen. Mustafa Yoldaş, Schura-Vorsitzender in Hamburg, will aufklären und helfen.
Ein Muslim wird krank, muss ins Krankenhaus – und bekommt Besuch. Doch nicht nur Partner oder Kinder kommen ans Krankenbett, sondern Geschwister, Eltern, Freunde und Nachbarn gleich mit. Dass das kein Klischee ist, sondern durchaus Realität, bestätigt auch der niedergelassene Arzt und Vorsitzende des Rates der islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura), Mustafa Yoldaş. Und auch, dass die Großbesuche für Unmut bei Ärzten, Pflegepersonal, den Zimmergenossen und nicht zuletzt beim Kranken und dessen Familie selbst sorgen.
„Hier muss man wissen, dass es in unserer Kultur schier beleidigend ist, nur eine SMS oder eine Karte mit Genesungswünschen ins Krankenhaus zu schicken“, erläutert der Arzt. Als Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung besuchten Muslime ihre Kranken persönlich. Die dabei auftretenden Probleme allerdings könnten umgangen werden, wenn sich alle über die Kultur der jeweils anderen im Klaren seien.
Diesen Informationsaustausch, die Sensibilität für die andere Kultur und Religion, will Yoldaş anstoßen. So etwa auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität (IGGS) am Freitag und Samstag in Hamburg. In der Albertinen-Akademie befassen sich dabei Experten mit dem Thema „Spiritual Care und Islam“.
Das Interesse an „kultursensibler Pflege“ werde immer größer, so Yoldaş. Die Aufklärungsarbeit in deutschen Krankenhäusern halte bei der Entwicklung jedoch nicht mit. Es gebe immer noch „ein sehr großes Wissensdefizit“. Das könne man dem Ärzte- und Pflegepersonal aber nicht verübeln. Denn das Thema sei noch längst nicht selbstverständlicher Bestandteil der Ausbildung.
Yoldaş selbst hält seit einigen Jahren immer wieder Vorträge an der Landespflegeschule über „kultursensible Pflege“. Die Inhalte müssten fester Bestandteil der Ausbildung werden, fordert er. Denn es gebe immer mehr muslimische Patienten. In Metropolen wie Hamburg, München, Berlin oder Köln machten sie fast 20 Prozent aus. „Angesichts dieses demografischen Wandels ist es wichtig, sich in der Ausbildung mit kulturellen und religiösen Besonderheiten bei der Pflege von muslimischen Patienten auseinanderzusetzen“, so der Arzt.
Dabei versteht sich Yoldaş als Brückenbauer. Er habe in Deutschland Medizin studiert und fühle sich überdies seiner Religion und Kultur verbunden – gute Voraussetzungen, um auf beiden Seiten für Verständnis, Austausch und Sensibilisierung zu werben. Die verschiedenen Vorträge seien dabei die eine Seite. „Aber ich klettere auch beim Freitagsgebet auf die Kanzel, um den muslimischen Gläubigen zu sagen, wie sie sich in einem Krankenhaus am besten verhalten.“
Ein großes Konfliktfeld ist das Essen, erläutert Yoldaş. Bei der Aufnahme wählten muslimische Patienten mitunter vegetarische Mahlzeiten. „Sie wollen dem Personal den Aufwand ersparen, dass sie halal, also gemäß den muslimischen Speisevorschriften, verpflegt werden müssen.“ Das aber führe dazu, dass Verwandte und Freunde heimisches Essen mit ins Krankenhaus bringen, was wiederum für Ärger beim Personal sorge.
Auch hier sieht Yoldaş nur einen einzigen Weg: den der Aufklärungsarbeit. Es geht ihm aber nicht darum, ein neues Konzept in die Krankenhäuser einzubringen. „Ich will die Sensibilität für dieses Thema schärfen und so Konflikten vorbeugen.“ Denn ein sensibler Umgang der Kulturen miteinander kann den Arbeitsalltag erleichtern, ist sich der Arzt sicher.
Und wie löst man nun das Problem mit den vielen Großbesuchen? Er empfehle Patienten und Besuchern ganz einfach, in einen der Aufenthaltsräume zu gehen. So würden Zimmernachbarn nicht gestört. „Und ich zitiere den Propheten, der gesagt hat, dass der beste Krankenbesuch der kürzeste ist.“ (KNA, iQ)