Debatten um Moscheebauten sind brandaktuell, zumal in Ostdeutschland. Zwei Filmemacher blicken zurück auf den Streit um den ersten muslimischen Moscheebau in Ostdeutschland 2008 in Berlin-Heinersdorf.
Eigentlich müsste das Abendland jetzt schon längst untergegangen sein. Deutschland müsste von einer muslimischen Einheitspartei regiert und europäischer Brückenkopf des militanten Terrorismus sein. So zumindest prognostizierten es vor zehn Jahren die Gegner des ersten ostdeutschen Moschee-Neubaus in Berlin-Heinersdorf.
Nach zweijährigem Streit wurde das umstrittene Gotteshaus der muslimischen Gemeinde schließlich am 16. Oktober 2008 eingeweiht, im Beisein des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse.
Der Theater- und Filmemacher Robert Thalheim führte zusammen mit dem Schriftsteller Kolja Mensing in dieser Zeit Interviews mit Beteiligten des Konflikts – Befürwortern wie Gegnern. Aus den Gesprächsprotokollen entstand zunächst das 2010 uraufgeführte Theaterstück „Moschee DE“. Nun haben die Regisseure Mina Salehpour und Michal Honnes das Ganze nochmals zu einem 61-minütigen Film verdichtet.
„Der Streit um Moscheebauten hat eine ganz neue, aggressive Aktualität, so dass wir das Thema einfach noch mal aufgreifen mussten – zumal Heinersdorf ja quasi die Keimzelle der heutigen Debatte ist“, erklärte Salehpour bei der Premiere am Dienstagabend auf der DOK in Leipzig, einem der größten europäischen Dokumentarfilmfestivals.
Aus den Originalzitaten haben die Filmemacher zum Teil Kunstfiguren entwickelt. Es treten auf, von Schauspielern dargestellt: Der aus Pakistan eingeflogene, überaus zuvorkommende Imam, der Demo-erprobte evangelische Pfarrer, eine aus Westdeutschland via Prenzlauer-Berg zugezogene Aktivisten-Mama, ein hemdsärmeliger deutscher Konvertit und der ostdeutsche Atheist und Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den Moscheebau. Sie stehen vor einer neutralen Wand. Bei gleichbleibender Kameraeinstellung erzählen sie im Wechsel ihre Sichtweisen.
Die Moschee steht im Ostteil der Hauptstadt zwischen Fastfood-Läden und einfachen Wohnhäusern. Sie ist durch Kuppel und ein 13 Meter hohes Minarett deutlich erkennbar, wirkt aber wegen der geringen Gebäudehöhe trotzdem nicht dominant. „Hier wohnt doch kein einziger Moslem, warum muss der Bau ausgerechnet hier hin“, zürnt der Vorsitzende der Bürgerinitiative, das Bündnis der Empörten, das sich formierte, als 2006 die Baupläne bekannt wurden. Zuvor hatte die Gemeinde in allen anderen Berliner Stadtteilen Bauvoranfragen gestellt, die allesamt abgelehnt wurden.
Da die 200 Gemeindemitglieder eh über die ganze Stadt verteilt lebten, sei es letztlich egal, wo die Moschee stünde, argumentiert der Imam mit der betonten Zuvorkommenheit eines Autoverkäufers. In einem „Tagesspiegel“-Interview hatte er die Heinersdorfer Moschee seinerzeit als „Tor zum Osten“ bezeichnet, ein Prestigeprojekt.
Dennoch dauerte es Jahre, bis neue Moschee-Baupläne in Ostdeutschland langsam Gestalt annahmen – zuerst in Leipzig, dann in Chemnitz, Erfurt, Dresden. Allesamt bislang noch ohne einen einzigen Spatenstich.
Zur Sprache kommt auch der vermutlich politisch motivierte Brandanschlag, der im März 2007 auf ein Baufahrzeug an der Moscheebaustelle verübt wurde. Groß war die Empörung. Zugleich muss der Zuschauer unweigerlich daran denken, welch barbarische Formen gegenwärtig der Protest gegen Moscheen annimmt: Als sich 2013 in Leipzig die Pläne für den zweiten ostdeutschen Moscheebau konkretisieren, spießen Unbekannte fünf blutige Schweineköpfe auf Holzpflöcke auf dem Baugelände auf. Zuletzt wurden dieses Jahr zwei Moscheen, in Essen und in Potsdam, mit Schweineköpfen geschändet.
Die Zitate der Beteiligten, gepaart mit der schauspielerischen Interpretation der Schauspieler, zeigen, wie alle Beteiligten letztlich um ihr eigenes Weltbild ringen. Es ist ein „Stellvertreter-Krieg“. Der Pfarrer beschimpft die Gemeinde schließlich als Sekte, derweil der Bürgerinitiativen-Vorsitzende sich durchaus vorstellen kann, mit dem Imam ein Bier zu trinken. Doch Pegida und AfD dräuen bereits am Horizont. (KNA/iQ)