Anne Will lud zu ihrer Talkshow die Schweizer Muslimin Nora Illi ein und es folgte ein Shitstorm. Warum der Fokus nicht bei dem Nikab-tragenden Gast liegen sollte und was die Talkrunde bewirken sollte, erklärt Veysel Pountso.
„Muslime müssen in der Gesellschaft akzeptiert werden“, verteidigte Frau Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats der Schweiz, am vergangenen Sonntag bei der Talkshow von Anne Will auf ARD.
Aufgetreten in der Talkshow ist sie mit ihrem Nikab, einem Vollschleier, bei dem man nur die Augen sehen kann. Ungefähr eine Stunde lang hat sie ihre ruhige Haltung beibehalten und ging auf jede Frage ein, die ihr gestellt wurde.
Bis hierhin scheint alles in Ordnung zu sein. Jeder genießt einen besonderen Schutz des Grundgesetzes, nämlich das Recht auf die freie Meinungsäußerung. Auch Frau Illi machte von diesem Recht Gebrauch, nahm die Einladung der ARD herzlich an, nutzte die Gelegenheit und tat ihre Ideologie im öffentlich-rechtlichen Sender kund.
Allerdings hat der Auftritt von Frau Illi bei Anne Will zur öffentlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen geführt. Und das zu Recht. Es hagelte Kritik aus jeder Ecke. Politiker äußerten sich zum Thema, Frau Will und der Fernsehsender ARD wurden kritisiert. Frau Illi wird vorgeworfen, „islamistisch“ zu sein und eine „faschistische Ideologie“ zu vertreten.
Erfolgreich war die Sendung am Sonntag. Denn genau das war das Ziel. Mit dieser wollte man provokativ die Aufmerksamkeit der Bevölkerung erlangen. Im Voraus wusste man, welche Auswirkungen das Übertragen dieser Sendung haben wird. Mit den Diskussionen, Auseinandersetzungen und der Kritik war zweifellos zu rechnen. Trotzdem wurde sie ausgestrahlt. So wird ARD künftig sonntags höhere Einschaltquoten erzielen.
Das ist aber das geringste Problem. Durch die Ausstrahlung solcher Sendungen, wie die am Sonntag, möchte man im Unterbewusstsein ein neues, leider ein beängstigendes Islambild schaffen. Die Begriffe Islam, Dschihad und Terror werden so in unmittelbare Relation gesetzt. Zugleich werden islamisch theologische Begriffe manipuliert.
Das ist der Beginn einer neuen Hetzkampagne gegen Muslime.
Fehlentscheidung
Das Auftreten Frau Illis bei Anne Will am vergangenen Sonntag war fehl am Platz.
Zunächst muss man die Einladung an Frau Illi hinterfragen. Wieso wurde eine muslimische Frau als Vertreterin der Muslime aus der Schweiz zu einer deutschen Sendung eingeladen, wenn wir doch in Deutschland große islamische Religionsgemeinschaften, wie die IGMG, DITIB, VIKZ und ZMD, haben, die gewiss eine Mehrheit der Muslime repräsentieren.
Außerdem muss man sich die Frage stellen, wie viele muslimische Frauen denn in Deutschland einen Nikab tragen. Dass es äußerst wenige Frauen sind, ist unumstritten. Die Frage, wieso man den Bedarf hatte, eine Frau mit einem Vollschleier, die sowieso nur für eine kleine Gruppe muslimischer Frauen steht, als Repräsentantin der Muslime einzuladen, unbeantwortet.
Des Weiteren ist fraglich, wie viele muslimische Frauen, die einen Nikab tragen, überhaupt die Ideologie Frau Illis unterstützen. Also ist eindeutig festzustellen, dass Frau Illi keineswegs die Mehrheit der Muslime in Deutschland vertreten hat, sondern nur eine Mindermeinung einer Mindermeinung.
Für Muslime herrscht in Deutschland ein Rechtfertigungsgrundsatz für jede Art von globalen Anschlägen oder für das Fehlverhalten „muslimischer“ Staatsoberhäupter. Dies zeigte sich auch in der Talkshow. Es wurde versucht seitens des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, Frau Illi für die Saudi-arabischen Gesetze verantwortlich zu machen, obwohl sie nicht Bürgerin Saudi-Arabiens ist oder eine unmittelbare Beziehung zu diesem Land hat.
Zuletzt sollte der Fokus nicht so sehr auf Frau Illi gelegt werden, sie stellt nur einen Einzelfall dar. Vielmehr sollte man sich hier mit der Sendung von Frau Will beschäftigen, denn Frau Will trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Auch wird Ihre Sendung im öffentlich-rechtlichen Sender übertragen. Daher bedarf eine solche Sendung einer besonderen Sorgsamkeit.