Die Grünen wollen die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland derzeit nicht als solche anerkennen. Religionsvertreter kritisieren diese Politik auf Schärfste.
Die Grünen verabschiedeten am Sonntag einen Antrag, der für Reformen beim Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften eintritt. Dazu gehört für die Partei eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Einig waren sich die Grünen aber auch darin, dass islamische Religionsgemeinschaften bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, wenn sie Verträge mit dem Staat schließen wollen.
Rund zwei Jahre hatten die Grünen zuvor heftig diskutiert und um Formulierungen gerungen. Es galt, Positionen von Atheisten, Agnostikern, Christen und Angehörigen anderer Religionen zusammenzubringen. Schließlich verständigten sich die Mitglieder einer eigens eingesetzten Kommission darauf, ihre Forderungen unter das Motto Religionsfreiheit zu stellen. „’Grüß Gott‘ für alle, die es hören wollen“, so brachte es der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, beim Parteitag auf den Punkt.
Ausgangspunkt der Grünen war ein parteiinterner Streit darüber, wie das Staat-Religionen-Verhältnis neu austariert werden kann und wo etwa Konfessionslose ihren Platz finden können. In dem Bericht spricht die Kommission von der „religiös-weltanschaulichen Landkarte Deutschlands“, die individueller und pluraler werde, während die Bedeutung der Volkskirchen abnehme.
Die Grünen wollen die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland derzeit nicht als solche anerkennen. DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und VIKZ seien religiöse Vereine, beschlossen die Delegierten auf einem Bundesparteitag am Sonntag in Münster. „Die gläubigen Muslime und ihre Gemeinschaften haben den rechtlichen Anspruch auf Gleichstellung“, sagte Volker Beck. „Aber eine Struktur von Verbänden, die ihre Identität nicht der Religion, sondern der Politik der Heimatländer verdankt, hat mit Religionsgemeinschaft nichts zu tun.“
Mehrere islamische Religionsgemeinschaften streben in Deutschland eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts an. Dadurch würden sie im Prinzip die gleichen Rechte erhalten wie die großen Kirchen. Dahinter steht auch das Problem, wer islamischen Religionsunterricht an Schulen verantworten soll.
„Die Religionspolitik der Grünen ist verfassungswidrig und schürt Vorurteile gegen Muslime. Sie ist ein Angriff auf das Religionsverfassungsrecht“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich der Beschlüsse auf der Grünen-Bundesdelegiertenkonferenz 2016 in Münster. Die Grünen würden sich geradewegs auf die AfD-Linie begeben.
„Während unsere Verfassung Religionsfreiheit garantiert und gläubige Menschen in Schutz vor staatlichen Eingriffen nimmt, schicken sich die Grünen an, bestimmen zu wollen, wer in den Genuss dieses Verfassungsrechts kommen soll“, so Altaş weiter.
Auch der Koordinator der Landesverbände der DITIB, Murat Kayman kritisierte die Beschlüsse des Parteitags. „In Zeiten des Postfaktischen bedürfen solche Beschlüsse auch keinerlei nachvollziehbarer oder gar schlüssiger Begründung“. Es reiche, wenn solche Beschlüsse sich für die eigene politische Basis richtig anfühlen. Faktisch und rechtlich korrekt müssen sie gar nicht mehr sein. „Islamische Religionsgemeinschaften werden zu bloßen religiösen Vereinen degradiert und damit entrechtet“. (KNA, dpa, iQ)