Grünen-Parteitag 2016

„Grünen-Religionspolitik ist verfassungswidrig“

Die Grünen wollen die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland derzeit nicht als solche anerkennen. Religionsvertreter kritisieren diese Politik auf Schärfste.

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Vorstellung der neuen Religionspolitik - Grünen-Parteitag 2016 © facebook, bearbeitet by iQ.

Die Grünen verabschiedeten am Sonntag einen Antrag, der für Reformen beim Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften eintritt. Dazu gehört für die Partei eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Einig waren sich die Grünen aber auch darin, dass islamische Religionsgemeinschaften bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, wenn sie Verträge mit dem Staat schließen wollen.

Rund zwei Jahre hatten die Grünen zuvor heftig diskutiert und um Formulierungen gerungen. Es galt, Positionen von Atheisten, Agnostikern, Christen und Angehörigen anderer Religionen zusammenzubringen. Schließlich verständigten sich die Mitglieder einer eigens eingesetzten Kommission darauf, ihre Forderungen unter das Motto Religionsfreiheit zu stellen. „’Grüß Gott‘ für alle, die es hören wollen“, so brachte es der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, beim Parteitag auf den Punkt.

Ausgangspunkt der Grünen war ein parteiinterner Streit darüber, wie das Staat-Religionen-Verhältnis neu austariert werden kann und wo etwa Konfessionslose ihren Platz finden können. In dem Bericht spricht die Kommission von der „religiös-weltanschaulichen Landkarte Deutschlands“, die individueller und pluraler werde, während die Bedeutung der Volkskirchen abnehme.

“Islamverbände sind keine Religionsgemeinschaften“

Die Grünen wollen die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland derzeit nicht als solche anerkennen. DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und VIKZ seien religiöse Vereine, beschlossen die Delegierten auf einem Bundesparteitag am Sonntag in Münster. „Die gläubigen Muslime und ihre Gemeinschaften haben den rechtlichen Anspruch auf Gleichstellung“, sagte Volker Beck. „Aber eine Struktur von Verbänden, die ihre Identität nicht der Religion, sondern der Politik der Heimatländer verdankt, hat mit Religionsgemeinschaft nichts zu tun.“

Mehrere islamische Religionsgemeinschaften streben in Deutschland eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts an. Dadurch würden sie im Prinzip die gleichen Rechte erhalten wie die großen Kirchen. Dahinter steht auch das Problem, wer islamischen Religionsunterricht an Schulen verantworten soll.

Grünen-Religionspolitik ist verfassungswidrig

„Die Religionspolitik der Grünen ist verfassungswidrig und schürt Vorurteile gegen Muslime. Sie ist ein Angriff auf das Religionsverfassungsrecht“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich der Beschlüsse auf der Grünen-Bundesdelegiertenkonferenz 2016 in Münster. Die Grünen würden sich geradewegs auf die AfD-Linie begeben.

„Während unsere Verfassung Religionsfreiheit garantiert und gläubige Menschen in Schutz vor staatlichen Eingriffen nimmt, schicken sich die Grünen an, bestimmen zu wollen, wer in den Genuss dieses Verfassungsrechts kommen soll“, so Altaş weiter.

Auch der Koordinator der Landesverbände der DITIB, Murat Kayman kritisierte die Beschlüsse des Parteitags. „In Zeiten des Postfaktischen bedürfen solche Beschlüsse auch keinerlei nachvollziehbarer oder gar schlüssiger Begründung“. Es reiche, wenn solche Beschlüsse sich für die eigene politische Basis richtig anfühlen. Faktisch und rechtlich korrekt müssen sie gar nicht mehr sein. „Islamische Religionsgemeinschaften werden zu bloßen religiösen Vereinen degradiert und damit entrechtet“. (KNA, dpa, iQ)

Leserkommentare

Marcel sagt:
Die Religionsfreiheit wird doch durch den Beschluss der Grünen gar nicht angetastet. Muslime dürfen nach wie vor ihre Religion frei ausüben. Die Frage, ob muslimische Vereine den Status als Kirchen bekommen sollen, hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun.
15.11.16
17:46
Ute Fabel sagt:
Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein Individualrecht, d.h. der einzelne Mensch hat Anspruch darauf seine Religion zu praktizieren oder auch keine Religion auszuüben. Vier ausgewählte Religionsverbände haben hingegen keinen Anspruch vom Staat eine Sonderstellung zuerkannt zu bekommen. Die beste Lösung wäre ein einheitliches Religionen- und Weltanschauungsgesetz mit gleichen Rechten und Pflichten für alle. Über Bord zu werfen wäre die bevorzugte Stellung der katholischen und evangelischen Kirche, die in der Tat eine verfassungsrechtliche Problematik darstellt. Der Staat hat sich religiös neutral zu verhalten und alle Religionen und nicht religiösen Weltanschauungen gleich zu behandeln.
15.11.16
20:05
Johannes Disch sagt:
"DIE GRÜNEN" haben in dieser Frage recht! Die Moschee ist ein Gebetshaus, und keine kirchliche Institution. Der Islam kennt keine organisierte Religionsgemeinschaft kirchlichen Musters. Die Muslime in Deutschland sind weder konfessionell noch kulturell einheitlich. Das macht eine Gesamtvertretung unmöglich. Davon abgesehen ist zu bestreiten, dass die großen muslimischen Verbände tatsächlich vorbehaltlos hinter der FDGO stehen. -- Der Islamrat hat im Wappen den halben Reichsadler. In dem Schriftband des Wappens steht in arabischer Sprache der Koran-Vers: "Es gibt bei Gott keine andere Religion als den Islam" (Sure 3,19). Das macht deutlich: Der Islamrat stellt die Religion über die FDGO. Der Islamrat wird von der "Milli Görus" dominiert. Und diese gilt als rechtsradikal. -- Auch der "Zentralrat der Muslime" mit seinem medial dauerpräsenten Vorsitzenden Aiman Mazyek ist nicht unabhängig. Sein Verein untersteht nicht nur der türkischen DITIB, sondern bekommt auch Kohle von Saudi-Arabien. So sehr ich mich für das INDIVIDUELLE RECHT jedes Muslims und jeder Muslimin für Religionsfreiheit einsetze, so vehement bin ich gegen einen organisierten Islam. Die Verbände betreiben Roßtäuscherei, wenn sie eine organisierte Vertretung als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Namen der Religionsfreiheit einfordern. HIER IST DIE ROTE LINIE! Und diese wird hoffentlich vom deutschen Staat nicht überschritten im Namen einer falsch verstandenen Toleranz! Unsere Grundrechte sind INDIVIDUELLE RECHTE und KEINE KOLLEKTIVRECHTE! Jeder Muslim und jede Muslimin genießt in Deutschland das INDIVIDUELLE RECHT auf Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Das ist völlig ausreichend.
16.11.16
1:48
Manuel sagt:
„Aber eine Struktur von Verbänden, die ihre Identität nicht der Religion, sondern der Politik der Heimatländer verdankt, hat mit Religionsgemeinschaft nichts zu tun.“ Vollkommen richt, schön, dass auch langsam die Grünen aufwachen und verfassungswidrig ist da gar nichts, das GG garantiert Religionsfreiheit und nicht eine Art kompletter "Religionsverbandsfreiheit", die von ihrem Heimatländer dominiert und finanziert werden. Besonders DITIB ist da genau so beleuchten, da es eindeutig und der Vorherrschaft der türkischen AKP-Islamisten und des Diktators Erdogan steht.
16.11.16
11:57