Früchte der Erkenntnis

Neues Buch über die Pflanzenwelt in Koran und Bibel

Evas Apfel, Adams Feigenblatt: Was steckt hinter den Pflanzen in Bibel und Koran? Der Biologe Wilhelm Barthlott hat einst den „Lotus-Effekt“ entdeckt – jetzt durchleuchtet er Heilige Schriften aus botanischer Sicht.

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2016
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Ölbäume werden in der Bibel und im Koran erwähnt.© by Michael Wunderli auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet iQ.

Bibel und Koran sind die religiösen und kulturellen Grundlagen von fast vier Milliarden Menschen weltweit. Dass die Heiligen Schriften der Christen und Muslime nicht nur spirituelle Höhenflüge, sondern im Alltagsleben der Menschen verwurzelt sind, zeigt eine neue Publikation des Bundesamtes für Naturschutz (BfN): Der Bonner Biologe Wilhelm Barthlott hat mit Kollegen die Pflanzen in Bibel und Koran unter das Mikroskop genommen.

„Ich bin kein Theologe!“, betont Barthlott. Bekannt wurde der Botaniker wegen der wissenschaftlichen Erforschung des „Lotus-Effektes“, durch den Schmutz von Pflanzenblättern abperlt. Protestant ist der 70-Jährige und mit der Bibel aufgewachsen.

Auch mit dem Islam gab es für den emeritierten Professor früh Berührungspunkte: „Mein Patensohn ist marokkanischer Herkunft, und als Doktorand habe ich schon 1972 zum ersten Mal den Koran gelesen.“ Auch Co-Autor Daud Rafiqpoor kennt sich aus: Der Afghane ist islamisch erzogen worden und widmet sich in jüngster Zeit nach eigenem Bekunden wieder intensiver der Koranlektüre.

Interreligiöser Dialog über Pflanzenwelt

Über 100 Gewächse, die dank Bibel und Koran in der Kulturgeschichte wuchern, haben die Forscher aufgespürt. Unter dem Titel „Pflanzen der Heiligen Bücher Bibel und Koran“ ist ihre Publikation jüngst erschienen. Nicht alle Pflanzen in der Neuerscheinung werden in beiden Büchern genannt: So kommt demnach die Banane nur im Koran vor, die Kichererbse nur in der Bibel. Der Ölbaum findet sich in der Bibel mehr als 30 Mal und wird auch im Koran erwähnt. Insgesamt zeigt sich das Heilige Buch der Christen bedeutend pflanzenfreudiger als das der Muslime.

„Wir erleben sehr positive Reaktionen“, freuen sich die Macher. Die erste Auflage von 400 Exemplaren war innerhalb einer Woche vergriffen, jetzt wird nachgedruckt. Der Dialog im Vorfeld sowohl mit christlicher als auch islamischer Seite sei nicht immer einfach gewesen – alle hätten ihre liebgewordenen Traditionen und Vorstellungen, die sich aber mit den Fakten der Heiligen Bücher nicht immer in Einklang bringen ließen.

Von wissenschaftlicher Seite ist hingegen kaum Einspruch zu erwarten: „Es gibt sehr wenig naturwissenschaftliche Forschung zum Thema“, erklärt Barthlott. „Wir hatten schon Mühe, das Literaturverzeichnis zu füllen.“ In anderen seiner Forschungsgebiete, etwa der Artenvielfalt, ist der Biologe einen stärkeren Diskurs, mehr Gegenwind gewohnt. Das neue Buch ist für ihn als überzeugten Naturschützer nicht nur Arbeit, sondern auch ein persönliches Anliegen.

Naturschutz mit den Religionen

Die Idee zum Pflanzenführer keimte bereits vier Jahre in Barthlott, bevor sie jetzt Früchte trug. Die Herausgeber vom Bundesamt für Naturschutz zeigen sich froh, dass sie von seinem Projekt noch rechtzeitig erfahren haben: „Wir haben 2015 das Dialogforum ‚Religion für biologische Vielfalt‘ ins Leben gerufen. Da fügt sich die Publikation perfekt ein“, sagt Andreas Mues vom BfN.

Das Bundesamt will den Naturschutz im Dialog der Religionen und Kulturen angehen: „In der Bildungsarbeit setzen wir auf interreligiöse Teams und Naturschützer“, erklärt Mues. Den Pflanzenführer lobt er als „griffiges, informatives Buch“.

Religion und Wissenschaft kein Gegensatz

Religion und Wissenschaft sind längst nicht mehr so gegensätzlich, wie sie einmal waren – und auch heute häufig noch dargestellt werden. „Ich war kürzlich bei einem wissenschaftlichen Kongress, bei dem der erste Redner mit einem Zitat aus der Papst-Enzyklika ‚Laudato si‘ eröffnet hat – ich habe noch nie vorher erlebt, dass bei einer naturwissenschaftlichen Tagung ein Papst zitiert wurde“, erzählt Barthlott sichtlich erfreut.

Der Professor zeigt sich überzeugt, dass auch der Stellvertreter Petri seiner jüngsten Publikation etwas abgewinnen könnte: „Ich glaube, der Papst würde Freude an unserem Buch haben.“ (KNA/iQ)