Die Alternative für Deutschland hat 2016 noch mehr Unzufriedene eingesammelt. Nicht nur frühere Anhänger von FDP und CDU. Sondern auch solche, die früher ihr Kreuz bei SPD oder Linkspartei gemacht haben.
Für keine Partei lief 2016 so gut wie für die AfD. Die selbst ernannte Alternative für Deutschland hat bei allen fünf Landtagswahlen zweistellige Ergebnisse eingefahren. In Bayern stieg die Zahl der Mitglieder binnen eines Jahres von 2600 auf 3500. Und obwohl die AfD im Westen immer noch deutlich schwächer ist als in den östlichen Ländern, sieht es im Moment so aus, als schaffen es die Verteidiger des „Völkischen“ Ende 2017 auch in den Bundestag.
„Die AfD ist eine Schlechte-Laune-Partei“, sagt der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz. Das stimmt in doppelter Hinsicht. Denn die AfD hat als Protestpartei zuletzt nicht nur viele Unzufriedene eingefangen. Sie verbreitet auch selbst schlechte Laune – und zwar unter den Politikern der etablierten Parteien.
Die hatten erst darauf gesetzt, dass sich die AfD mit ihren zahlreichen Flügelkämpfen und Abspaltungen rasch ins Aus manövrieren würde. Dann stellten sie fest: Der klassische Protestwähler lässt sich nicht davon abschrecken, dass die AfD-Spitzenpolitiker ständig mit Giftpfeilen aufeinander zielen.
Später hofften die AfD-Gegner dann, die Populisten würden sich in den Landesparlamenten durch schrille Auftritte und mangelnde Sachkenntnis selbst entzaubern. Doch auch diese Strategie ging nicht auf – obgleich an Skandalen wahrlich kein Mangel herrschte.
Eine Auswahl: In Berlin gewinnt der AfD-Kandidat Kay Nerstheimer ein Direktmandat. Männliche Kriegsflüchtlinge nannte er „widerliches Gewürm“, Homosexuelle eine „degenerierte Spezies“. Das ging auch Parteikollegen zu weit. Sie beantragen seinen Ausschluss aus der AfD.
In Nordrhein-Westfalen muss sich der Landesverband mit Vorwürfen befassen, bei der Wahl der Listenkandidaten für die Bundestagswahl seien Stimmzettel vernichtet worden.
Und immer wieder Baden-Württemberg: Erst fällt der AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen auf. Dann erhält Partei- und Fraktionschef Jörg Meuthen nicht die notwendige Mehrheit für Gedeons Ausschluss aus der Fraktion. Ein Grabenkampf beginnt, in den sich – sehr zu Meuthens Missfallen – auch die Co-Vorsitzende Frauke Petry einschaltet. Die Fraktion zerfällt nun auch formell in zwei Lager, die erst nach Monaten wieder zueinander finden – ohne Gedeon. Doch so richtig friedlich ist es immer noch nicht. Mitte November nennt der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple die Parlamentarier der anderen Fraktionen in einer Debatte zum Islamismus „Volksverräter“. Als ihn sein Fraktionskollege Stefan Herre später deshalb zur Rede stellt, kommt es zu einem Handgemenge.
Die AfD ist beim Thema Zuwanderung 2016 noch weiter nach rechts gerückt. Auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart verabschiedet sie im Mai ein Grundsatzprogramm, in dem es heißt: „der Islam gehört nicht zu Deutschland“.
In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verabschiedet sich die Partei gleichzeitig von einigen wirtschaftsliberalen Positionen aus der Ära von Parteigründer Bernd Lucke und fordert jetzt die Beibehaltung des von der SPD durchgesetzten Mindestlohns. Das schmerzt auch die auf das Soziale abonnierte Linkspartei, der die AfD neuerdings vor allem im Osten viele Wähler abspenstig macht.
Der Aufstieg der AfD hat die anderen Parteien auf Landesebene schon in so manche unbequeme Koalition gezwungen – von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg bis zur Kenia-Koalition (CDU, SPD, Grüne) in Sachsen-Anhalt.
Wenn es nach AfD-Vize Alexander Gauland geht, dann soll das auch noch eine Weile so bleiben. Er warnt seine Parteikollegen dringend davor, sich der CDU als Juniorpartner anzudienen. Allerdings liegt bislang noch gar kein Angebot vor, das die AfD ablehnen könnte. Niemand will mit ihnen koalieren oder auch nur abstimmen.
Der CDU-Europaabgeordnete Hermann Winkler sagte zwar im Oktober in einem Interview: „Wenn es eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD gibt, sollten wir mit ihr koalieren. Sonst steuern wir auf eine linke Republik zu.“ Mit dieser Meinung steht Winkler allerdings allein auf weiter Flur. Die CDU-Spitze setzt weiter darauf, zur AfD abgewanderte Konservative zurückzuholen – unter anderem durch eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. (dpa, iQ)