Seit der Wahl Donald Trumps zum nächsten Präsidenten der USA hat die Zahl der Übergriffe auf Minderheiten zugenommen. Die Betroffenen Muslime und Juden wollen auf ihrer Weise einen Zeichen setzen.
Soha Salama (45) ringt noch immer nach Worten, wenn sie von dem Vorfall berichtet. Von dem Unbekannten, der ihr auf dem Weg zur Arbeit aus dem Lokalzug in die Bahnhofshalle der Grand Central Station folgte. Sie dort als Terroristin beschimpfte. Sich nicht von den anwesenden uniformierten Mitarbeitern der örtlichen Verkehrsbetriebe abschrecken ließ und die Frau mit dem Kopftuch zu Boden stieß. „Du hast hier nichts zu suchen“, schrie er die vierfache Mutter an. Und: Sie solle «nach Hause gehen». Dabei hat Salama kein anderes Zuhause als New York, die Stadt, in der sie seit 20 Jahren lebt und arbeitet.
Ihr Fall reiht sich ein in eine Serie von Übergriffen auf Minderheiten. Seit der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten Mitte November stieg ihre Zahl laut Bürgerrechtsorganisationen deutlich an. Das „Southern Poverty Law Center“, eine Nichtregierungsorganisation gegen Rassismus, zählte in den ersten zehn Tagen nach der Wahl landesweit rund 860 Fälle „hasserfüllter Belästigung und Bedrohung“.
Am Samstag traf es in New York die in Brooklyn geborene Polizistin Aml Elsokary. Als sie nach Dienstschluss ihren 16-jährigen Sohn zu einem Termin brachte und dabei einen Hidschab trug, beschimpfte ein Mann sie als Mitglied der Terrormiliz IS. Dann drohte er der Polizistin, die 2014 wegen eines heldenhaften Einsatzes bei einem Hausbrand als Lebensretterin ausgezeichnet worden war, ihr «den Hals durchzuschneiden».
Nach Angaben von Polizeichef Robert Boyce sind die meisten Opfer von Hasskriminalität Juden oder Muslime. Bürgermeister Bill de Blasio sagt, die Täter fühlten sich durch die Wahl Trumps ermutigt. «Wir müssen auf ihn einwirken», betonte er. Trump müsse bei seinen öffentlichen Auftritten „mehr dafür tun, die Menschen zusammenzubringen“.
Einige Betroffene wollen sich darauf nicht verlassen – und rücken unterdessen enger zusammen. So etwa die Mitglieder der „Sisterhood of Salaam Shalom“. In der Gruppe sind rund 500 muslimische und jüdische Frauen aktiv, die angesichts von erfahrenen Bedrohungen ihre Differenzen etwa mit Blick auf den Nahost-Konflikt hintanstellen. Die Initiative geht auf die Marketing-Expertin Sheryl Olitzky zurück, deren Mann und beiden Söhne Rabbis sind. „Frauen navigieren durch diese Welt, indem sie Beziehungen aufbauen“, sagt Olitzky. Ignoranz sei eine der Zutaten, die Hass produzieren. „Wir müssen tatkräftig unter Beweis stellen, dass wir alle Amerikaner sind“.
Die Mitglieder der jüdisch-muslimischen Gruppierung lernen nicht nur Neues über die jeweils andere Religion; sie trainieren zudem gemeinsam Selbstverteidigungstechniken und diskutieren über politische Strategien. Falls Trump Ernst macht und Muslime künftig in Datenbanken registrieren lässt, wollen sich viele der jüdischen Mitglieder ebenfalls erfassen lassen.
Ein entsprechendes Vorgehen hatte der Chef der jüdischen Anti-Defamation League, Jonathan Greenblatt, den Mitgliedern seiner Organisation kürzlich bei einer Konferenz empfohlen. Wenn sich Muslime erfassen lassen müssten, so Greenblatt, „ist der Tag gekommen, an dem ich als stolzer Jude mich als Muslim registriere“.
Der Vertreter der Muslime an der Elite-Universität Duke, Abdullah Antepli, interpretiert das vermehrte Zusammenkommen von Juden und Muslimen als den „anderen Trump-Effekt“. Die muslimische Gemeinde sei entschlossener denn je, Konflikte aus der Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Tatsächlich treiben Antisemitismus und Islamophobie seit der Wahl Trumps ähnliche Blüten. So entdeckte ein Mitglied des Lehrkörpers an der Universität von Nebraska in Omaha vergangene Woche ein Hakenkreuz, in die Wand der Toilettenkabine gekerbt. Daneben eine antisemitische Schmähung und Trumps Wahlkampfslogan: „Make America Great Again“. (KNA, iQ)