CDU-Parteitag

CDU schärft ihr konservatives Profil

Die CDU fordert im Parteitag einen konservativen Kurs in der Integrations- und Flüchtlingspolitik. Der Vorsitzender des Islamrats, Burhan Kesici, findet diese Forderungen kontraproduktiv.

09
12
2016
In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die EU sei keine Sozialunion. Kritiker aus verschiedenen Lagern werfen der Bundeskanzlerin seitdem vor, rechtspopulistische Ressentiments aufzugreifen und selbst zu schüren. Schließlich hatten die rechtsextreme NPD ("Wir sind nicht das Sozialamt der Welt.") und die als rechtspopulistisch geltende AfD ("Wir sind nicht das Weltsozialamt.") ähnliche Slogans im Wahlkampf benutzt. Nun hat sich auch der Vorsitzende des Interkulturellen Rates, Jürgen Micksch, kritisch zu den Äußerungen der Bundeskanzlerin zu Wort gemeldet. Micksch bezeichnete es als "Wahlhilfe für Rechtspopulisten", wenn die Bundeskanzlerin sage: "Wir wollen Hartz IV nicht für EU-Bürger zahlen, die sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten". Merkel verschweige, dass eine angebliche Zuwanderung in die Sozialsysteme kaum stattfinde. Frieden wird gefährdet "Europaweit greifen Regierungen die Argumentationen von Rechtspopulisten auf, deren gemeinsamer Kern rassistische Einstellungen sind. Das stärkt den Rassismus in der Bevölkerung. Der Frieden in unserer Gesellschaft und in den europäischen Ländern wird dadurch gefährdet. Aufgabe verantwortlicher Politik ist die kritische Auseinandersetzung mit rassistischer Stimmungsmache", so Jürgen Micksch. Nach den Wahlen werde es eine der wichtigsten Herausforderungen für das Europäische Parlament sein, europäische und nationale Programme gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf den Weg zu bringen. Dankbar sei der Interkulturelle Rat dem Bundespräsidenten, der die Einwanderung befürworte und dazu anrege, nicht mehr von "wir und denen" zu reden. CSU macht Wahlkampf gegen Türken Unterdessen ist die CDU-Schwesterpartei CSU, die bereits mit dem Slogan "Wer betrügt, fliegt." für Schlagzeilen gesorgt hatte, mit einer neuen Aktion auffällig geworden. Die CSU beklebt derzeit ihre Europaplakate mit gelben Bannern, auf denen draufsteht: "Türkei-Beitritt verhindern!". Damit übernimmt die CSU weitere Slogans und Positionen von rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien.
CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel © Foto: Alexander Kurz, Lizenz: CC-BY-SA-3.0, bearbeitet IslamiQ

Der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici, kritisiert die Beschlüsse des CDU-Parteitages und sagte: „Für eine gute Integration gehört auch die Willkommenskultur, die wir auf dem CDU-Parteitag vermisst haben.“

Eine Integrationspolitik könne nicht gelingen, wenn man stets ablehnende Haltung gegenüber den Migranten hervorbringe. Gerade die Regelung mit dem sogenannten Doppelpass war ein richtiger Schritt, welches auch von den betroffenen Personen sehr positiv aufgenommen wurde.

Anlass für Kesicis Äußerungen sind die Beschlüsse des CDU-Parteitags am Dienstag und Mittwoch. Darin zeigt sich der Wunsch vieler Parteimitglieder nach einem konservativeren Kurs.

In der aufgeheizten Debatte über den Islam und Muslime sei die Forderung nach einem Burkaverbot kontraproduktiv. Die Burkadebatte stehe stellvertretend für eine anti-muslimische Haltung und fördere eher den rechten Rand. „Die CDU sollte sich in naher Zukunft ernsthaft drüber Gedanke machen, wofür sie noch steht“, so Kesici weiter.

„Ihr müsst mir helfen“

Der CDU-Parteitag in Essen stand bereits ganz im Zeichen der kommenden Bundestagswahl. Der Bundeskanzlerin gelang es, den noch verbliebenen Unmut in der eigenen Partei zu besänftigen. Sie appellierte an die Delegierten, sie zu unterstützten: „Ihr müsst mir helfen“, so die CDU-Chefin. Erstmals wird sich die Union mit der AfD einer starken rechtspopulistischen Partei erwehren müssen. Zunächst allerdings dürfte der Hauptgegner, das machten viele Redner deutlich, eine mögliche Rot-Rot-Grüne Regierung sein.

Mit Blick auf die AfD wendet sich die CDU in ihrem Beschluss gegen Populismus, Abschottung und die Spaltung der Gesellschaft. Dem stellt sie ein Verständnis der CDU als Wertepartei auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes entgegen. Zugleich hebt der Antrag die nationale Identität hervor, „ohne Überheblichkeit und Ausgrenzung“.

Der schwierigste Wahlkampf

Merkel stimmte ihre Partei auf den „schwersten Wahlkampf seit der Wiedervereinigung“ ein. Einen Vorgeschmack bot der überraschende und zugleich knappe Beschluss der Delegierten, den Kompromiss mit der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft zu kippen.

Der Parteitag forderte desweiteren eine deutliche Abgrenzung zu einem konservativen Islam. „Burka und andere Vollverschleierungen passen nicht zu unserem Land und unserer freiheitlichen Kultur“, heißt es im Beschluss; dies widerspreche dem „gesellschaftlichen Konsens“. Neben dem Verbot der Vollverschleierung wollen die Christdemokraten auch Kinderehen grundsätzlich untersagen und schärfer gegen Hassprediger vorgehen.

Doppelpass entspricht Pluralität in Europa

Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den Doppelpass-Beschluss des CDU-Parteitages kritisiert. „Der Parteitagsbeschluss ist ein fatales Signal für die Betroffenen und das Gegenteil von verlässlicher Politik. Wir bedauern das“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek am Donnerstag.

„Mit solch einem Signal stärken wir jene, die keine Antwort auf den Wandel haben, sondern nur Angst, sowie die Instrumentalisierer dieser Angst“, sagte Mazyek. Der Doppelpass entspreche vielmehr der Mehrsprachigkeit und Pluralität in Europa. (KNA, dpa, iQ)

Leserkommentare

Andreas sagt:
Das passt aber nicht wirklich zusamen, dass die CDU ihr konservatives Profil stärken will, dies aber Muslimen nicht zugesteht. Konservatives Christentum ist gut und konservativer Islam ist böse? Und weshalb will die CDU Kinderehen untersagen? Ich dachte, die wären in Deutschland eh schon verboten. Wieso denn etwas untersagen, das bereits verboten ist?
09.12.16
23:21
Manuel sagt:
Entweder ich bin Deutscher oder Türke? Also man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Außerdem haben sich auch Moslems unserem liberal-säkularen System anzupassen und nicht ständig wir ihren mittelalterlich-islamischen aus deren Herkunftsländern.
10.12.16
9:50
Andreas sagt:
Natürlich kann jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit haben. Ein Problem würde sich erst ergeben, wenn Deutschland mit der Türkei im Krieg wäre. Was die dopelte Staatsangehörigkeit allerdings mit dem "mittelalterlich-islamischen System der Herkunftsländer" zu tun hat und weshalb sie einem "liberal-säkularen System" entgegenstehen soll, erschließt sich mir nicht.
13.12.16
9:57
Manuel sagt:
@Andreas: Achso, was läuft den gerade in der Türkei, die Rückkehr in einen mittelalterlichen Gottesstaat, also müssen sich die Türken endlich mal entscheiden.
13.12.16
13:21