Baden-Württemberg

Kompromiss zum Thema religiöse Kleidung im Gericht naht

Richterinnen mit Kopftuch soll es in Baden-Württemberg nicht geben. Nach langem Tauziehen zeichnet sich ein Kompromiss von Grünen und CDU bei einem kontroversen Thema ab.

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Symbolbild: Bundesverwaltungsgericht in Leipzig © Polybert49 auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Der Koalitionsstreit zum Umgang mit religiös besetzen Kleidungsstücken im Gerichtssaal ist so gut wie beigelegt. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Stuttgart, für hauptamtliche Richter und Staatsanwälte solle das Tragen von religiösen Symbolen wegen der Neutralitätspflicht der Justiz ausgeschlossen sein. Für andere Gruppen, darunter Schöffen, Rechtspfleger und Protokollanten, solle das Verbot aber nicht gelten, sagte Schwarz. 

Justizminister Guido Wolf (CDU) signalisierte Zustimmung: „Das Entscheidende ist für mich, dass es in Baden-Württemberg keine Richter und Staatsanwälte mit religiösen Symbolen gibt.“ CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, er begrüße, dass sich die Grünen sich in der Sache doch noch bewegten. „Daher sehe ich eine gute Chance, dass wir einen Kompromiss beim Verbot religiös besetzter Kleidungsstücke im Gerichtssaal vereinbaren und umsetzen können.“

„Wir meinen, dass wir damit eine pragmatische Lösung haben“, sagte Schwarz. Den Vorschlag wollen die Grünen am Dienstag mit der CDU im Koalitionsausschuss diskutieren. Bislang war sich die Koalition bei dem Thema nicht einig geworden. Justizminister Wolf hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, weil aus seiner Sicht etwa das Tragen von Kopftüchern im Gerichtssaal gegen das Neutralitätsprinzip der Justiz spricht. Einige Grüne hatten aber bezweifelt, dass es überhaupt einen Regelungsbedarf gibt. Es geht bei der Diskussion um alle deutlich sichtbaren religiösen Symbole, zum Beispiel auch die jüdische Kippa.

Minister Wolf sagte zu dem sich abzeichnenden Kompromiss: „Wenn wir uns am Ende darauf verständigen sollten, ist klar: In Baden-Württemberg wird es keine Berufsrichter oder Staatsanwälte mit religiösen Symbolen wie zum Beispiel Kopftuch geben.“ Baden-Württemberg werde dann das erste Land sein, dass dies klar und eindeutig verbiete. „Objektivität und Neutralität der Justiz sind ein hohes Gut, das es zu bewahren gilt. Für Ehrenamtliche müssten dann im Einzelfall Befangenheitsregelungen geprüft werden.“

Grünen-Fraktionschef Schwarz verwies darauf, dass Schöffen, also ehrenamtliche Richter, die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit repräsentierten. Daher sollen sie von dem Verbot, religiös besetzte Kleidungsstücke zu tragen, ausgenommen werden. 

Für die FDP ist der Kompromissvorschlag aber weder logisch begründet noch sinnvoll. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Rechtsexperte Nico Weinmann teilten mit: „Das prinzipielle Verbot religiöser Kleidungsstücke vor Gericht hat nur dann einen Sinn, wenn es konsequent umgesetzt wird und für alle Personen, die bei Gericht tätig sind, verbindlichen Charakter besitzt.“ (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Staatliche Gerichte stehen über den Religionen. Das ist ein hohes Gut. Wer der Meinung ist, dass er/sie seine Religion unbedingt immer sichtbar machen muss, disqualifiziert sich selbst für eine Tätigkeit in der Justiz. Nicht der säkuläre Staat hat sich an die religiösen Befindlichkeiten einzelner anzupassen, sondern umgekehrt, die staatlichen Spielregeln haben ohne Extrawürste für alle zu gelten. Das gebietet die Gleichheit vor dem Gesetz.
11.12.16
9:51
Johannes Disch sagt:
Demokratie lebt vom Kompromiss. Das ist das Wesen der Demokratie. Und die Lösung von BW ist ein guter Kompromiss.
12.12.16
14:30
Kritika sagt:
L.S. Das Wesen der Demokratie ist nicht, dass irgendein religöser Mini-Schwanz mit einem grossen Demokratischen Hund wedelt. Die unabhängigen Deutschen Gerichte müssen frei sein von Lobby-Symbolen, jeder Art, inclusive religieuse Symbole. Also Kippafrei, Kreuzfrei, Kopftuchfrei. In diesem Sinne ist die BW-Regelung ein Rückschritt. Gruss, Kritika
12.12.16
21:40
Ute Fabel sagt:
Wenn für sie das Neutralitätsprinzip tatsächlichnicht geltend sollte, würde ich mich freuen, wenn ungläubige Schöffen, Rechtspfleger und Protokollanten zum Zeichen der Vielfalt auch den Mut aufbringen Ihren Unglauben durch Ansteckbottons und Shirts im Dienst sichtbar zu machen.
13.12.16
8:57
Andreas sagt:
Islamgegner fordern vom Staat ständig, dass er sich ihren Befindlichkeiten anpassen soll. Muslime fordern hingegen lediglich ihr Recht auf freie Religionsausübung ein. Die Religion des Säkularismus scheint mir ohnehin eon nichtgangbarer Weg zu sein. Man kann den Menschen nicht von seiner Religion trennen. Man kann lediglich einen Rahmen setzen, dass der Staat sich nicht in die Belange der Religionsgemeinschaften einmischt und umgekehrt die Religionsgemeibschaften in der Politik nicht die Fäden ziehen.
13.12.16
9:51
Manuel sagt:
@Andreas: Religion hat im Staate nichts zu suchen und vor Gericht schon mal gar nicht, das ist eines der Grundprinzipien des Säkularismus, aber Sie wollen offenbar wieder zum mittelalterlichen Religionsstaat zurück.
13.12.16
10:47
Manuel sagt:
@Andreas: Wenn Sie so verliebt in den Islam sind, dass Sie jeden der die Probleme mit dem Islam aufzeigt und deren tiefmittelalterliche Gesellschaftsordnung/Frauenbild sofort als Islamgegner diffamieren müssen, wieso gehen Sie den nicht in ein islamisches Land Ihrer Wahl, dort können Sie dann jeden Tag den Islam bei der Arbeit erleben.
13.12.16
10:54
Ute Fabel sagt:
@Andreas: Religionsausübung ist in der Freizeit geschützt, aber sie stellt keinen Anspruch von Beamten innerhalb von staatlichen Gerichtsgebäuden dar. Ebenso bezieht sich Ausübung der geschützten politschen Freiheitsrechte auf das Privatleben. Ein Grundrecht auf sichtbare politische Aktivitäten innerhalt der Justiz gibt es ebenfalls nicht. Unsere Rechtsordnung kennt auch einen Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung. Daraus lässt sich jedoch ebenfalls nicht ableiten, dass man seine sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit oder in staatlichen Gebäuden nach Belieben ausleben kann.
13.12.16
12:26
Andreas sagt:
@Manuel: Ich habe nie gesagt, dass ich einen mitelalterlichen Religionsstaat möchte. Ich möchte eine freiheitliche Gesellschaft, in der jeder frei seine Religion ausüben kann, solange er dabei nicht die Rechte anderer verletzt. Unser Grundgesetz bietet das. Lediglich Leute wie sie wollen das nicht akzeptieren. Im übrigen nenne ich niemanden, der lediglich Probleme aufzeigt, einen Islamgegner, sondern jemanden, der den Muslimen ihre Rechte verwehren will, bezeichne ich als Islamgegner.
13.12.16
17:03