Islam und Demokratie

Muslime genauso demokratisch wie Christen

Laut dem Münchner Theologen Michael Seewald entscheide sich die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie auf der individuellen Haltung von Muslimen zur Welt.

20
12
2016
Symbolbild: Muslime und Christen © Izzedine Elzir/facebook

Der Münchner Theologe Michael Seewald wendet sich gegen die Behauptung, dass Muslime ein generelles Problem mit der Anerkennung von Demokratie haben. Hierbei gelte es zu unterscheiden zwischen der Tradition des Islam und der religiösen Identität des Einzelnen, schreibt Seewald in einem Gastbeitrag der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag). Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie entscheide sich nicht auf dem Boden der „reinen Lehre“, wie sie in Koran und Scharia niedergelegt sei, sondern auf der Ebene der individuellen Haltung von Muslimen zur Welt, in der sie leben.

Dogmatische Bekenntnistradition und religiöse Identität stünden in einer Spannung zueinander, so der katholische Theologe, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität lehrt sowie als Lehrstuhlvertreter für Dogmatik an der Universität Bonn. Werde diese Spannung radikal aufgelöst, „erfolgt entweder der Abschied von der Religion, die angesichts der Welt nicht mehr kohärent erscheint, oder der Abschied von der Welt, die als so gottwidrig wahrgenommen wird, dass man keine Kompromisse mit ihr eingehen kann. Wird die Spannung jedoch austariert, setzt sich eine Dialektik in Gang, die religiöse Identitäten fortentwickelt.“

Das Verhältnis von Religion und säkularer Demokratie sei nicht von vornherein freundschaftlich. Dies sage aber wenig über das Verhältnis gläubiger Menschen, Christen wie Muslimen, zum demokratischen Staat aus. Die säkulare Demokratie verdanke dem Christentum zwar viel, habe sich aber meist gegen den Widerstand der Kirchen durchgesetzt. So habe die katholische Kirche erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu einer positiven Haltung zur Religionsfreiheit gefunden.

Der deutsche Staat könne Muslimen keine demokratiefreundliche Einstellung verordnen. Es spreche aber nichts dagegen, dass muslimische Neuankömmlinge im religionsfreundlichen Klima der Bundesrepublik ebenso wie Christen eine religiöse Identität entwickeln könnten, die Demokratie bejaht. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Moni sagt:
Soweit die Theorie. Ein Blick in die muslimischen Länder zeigt ein anderes Bild.
21.12.16
16:49
Manuel sagt:
Ich lese die Zeilen, aber mir fehlt der Glaube, wenn ich mir die islamische Welt ansehe, sehe ich fast kein demokratisches säkulares Land, in dem der Islam die Mehrheit hat, selbst die Türkei und Indonesien geht in Richtung islamischer Staat.
21.12.16
18:12
Johannes Disch sagt:
@Moni Es geht nicht um die muslimischen Länder. Was dort passiert, das können wir nur schwer beeinflussen. Zudem zeigt ihr Satz den (allerdings beliebten) Kurzschluß alle Probleme muslimischer Länder der Religion (des Islam) anzulasten. Es geht um die Muslime, die bei uns leben. Und von denen verhalten sich die meisten absolut korrekt.
22.12.16
6:14
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Sorry, aber so einfach ist das nicht, wieso schafft es kein Land, in dem der Islam die Mehrheit hat, eine säkular-liberale Demokratie herauszubilden? Außerdem werden unsere Moscheen und Islamverbände aus genau diesem Ausland finanziert, dass sollten wir bitte schön auch nicht vergessen.
22.12.16
11:32
Johannes Disch sagt:
@Manuel Die Probleme in der islamischen Welt sind in erster Linie politischer und sozio-ökonomischer Natur und nicht religiöser. Viele hier in Deutschland haben es sich aber leider angewöhnt, alles, was in der islamischen Welt schief läuft, "Dem Islam" anzulasten. Das ist eine Verkürzung, eine Verkürzung und eine Vereinfachung komplexer Probleme. Trotz aller augenblicklich bedenklichen autoritären Entwicklungen: Die Türkei ist ein laizistische Demokratie. Dass die Moscheen und Islamverbände aus dem Ausland finanziert werden, bedeutet nicht automatisch, dass sie fundamentalistisch und antidemokratisch sind. Die DITIB ist nach deutschem Vereinsrecht organisiert. Und die DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde "Diyanet." Und diese ist kein verlängerter Arm der AKP, sondern untersteht der türkischen Regierung. Und diese stellt in der Türkei im Moment die AKP.
22.12.16
15:48
Moni sagt:
Es ist eher ein Kurzschluss, wenn immer wieder behauptet wird, die diktatorischen Verhältnisse in muslimischen Ländern hätten nichts mit dem Islam zu tun. Mir ist egal, ob ein Land säkular ist, dieser Religion gehöre ich nicht an. Aber viel Demokratie sehe ich in muslimischen Ländern nicht. Und selbst wenn man mal so tut, als ginge es nur um die Muslime in Deutschland kommt man nicht um die muslimischen Länder herum. Denn fast alle Muslime, die hier leben, haben noch feste Bindungen zu ihren Herkunftsländern, werden also auch von den dortigen Verhältnissen geprägt. Nimmt man einmal den größten Verband, die DITIB, die Muslime der größten Gruppe vertritt, nämlich der Türken, kommt man nicht umhin einzusehen, dass dieser Verband voll von der Türkei abhängig ist. Sämtliche Imame kommen aus der Türkei und werden auch von dort bezahlt. Zudem ist der Vorsitzende der DITIB ein Vertreter der türkischen Religionsbehörde. Man kann also die Muslime in Deutschland nicht losgelöst von den muslimischen Ländern betrachten. Und dort sieht es nun einmal schaurig aus. Von Demokratie keine Spur.
22.12.16
16:06
Johannes Disch sagt:
@Moni Viel Demokratie sehen Sie in muslimischen Ländern nicht?? Die Beobachtung ist richtig. Und danach kommt die Analyse. Woran liegt das? An der Religion (des Islam)? Oder an anderen Ursachen?
23.12.16
3:25
Manuel sagt:
@Johannes Disch: An beiden, der Dogmatismus im Islam trägt kaum zur Entwicklung und Innovation bei!
23.12.16
12:07