Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Dr. Peter Frankopan und sein Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“.
IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“ gerne schenken und warum?
Peter Frankopan: Ich würde das Buch eigentlich sehr vielen Menschen schenken wollen, weil ich mit meinem Buch eine bessere Erklärung für die Vergangenheit liefern möchte, als diejenigen die wir zu lesen gewohnt sind. Als Historiker kann ich nur drauf hoffen, etwas zu erklären, weniger darauf hoffen, etwas zu verändern. Mir schien es wichtig, verständlich zu machen, dass sich die Welt in einer Phase der Veränderung befindet, die weder ungewöhnlich noch beängstigend ist. Wichtig ist, dass wir lernen uns anzupassen. Ich glaube, Wissen ist zentral für die Entwicklung von Tugend und Mitgefühl. Wir müssen auf unseren Verstand hören, nicht auf unsere Herzen. Dies wird nur durch eine gute Bildung erreicht.
IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?
Frankopan: Weil wir in einer Welt leben, in der es viele laute, eindringliche und überzeugende Stimmen gibt. Da ist es sehr schwer, herauszufinden, wem man glauben und vertrauen kann. Außerdem buhlen eine Menge von Themen um unsere Aufmerksamkeit: von Religion bis Russland, vom Iran bis China, von Trump zum Brexit, von Migration zu Identität. Um all diese Themen angemessen und richtig zu verstehen, erfordert es ein Verständnis für die Zusammenhänge. Wissenschaftler haben daher nicht nur die Aufgabe, aktuelle Ereignisse zu erklären. Sie müssen auch Lösungswege aufzeigen.
In meinem Buch geht es unter anderem darum, dass Toleranz und Respekt mit Wohlstand einhergeht. Regierungen, politische sowie religiöse Führungspersonen und alle, die in hohen Positionen sitzen, müssen das begreifen. Aber nur sehr wenige tun es, glaube ich.
IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?
Frankopan: Wir Menschen sind hochinteressante Wesen. Dank unserer Kommunikationsfähigkeit, unserem Interesse an Ideen und unserer unbändigen Neugier – sei es in Bezug auf Nahrung, das TV-Programm oder das Studieren alter Texte – unterscheiden wir uns von allen anderen Tierarten. Gute Bücher erinnern uns an unsere Sterblichkeit, daran, wie viel wir noch zu lernen haben. Sie helfen uns, unsere Umgebung besser zu verstehen. Und sie ermahnen uns dazu, unsere Mitmenschen mit Anstand und Respekt zu behandeln.
Die großen Weltreligionen lehren uns, dass wir alle von Gott erschaffen wurden. Diejenigen, die meinen, begünstigt zu sein, sollen sich glücklich schätzen. Ihre Freude sollte sich in Mitgefühl und Güte gegenüber jenen ausdrücken, die ihrer Ansicht nach weniger begünstigt sind, nicht in der furchtbaren Art der Behandlung, zu der einige gegenüber Andersgläubigen oder Angehörigen anderer Kulturen berechtigt zu sein glaubten. Güte bringt die Seele zum Klingen. Sie wird im diesseitigen wie im jenseitigen Leben belohnt. Daran können uns gute Bücher erinnern.
IslamiQ: Ihr Buch „Licht aus dem Osten-eine neue Geschichte der Welt“ in drei Wörtern zusammengefasst?
Frankopan: Veränderung ist normal.
IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: In Ihrem Buch schreiben Sie darüber, dass sich die Weltpolitik in dem Nahen Osten abspielt. Auch die drei monotheistischen Religionen sind in dieser Region entstanden. Wie erklären Sie dieses Phänomen?
Frankopan: Nicht nur die drei großen monotheistischen Religionen. Auch der Zoroastrismus, der Buddhismus, der Hinduismus ebenso wie animistische Lehren konkurrierten und verbreiteten sich entlang der Seidenstraße. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wo Leute miteinander in Kontakt kommen, wollen sie normalerweise erzählen, zuhören und lernen. Austausch regt neue Ideen und Erkenntnisse an. Er erlaubt nicht nur die Verbreitung von Vorstellungen über das Göttliche, sondern auch die Weitergabe von Waren, Sprachen, Kleidungsstilen, Pflanzen und Tieren, ja sogar die Übertragung von Krankheiten.
Die Region, über die ich schreibe, ist wie das Herz, das über Venen und Arterien – die Handelsstraßen – mit dem Rest des Körpers verbunden ist. Es ist wenig überraschend, dass sie alle dorthin zurückführen, wovon sich Menschen seit alters her angezogen fühlten.