Rumänien

Doch keine muslimische Regierungschefin

Es wäre eine kleine Sensation gewesen: eine Muslima als erste Regierungschefin des orthodox geprägten postkommunistischen Rumänien. Das Veto von Staatspräsident Johannis lässt das EU-Land ratloser, als es schon ist.

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2016
Sevil Shhaideh verpasste Sensation als erste muslimische Regierungschefin Rumäniens © Facebook

Superlative hätte sie ins Amt mitgebracht: erste Muslima als Regierungschefin eines EU-Mitgliedstaates; erste Frau an der Spitze eines rumänischen Kabinetts. Doch am Dienstag hat Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis einer Ministerpräsidentin Sevil Shhaideh eine Absage erteilt – zunächst ohne Angabe von Gründen. Nun ist guter Rat teuer. Der bürgerliche Präsident und der postkommunistische Wahlsieger drohen sich zu blockieren.

Mitte Dezember hatte die nominell sozialdemokratische PSD bei den Parlamentswahlen einen Erdrutschsieg gelandet – und das, obwohl praktisch die gesamte Parteielite wegen Wahlfälschung, Korruption oder anderer Delikte in der Vergangenheit vorbestraft ist oder juristisch belangt wurde.

Präsident Johannis war vor zwei Jahren als bürgerlicher Außenseiter-Kandidat mit dem Versprechen angetreten, die grassierende Korruption zu bekämpfen. Der heute 57-Jährige, Mitglied der deutschstämmigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen und zuvor Bürgermeister der Provinzstadt Sibiu (Hermannstadt), war Hoffnungsträger derer, die den lauten und unsauberen Politikstil der bisherigen rumänischen Eliten nicht mehr wollten.

Johannis‘ Problem: Nach seinem Triumph über den skandalträchtigen PSD-Ministerpräsidenten Victor Ponta und dessen Rücktritt Ende 2015 hat das von ihm berufene Experten-Kabinett unter dem parteilosen Ingenieur Dacian Ciolos nur wenig bewirken können. Zudem zerfleischte sich Johannis‘ liberale Partei PNL zuletzt in internen Streitigkeiten selbst. Während die Postkommunisten ihre vor allem auf dem Land treue Stammwählerschaft mobilisieren konnten, blieben die Anhänger eines Politikwechsels desillusioniert den Urnen fern.

Johannis‘ eindringlicher Aufruf zur Stimmabgabe verhallte – und so erhielt die PSD eine absolute Mehrheit. Damit könnten sie womöglich auch die vom Präsidenten durchgesetzte Stärkung der Antikorruptionsbehörde DNA bald wieder kippen. Immerhin kündigte Johannis an, niemanden ins Amt zu lassen, der mit dem Gesetz in Konflikt steht.

Nachdem damit PSD-Chef Liviu Dragnea selbst als künftiger Ministerpräsident ausfiel – er ist wegen Wahlfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt -, zauberte der 54-Jährige die bislang weitgehend unbeschriebene Sevil Shhaideh als Kandidatin aus dem Hut.

Religionszugehörigkeit kein Veto-Grund

Die Diplom-Informatikerin gehört zur kleinen Minderheit der muslimischen Tataren in Rumänien, deren rund 25.000 Mitglieder vor allem in der Dobrudscha-Region um die Schwarzmeerstadt Constanta (deutsch Konstanza) ansässig sind. Die 52-Jährige diente Dragnea in der Regierung Ponta als Staatssekretärin im Ministerium für Regionalentwicklung – und wurde nach Dragneas Rücktritt für fünf Monate dessen Nachfolgerin. Sie war die erste rumänische Ministerin, die ihren Amtseid auf den Koran ablegte.

Aus Oppositionskreisen waren in den vergangenen Tagen Befürchtungen zu hören, Shhaideh könnte als Marionette für Dragnea fungieren. Der Parteichef war ihr Trauzeuge, als sie 2011 den syrischen Geschäftsmann Akram Shhaideh heiratete. Dieser wiederum soll wiederholt seine Sympathie für Syriens Machthaber Baschar al-Assad und für die prosyrische Hisbollah im Libanon bekundet haben. Ob das freilich den Ausschlag für die Ablehnung Shhaidehs als Ministerpräsidentin gegeben haben könnte, ist Spekulation. Ihre Religionszugehörigkeit jedenfalls war in den vergangenen Tagen im orthodox geprägten Rumänien kein größeres Thema.

Erneute Regierungskrise droht

Dem EU-Land Rumänien droht nach Johannis‘ überraschendem Veto nun erneut eine Regierungskrise. Dragneas Sozialdemokraten hatten im Vorfeld angekündigt, sie würden eine Ablehnung ihres Kandidaten durch den Präsidenten nicht hinnehmen. Dieser Ernstfall ist nun da. Johannis selbst rief die Koalitionspartner PSD und ALDE (Liberaldemokraten, Wahlergebnis 6 Prozent) lediglich auf, einen neuen Vorschlag zu machen. Auf dieses Spiel dürfte sich der düpierte Wahlsieger Dragnea nicht einlassen.

Allemal nützlich wäre, wenn Johannis seine Entscheidung nachvollziehbar vermitteln würde. Doch der kreuzseriöse Sachse ist in seiner Kommunikation eher spröde als geschmeidig. Mit einer Ablehnung ohne Begründung dürfte er seinem eigenen politischen Anliegen einen Bärendienst erweisen. (KNA, iQ)

Leserkommentare

vercingetorix sagt:
Die Frau könnte ja zur rumänischen Orthodoxie konvertieren. Und schon könnte sie Ministerpräsidentin werden! Dass die Rumänen keine türkische Muslima als Regierungschefin wollen, wer könnte ihnen das verdenken, nach all den Jahren Krieg und Zerstörung durch das muslimische Osmanische Reich in dieser Gegend Europas!
30.12.16
14:25