Sachsen steht am Pranger. Ausländerfeindliche Gewalt und rechte Populisten haben das Image des Landes ramponiert. Ministerpräsident Tillich sieht den Ruf von einer Minderheit in den Dreck gezogen.
2016 war kein glückliches Jahr für Sachsen. Ausländerfeindliche Anschläge, rechte Krawalle und übelste Verbal-Attacken von Pegida-Anhängern auf die höchsten Repräsentanten des Staates haben den Ruf nachhaltig beschädigt. Nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, auch Unternehmen sorgen sich, dass sich das rechte Image als negativer Standortfaktor auswirken könnte – trotz guter wirtschaftlicher Lage. „Es ist richtig: Es hat bei uns eine hässliche Minderheit gegeben, die diesen Ruf und Fleiß der Mehrheit der Sachsen in den Dreck gezogen hat. Es ist eine bittere Lehre des Jahres 2016, dass wir so etwas in unserem Land haben“, konstatiert Ministerpräsident Stanislaw Tillich.
Kein anderes Bundesland stand 2016 auch medial so am Pranger. Als es im Oktober – wenige Tage nach den Pegida-Krawallen bei der zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden – auch noch zu Pannen bei der Festnahme des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in Chemnitz kommt und sich der 22-jährige Syrer kurze Zeit später in Leipzig in der Untersuchungshaft erhängt, ist gar von „Staatsversagen“ und „Bananenrepublik“ die Rede.
„In der Pauschalität war das nicht angemessen“, sagt Tillich, dessen CDU Sachsen seit der Wiedervereinigung regiert. 2016 sei „ein Jahr mit Licht und Schatten“ gewesen. „Der Schatten hat die Wahrnehmung dominiert. Ich wünsche mir, dass das Licht wieder stärker wird. Ich wünsche mir, dass man von Sachsen das wahrnimmt, was die übergroße Mehrheit leistet.“ Der 57-Jährige verweist auf „eine Vielzahl von Menschen“, die sich „einerseits dafür einsetzen, dass Staat und Gesellschaft funktionieren und die sich andererseits darum gekümmert haben, dass die Flüchtlinge bei uns aufgenommen werden.“
Wie die Sachsen zu Fremden und zur Demokratie stehen, hat die Staatsregierung 2016 erstmals vom Meinungsforschungsinstituts dimap untersuchen lassen. Der im Herbst vorgelegte „Sachsen-Monitor“ offenbart, dass eine Mehrheit Deutschland für „in einem gefährlichen Maß überfremdet“ hält. 62 Prozent waren der Meinung, dass Deutschland eine „starke Partei“ brauche, die „die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“. Fast jeder fünfte Sachse (18 Prozent) glaubt, dass Deutsche „anderen Völkern von Natur aus überlegen“ sind.
Diese Einstellungen spiegeln sich auch in Wahlumfragen wider, in denen die AfD in Sachsen derzeit bei rund 25 Prozent liegt – als zweitstärkste Kraft hinter Tillichs CDU. Die Mehrheit seiner schwarz-roten Koalition wäre damit dahin.
„Die Zahlen drücken einen Frust aus, Protest“, sagt Tillich. Populisten seien deshalb auf dem Vormarsch. „Wir haben eine Situation, die sich nicht auf Sachsen und Deutschland allein beschränkt. Überall in der Welt und überall in Europa hat die Anzahl der Populisten zugenommen.“ Grund sei die Flüchtlingskrise. Die Bürger hätten Europa nicht als besonders handlungsfähig wahrgenommen. „Sie haben gespürt, welche Auswirkungen es hat, wenn eine Schengen-Grenze nicht sicher ist, und welche Folgen das für alle hat.“
Das schwindende Vertrauen in die Politik sei auf „ein Defizit zwischen Ankündigung und Einlösen“ zurückzuführen. „Die Leute wollen, dass das Recht durchgesetzt wird. Wenn das nicht erfolgt, entsteht Frust.“ Die Bürger wünschten sich allumfassende Sicherheit. „Sie neigen nicht per se zu großen Veränderungen. Gerade im Osten Deutschlands haben die Menschen nach 1990 viele Veränderungen durchgemacht.“
Tillich setzt dabei im neuen Jahr auf einen verstärkten Dialog mit den Unzufriedenen. „Wir möchten mit den verschiedensten Gruppen ins Gespräch kommen und das aufnehmen, was sie bewegt. Ich bin überzeugt, das sind nicht immer die großen Dinge dieser Welt, sondern viele Kleinigkeiten, die die Menschen ärgern.“ Er glaube noch immer fest daran, „dass es unter den Protestwählern viele Menschen gibt, die man für die Volksparteien zurückgewinnen kann.“ (dpa, iQ)