2016

Merkel verteidigt Flüchtlingspolitik und ruft zu Solidarität auf

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik verteidigt. Zugleich rief sie am Samstag in ihrer Neujahrsansprache zu Zusammenhalt in der Gesellschaft und zu Solidarität in Europa auf.

31
12
2016
0
In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die EU sei keine Sozialunion. Kritiker aus verschiedenen Lagern werfen der Bundeskanzlerin seitdem vor, rechtspopulistische Ressentiments aufzugreifen und selbst zu schüren. Schließlich hatten die rechtsextreme NPD ("Wir sind nicht das Sozialamt der Welt.") und die als rechtspopulistisch geltende AfD ("Wir sind nicht das Weltsozialamt.") ähnliche Slogans im Wahlkampf benutzt. Nun hat sich auch der Vorsitzende des Interkulturellen Rates, Jürgen Micksch, kritisch zu den Äußerungen der Bundeskanzlerin zu Wort gemeldet. Micksch bezeichnete es als "Wahlhilfe für Rechtspopulisten", wenn die Bundeskanzlerin sage: "Wir wollen Hartz IV nicht für EU-Bürger zahlen, die sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten". Merkel verschweige, dass eine angebliche Zuwanderung in die Sozialsysteme kaum stattfinde. Frieden wird gefährdet "Europaweit greifen Regierungen die Argumentationen von Rechtspopulisten auf, deren gemeinsamer Kern rassistische Einstellungen sind. Das stärkt den Rassismus in der Bevölkerung. Der Frieden in unserer Gesellschaft und in den europäischen Ländern wird dadurch gefährdet. Aufgabe verantwortlicher Politik ist die kritische Auseinandersetzung mit rassistischer Stimmungsmache", so Jürgen Micksch. Nach den Wahlen werde es eine der wichtigsten Herausforderungen für das Europäische Parlament sein, europäische und nationale Programme gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf den Weg zu bringen. Dankbar sei der Interkulturelle Rat dem Bundespräsidenten, der die Einwanderung befürworte und dazu anrege, nicht mehr von "wir und denen" zu reden. CSU macht Wahlkampf gegen Türken Unterdessen ist die CDU-Schwesterpartei CSU, die bereits mit dem Slogan "Wer betrügt, fliegt." für Schlagzeilen gesorgt hatte, mit einer neuen Aktion auffällig geworden. Die CSU beklebt derzeit ihre Europaplakate mit gelben Bannern, auf denen draufsteht: "Türkei-Beitritt verhindern!". Damit übernimmt die CSU weitere Slogans und Positionen von rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien.
CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel © Foto: Alexander Kurz, Lizenz: CC-BY-SA-3.0, bearbeitet IslamiQ

Als aktuell „schwerste Prüfung“ bezeichnete Merkel den Terrorismus, der auch Deutsche seit vielen Jahren im Visier habe. Sie erinnerte an die Anschläge in Würzburg, Ansbach und am Weihnachtsmarkt an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Es sei „besonders bitter und widerwärtig, wenn Terroranschläge von Menschen begangen werden, die in unserem Land angeblich Schutz suchen“, so die Kanzlerin weiter – „die genau deshalb die Hilfsbereitschaft unseres Landes erlebt haben und diese nun mit ihren Taten verhöhnen“. Genauso verhöhnten sie jene, „die tatsächlich unseren Schutz brauchen und verdienen“.

Die einzige Antwort an die Adresse der Terroristen könne nur lauten: „Sie sind Mörder voller Hass, aber wie wir leben und leben wollen, das bestimmen nicht Sie. Wir sind frei, mitmenschlich, offen.“ Genau aus diesem Grund und mit Blick etwa auf die Bilder aus der zerbombten syrischen Stadt Aleppo bleibe es „wichtig und richtig“, dass Deutschland auch 2016 jenen geholfen habe, „die tatsächlich unseren Schutz brauchen“, so Merkel.

Zugleich warnte die Kanzlerin davor, sich von Europa und den demokratischen Werten zu verabschieden. „Ja, Europa ist langsam. Es ist mühsam. Es hat tiefe Einschnitte wie den Austritt eines Mitgliedsstaats hinzunehmen“, sagte Merkel mit Blick auf die bevorstehenden Austrittsverhandlungen mit Großbritannien. „Und – ja – Europa sollte sich auf das konzentrieren, was es wirklich besser kann als der nationale Staat. Aber nein – wir Deutschen sollten uns niemals vorgaukeln lassen, eine glückliche Zukunft könnte je im nationalen Alleingang liegen.“

Die im Herbst 2017 anstehenden Bundestagswahlen böten Gelegenheit für politische Auseinandersetzungen, bei denen über vieles leidenschaftlich gestritten werden könne, sagte die CDU-Politikerin. Aber die Vertreter aller Parteien sollten nie vergessen, „dass es eine Ehre ist, unserer Demokratie und damit den Menschen zu dienen“. Die Kanzlerin schloss mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien von Herzen ein frohes neues Jahr, Glück, Gesundheit und Gottes Segen.“

Das Erste zeigt die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin um 20.10 Uhr im Anschluss an die Tagesschau. Im ZDF ist die Ansprache bereits um 19.15 Uhr nach den heute-Nachrichten zu sehen. (KNA, iQ)