Diskriminierung

Lehrerin mit Kopftuch will Schadensersatz

Eine Lehrerin aus Osnabrück verklagt die Landesschulbehörde auf Schadensersatz, weil sie 2013 eine Absage aufgrund ihres Kopftuches erhielt.

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Gesetze und Richterhammer © by Tim Reckmann auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Eine Lehrerin hat die Landesschulbehörde in Niedersachsen auf Schadenersatz verklagt, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht vom Land eingestellt worden ist. Wie das Verwaltungsgericht Osnabrück am Montag mitteilte, will die Frau Entschädigung beziehungsweise Schmerzensgeld haben, weil 2013 die ursprünglich erteilte Einstellungszusage zurückgezogen wurde. Damals war bekanntgeworden, dass die muslimische Pädagogin auch in der Schule ein Kopftuch tragen wollte.

„Im Kern wird es darum gehen, ob die Mitte 2013 zurückgezogene Einstellungszusage diskriminierend war“, sagte Gerichtssprecherin Julia Schrader. Die in Nordrhein-Westfalen lebende Lehrerin sei inzwischen von einer nicht-staatlichen Schule eingestellt worden. Der Fall wird am Mittwoch öffentlich am Verwaltungsgericht Osnabrück verhandelt.

2015 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung geändert und pauschale Kopftuchverbote für Lehrerinnen in Landesgesetzen kassiert. Ein Kopftuchverbot ist demzufolge nur gerechtfertigt, wenn davon eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgeht.

Davor hatte 2003 das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Tragen von Kopftüchern an Schulen nicht ohne hinreichende gesetzliche Grundlage untersagt werden kann. Niedersachsen hatte daraufhin 2004 das Schulgesetz entsprechend geändert. Nach dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil 2015 hatte das Kultusministerium einen Erlass herausgebracht, wonach ohne konkrete Gefahrenlage das Tragen eines Kopftuchs kein Hinderungsgrund für eine Einstellung ist. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: In Österreich gab es schon mehrere Rechtssachen, in welchen sich Burschenschafter eine Diskriminierung geltend gemacht haben. Prominentester Fall ist die gleichbehandlungsrechtliche Schadenersatzklage des FPÖ-Burschenschafters Maximilian Krauss gegen den SPÖ-Bürgermeister von Wien, Michael Häupl. Hinweise auf "konkrete Einzelfallprüfung" und "Betriebsfrieden" bedeutet in Wahrheit sich um eine klare Entscheidung zu drücken und ist ein Zeichen der Feigheit. Soll das etwa heißen, wenn Unterschriften gegen eine Kopftträgerin gesammelt werden, darf sie nicht unterrichten, wenn es keine lautstarken Proteste gibt, dann schon? Mit dem konsequenten optischen Neutralitätsprinzip liegen Unternehmen jedenfalls auf der sicheren Seite. Vielfalt in der Arbeitswelt manifestiert sich durch innere Werte. Dazu braucht es weder Parteiabzeichen noch Religionsuniformien.
26.01.17
7:38
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trägt auf, dass gerade nicht im Einzelfall für jedes religiöse, weltanschauliche oder politische Zeichen in Unternehmen anders entschieden werden darf, sondern dass eine völlig einheitliche Gangart für alle sichtbaren Zeichen der Religion, Weltanschauung, politischer oder sonstiger Anschauung zu wählen ist. Entweder "gleich viel" oder "gleich wenig! Das generelle optische Neutralitätsprinzip ist menschenrechtskonform und in den Urteilen Dogru und Kervanci gegen Frankreich (EGMR-Beschwerden Nr 27058/05 und 31645/04, beide vom 4. 12. 2008) des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein ausdrückliches Gütesiegel erhalen. Ich empfehle es jedem deutschen Unternehmen als diskriminierungsfreie Unternehmensphilosophie.
30.01.17
11:50
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Ihre Ausführungen über das AGG sind falsch. Politische Überzeugungen-- wozu auch politische Grundeinstellungen zählen wie liberal oder kommunistisch, etc.-- sind keine "Weltanschauung" im Sinne des AGG. Das Kopftuch am Arbeitsplatz zu tragen gehört zum Grundrecht auf Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Das ist der Regelfall. Ausnahmen-- also ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz-- sind nur in ganz bestimmten Fällen möglich, die an enge Voraussetzungen geknüpft sind. Und das wird immer am konkreten Einzelfall geprüft. Und in aller Regel hat das Grundrecht auf Religionsfreiheit Vorrang. Das ist die deutsche Rechtslage! Und diese hat hat der EuGH bisher nicht kritisiert. Im Gegenteil: Das AGG kam auf eine Direktive des EuGH zustande. Und immer wieder ihre Beispiele mit Frankreich. Mit Frankreich können Sie nicht argumentieren. Die Ausgangslage in Frankreich ist eine andere. Frankreich ist ein laizistischer Staat. Deutschland hingegen nicht. Der EuGH berücksichtigt auch immer die Kultur und Rechtstradition des einzelnen Nationalstaats. Deswegen gehen Verallgemeinerungen wie "Im Falle Frankreichs wurde vom EuGH dieses und jenes entschieden und das gilt nun auch für alle anderen Länder" in die Irre.
06.02.17
0:46
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Es wäre der Paradefall einer Weltanschauungsdiskriminierung, wenn jemand berufliche Nachteile aufgrund politischer Aktivitäten erleidet. In Wien hatten wir den Fall, dass eine Angestellte einer Werbeagentur gekündigt wurde, weil sie ihrer Chefin mitteilte, dass sie ein Bezirksratsmandat der SPÖ angenommen habe. Sie erhielt Schadenersatz. Wenn eine Firma religiöse sichtbare Zeichen zulässt, wäre es eine Weltanschauungsdiskriminierung, wenn andere Arbeitnehmer hingegen am Tragen von Parteiabzeichen gehindert würden. Das würde Schadenersatzansprüche begründen. Es ist völlig richtig, dass bloße diffuse Sympathien und Haltungen zu Einzelfragen, wie konkret die tatsächliche oder vermutete positive Einstellung zur kommunistischen Regierung Chinas, für die Annahme einer Weltanschauungsdiskriminierung noch nicht ausreichen. Übertragen auf das Kopftuch müsste man dann auch eine Religionsdiskriminierung allerdings verneinen, wenn es nur um die Ablehnung einer Bewerberin wegen ihrer Haltung zu einen Kleidungsstück geht und nicht grundsätzlich um die Religionszugehörigkeit.In meinem Betrieb sind über ein Dutzend praktizierende Muslime und Musliminnen beschäftigt. Allerdings werden generell keine sichtbaren religiösen und weltanschauulichen Zeichen akzeptiert, auch keine Kopftücher.
09.02.17
13:05
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