Studie über „Muslime“

Zum Affen gemacht: Wie eine atheistische Stiftung Stimmung gegen Muslime macht

Die Mehrheit der zukünftigen Lehrer muslimischen Glaubens lehnt die Evolutionstheorie ab. Das zumindest behauptet die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung. Doch die Studie, die das beweisen soll, genügt selbst keinen wissenschaftlichen Standards. Von Fabian Köhler.

17
01
2017
Evolution - Muslime

Wächst an unseren Universitäten eine Generation muslimischer Kreationisten im Lehrergewand heran? Lehren muslimische Pädagogen demnächst, die Entstehung des Menschen durch Lehm und Rippe anstatt durch Mutation und Selektion? Lernen unsere Kinder im Biologieunterricht bald die koranische Schöpfungsgeschichte anstatt der Mendelschen Gesetze?

Diesen Eindruck kann bekommen, wer dieser Tage auf islamfeindlichen Seiten in Sozialen Netzwerken unterwegs ist. Auslöser ist eine Meldung der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung (GBS). „Mehrheit der muslimischen Lehramtsstudenten bestreitet die Evolution“, schrieb diese vergangene Woche auf ihrer Website und viele Medien schrieben ab. Einer Befragung unter Lehramtsstudenten zufolge sollen 60 Prozent der zukünftigen Lehrer muslimischen Glaubens bestreiten, dass der heutige Mensch aus affenartigen Vorfahren hervorgegangen ist“. Sogar 70 Prozent der muslimischen Lehramtsstudenten würden die  Evolutionstheorie gleich ganz ablehnen.

Von einer „bildungspolitischen Katastrophe“ spricht der Vorsitzende der GBS Michael Schmidt-Salomon auf der Website der Stiftung: Wer die Evolutionstheorie ablehne, habe „keinen universitären Abschluss verdient“, schreibt der Philosoph dort und fordert, muslimische Lehramtsstudenten nicht weiter „auf wehrlose Kinder loszulassen“. [https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/muslime-evolution].

Eine aktuelle Studie zu dem Thema gibt es gar nicht

Doch so vehement die GBS die fehlende Wissenschaftsgläubigkeit von muslimischen Studenten beklagt, so wenig genügt die Auswertung ihrer Studie wissenschaftlichen Prinzipien. Als erstes fällt auf: Eine aktuelle Studie zu dem Thema gibt es gar nicht. Die Umfragen, auf die sich die GBS beruft, sind teils schon zehn Jahre alt. Im Jahr 2007 fragten der heutige Professor für Biologiedidaktik an der Uni Gießen und GBS-Mitglied Dittmar Graf und sein türkischer Kollege Haluk Soran Lehramtsstudenten in Dortmund und Ankara nach ihrer Einstellung zur Evolution. Zwei Jahre später wurden die Daten mit der Befragung von 1055 Studenten an den Universitäten Hildesheim, Siegen und Dortmund ergänzt. Das Problem: Muslime befanden sich kaum darunter.

Wenn die GBS nun nach der Wiederentdeckung der Studie behauptet, „die Mehrheit zukünftiger Lehrer muslimischen Glaubens“ lehne die Evolutionstheorie ab, dann meint sie damit 36 Personen. Die These, der Mensch habe affenartige Vorfahren, lehnten in der zweiten Studie 37 muslimische Lehramtsstudenten ab. Eine Stichprobe, die viel zu klein ist, um daraus wissenschaftlich verlässlich auf die Einstellung von Tausenden muslimischen Lehramtsstudenten zu schließen. Zum Vergleich: Sozialwissenschaftlich üblich ist eine Stichprobengröße von 1000 Personen.

Mit „Mehrheit muslimischer Lehramtsstudenten“ meint die gbs 37 Personen

Wie wenig aussagekräftig ein solches Vorgehen ist, lässt sich konkret messen. Mit dem „Standardfehler“ geben Soziologen an, um wie viel Prozent das gemessene Ergebnis vom tatsächlichen abweichen kann. Dabei gilt: Je mehr Leute befragt werden (Stichprobe) und je kleiner die Gruppe ist über die eine Aussage getroffen werden soll (Grundgesamtheit), desto geringer die Abweichung. Wie viele muslimische Lehramtsstudenten es in Deutschland gibt, geht aus der Studie nicht hervor. Geht man vereinfachend davon aus, dass Muslime in Deutschland genauso häufig ein Lehramtsstudium beginnen wie Nicht-Muslime kommt man auf rund 14.000 Lehramtsstudenten muslimischen Glaubens. Setzt man diese Zahl ins Verhältnis zu den tatsächlich befragten rund 66 Muslimen, kommt man auf einen Standardfehler von 12 Prozent. Üblich ist ein Maximalwert von 5 Prozent. Das bedeutet: Wenn die GBS von 59 Prozent muslimischen Lehramtsstudenten schreibt, die daran zweifeln, dass das Mensch von „affenartigen Vorfahren“ abstammen, könnte der tatsächliche Wert im Extremfall auch bei 47 Prozent (-12 Prozent) oder 69 (+ 12 Prozent) liegen.

Antworten, die nicht das Bild vom  wissenschaftsfeindlichen Muslim bestätigten, blieben unbeachtet

So und so viel zu viele und deshalb ist die Abweichung zu vernachlässigen? Nein. Denn nicht bei allen Fragen liegen Muslime und Nicht-Muslime so deutlich auseinander wie bei der Affen-Frage. Doch Antworten, die nicht die These vom besonders wissenschaftsfeindlichen Muslim zu bestätigen, schien die GBS bei ihrer Auswertung kein großes Gewicht beizumessen

Der These „Die Evolutionstheorie ist eine wissenschaftlich anerkannte Theorie“ lehnten beispielsweise neben 41 Prozent der befragten Muslime auch 44 Prozent der evangelischen Freichkirchler ab. In die Überschrift der GBS-Mitteilung schaffte es letztere Gruppe trotz größerer Wissenschaftsskepsis allerdings nicht.  Noch fragwürdiger erscheint, warum die GBS folgender Frage keine Beachtung schenkte: „Die Evolutionstheorie basiert auf Spekulationen und nicht auf stichhaltigen wissenschaftlichen Beobachtungen und Untersuchungen“. Dieser Aussage stimmten 21 Prozent der befragten Muslime zu. Die überwiegende Mehrheit der befragten muslimischen Lehrämtler bekannte sich also zur wissenschaftlichen Belegbarkeit der Evolutionstheorie . Zum Vergleich: Auch 18 Prozent der evangelischen Christen hielten die Evolutionstheorie für Spekulation. Berücksichtigt man die große Fehlerquote, lässt sich auf Basis dieser Frage überhaupt gar kein Unterschied zwischen Christen und Muslimen belegen.

GBS-Chef hält am Bild vom wissenschaftsfeindlichen Muslim fest

Auf Nachfrage hält GBS-Vorsitzender Michael Schmidt Salomon dennoch an der Aussagekraft der Studie fest: „Natürlich wäre es schöner, wenn die Stichprobe größer gewesen wäre.“ Allerdings gehe er nicht davon aus, „dass sich hierdurch an den Größenordnungen viel ändern wird“. Zum Beleg verweist er auf die Parallelstudie in der Türkei. Dort hätten schließlich von über 200 Lehramtsstudenten 94 Prozent der Befragten die Evolutionstheorie abgelehnt.

Deutscher Muslim, Türke aus Ankara, also alles eins? Es ist sind noch weitere Fragen, die Zweifel daran aufkommen lassen, wie sehr die GBS die Forderung nach Wissenschaftlichkeit auch für sich selbst in Anspruch nimmt: Warum wurden ausschließlich Erstsemester befragt und damit Studenten, denen die Vorbereitung auf ihren Lehrerberuf erst noch bevor steht? Salomon-Schmidts Antwort offenbart selbst vereinfachende Grundannahmen: Eine weitere Studie habe ergeben, dass sich „selbst bei Biologiestudenten im Laufe des Studiums in dieser Hinsicht erstaunlich wenig verändert“. Sein Resümee: „Insofern halte ich es nicht für voreilig, davon auszugehen, dass viele Menschen, die die Universität als Kreationisten betreten, sie auch als Kreationisten wieder verlassen.“ Das Problem auch hier wieder: Von kreationistischen Einstellungen ist in der Auswertung der Studie durch die GBS nirgends die Rede.

Stattdessen spricht aus der Aussage ein Klischee, das die GBS auch in anderen Veröffentlichungen zu dem Thema pflegt: Wer keine Ahnung von bestimmten wissenschaftlichen Themen hat und gleichzeitig religiös ist, kann nur religiöser Fundamentalist sein. Andere Erklärungsmöglichkeiten lässt die GBS außer Acht: Ist schlechter Biologie-Unterricht nicht die viel wahrscheinlichere Erklärung für fehlendes Verständnis der Evolutionstheorie als religiöse Borniertheit? Könnte man den großen Unterschied im Evolutionsbekenntnis deutscher und türkischer Muslime nicht auch als Beleg für die Qualität des deutschen Bildungssystems deuten? Beweisen religiöse Menschen nicht Tag für Tag längst, dass auch sie gute Lehrer sein können, weil sie wissen, zwischen Privatem und Schulischen, zwischen Glauben und Lehrplan zu unterscheiden?

Man muss diese Fragen nicht pauschal mit ja beantworten aber man sollte sie zumindest diskutieren. Ebenso wie den Zusammenhang von Religiosität und Wissenschaftsskepsis. Aber man sollte diese basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen statt eigener dogmatischer Annahmen tun. „Einen vorurteilsfreien Zugang zur Wirklichkeit zu eröffnen“, fordert die GBS-Stiftung zu Recht von muslimischen Lehrern und solchen die es werden. Ihre eigene Arbeit genügt diesem Anspruch leider nicht.

Leserkommentare

Charley sagt:
@Ute Fabel: deine meinem Eindruck nach peinlich flachen Gedanken zu dieser Thematik sind so undifferenziert und wissenschaftlich wertlos, dass sich eine Antwort ausschließt. Nur so viel: Wissenschaft (positive) kann nur Aussagen über Vorhandenes machen, nicht aber feststellen, dass es etwas nicht gibt. Zudem müsste erst einmal der Seele-Begriff dargestellt werden, den du hier meinst. Du hantierst (polemisch?!) mit Worthülsen. -Dass ich dir an anderer Stelle schon schrieb, dass die Tatsache des Bewusstseins nicht aus dessen Bedingtheiten abgeleitet werden kann, ignoriert du geflissentlich. Vielmehr setzt jeder Wissenschaftler Denken, Erfahrung und Bewusstsein voraus, bevor er zu forschen anfängt. Darum braucht eine Evidenz über solche Dinge eine ganz andere Forschungsrichtung/-art.
21.01.17
10:02
Ute Fabel sagt:
@Charley: Die Evolutionstheorie legt überzeugend dar, dass die Entstehung der Arten auch ganz ohne eine höhere steuernde göttliche Kraft stattfinden konnte. Beweispfichtig ist, immer derjenige der eine Behauptung macht. Wenn jemand behauptet, es gebe UFOs, liegt es an ihm den Beweis dafür zu erbringen und nicht an denjenigen, die nicht daran glauben, den Gegenbeweis anzutreten. Im übrigen können islamische oder christliche Geistliche auch nicht widerlegen, dass es den römischen Gott Jupiter, den germanischen Gott Wotan oder den hindustischen Gott Vishnu nicht gibt.Warum nicht eher an diese Gottheiten glauben, sondern gerade an Allah oder den Christengott. Peinlich flach und traurig finde ich es eher, dass es im 21. Jahrhundert noch soviele Menschen gibt, die ernsthaft daran glauben, die vermeintlich richtige Auslegung uralter Bücher unklarer Autorenschaft aus einen Erdwinkel könnten uns einen gewaltigen Erkenntnisgewinn bringen.
23.01.17
8:40
Manuel sagt:
In der Türkei soll jetzt die Evolutionstheorie und Darwin ganz aus den Schulbüchern verschwinden, vielleicht wäre auch hier ein Artikel darüber abgebracht.
24.01.17
21:22
Manuel sagt:
@Kritika: Kritische, hinterfragende Menschen sind in islamischen Gesellschaften nicht erwünscht!
24.01.17
21:26
Charley sagt:
Das hier oben ist mal wieder ein klassischer islamiq-Artikel: Den Splitter im Auge des anderen sehen, aber nicht den Balken im eigenen (Matthaeus 7:3). Die "Krone" (Österreich) meldet am 24.1.17: "Das Bildungsministerium hat nun angekündigt, dass die Evolutionstheorie von Charles Darwin aus den Schulbüchern gestrichen wird. Statt ihr soll dort demnächst das Ersatzkapitel mit dem Titel "Lebewesen und die Umwelt" zu finden sein........was Säkularisten in der Türkei schon seit langer Zeit befürchten: Die AKP- Regierung stärkt Schritt für Schritt die religiösen Inhalte in Bildungsanstalten, indem sie etwa den Kreationismus unterstützt." Das ist so ungeheuerlich! Das ist so grenzenlos dumm! Das ist faktisch ein Abgesang an die Denkfähigkeit des Menschen! Natürlich ist da ein Problem für einen sich spirituell orientieren wollenden Menschen! Aber das mit so einer bornierten Ignoranz gegenüber jeglichem klaren Denken zu "lösen", ist zugleich an Abgesang an die Denk- und Urteilsfähigkeit des Menschen. Das Wortrwörtlich-Nehmen von Texten, die als mythische Imagination intendiert sind, ist eine Verachtung auch der modernen Islamforschung. Von dieser Gesinnung hin zur Bejahung von fundamentalistischen, salafistischen, islamistischen Gedanken ist es nur noch ein kleiner Schritt. @Johannes Disch: Sie schreiben unter "making Islam great again!": -- Bassam Tibi -- Abu Zaid -- Yasar Nuri Öztürk -- Alexander Flores -- Thomas Bauer Das sind nur einige Namen von vielen. Alle Genannten unterscheiden konsequent zwischen dem Islam als Weltreligion und Weltzivilisation und dem Islamismus als totalitärer politischer Ideologie. Und alle Genannten verstehen den Koran auch als historisch gewachsene Schrift, die im Laufe der islamischen Realgeschichte unterschiedlich interpretiert wurde und die weiterhin auslegungsbedürftig ist und suchen sich nicht nur selektiv einige Suren heraus, die ihnen in den Kram passen,....." Wen erreichen diese Islamwissenschaftler und wie viele erreicht die Türkei mit ihrer Indoktrination. Mit dem Kreationismus wird das Denken gelähmt! Das lässt sich vernünftig nicht denken! Und wenn das Denken der Menschen erst mal gelähmt ist, dann sind sie auch bald willenlos indoktrinierbare Schäfchen, die "überall hin folgen".
26.01.17
10:27
Ute Fabel sagt:
Der Giordano-Bruno-Stiftung ist zutiefst zu danken, dass sie auf die ernstzunehmende Gefahr einer neunen islamischen Wissenschaftsfeindlichkeit hinweist. In zahlreichen deutschen Medien habe ich diese und ähnliche Informationen über diese jüngsten politischen Entwicklungen in der autoritär-klerikal regierten Türkei gefunden: Der Sprecher der türkischen AKP-Regierung, Numan Kurtulmus, kritisiert die Evolutionstheorie von Charles Darwin als „veraltet und verfault“: Deshalb gehöre diese aus den türkischen Schulbüchern gestrichen. Mitte Jänner kündigte der türkische Bildungsminister Ismet Yilmaz an, die heimischen Lehrpläne überarbeiten zu wollen. So soll Darwins Evolutionstheorie vollständig aus den Lehrplänen gestrichen werden. Statt der Evolutionstheorie soll demnächst das Ersatzkapitel mit dem Titel „Lebewesen und die Umwelt“ in den Schulbüchern zu finden sein. Zudem sollen alle Hinweise auf Darwin entfernt werden. Zusätzlich sollen demnächst Begriffe wie „Säkularismus“, „Wiedergeburt“ und „Atheismus“ in Schulbüchern als „problematische Überzeugungen“ und als „Krankheiten“ eingestuft werden. Noch handelt es sich um Vorschläge. Doch geht es nach dem Willen des Bildungsministeriums, soll das Maßnahmenpaket bereits im Februar in Kraft treten.
30.01.17
14:49
Kritika sagt:
L.S. @ Manuel und andere. Ja, Manuel, Sie haben sicher Recht. Es sieht indertat so aus, alsob die geistige Islamische Obrigkeit keine kritische Bürger mag. Dennoch, auch aus islamisch beherrschten Ländern kommen AustauschStudenten zu uns. Die sind intelligent und an selbständiges Denken gewöhnt. Sie werden in wenigen Jahren zur Intelligenz ihres Landes gehören. Ob man denen dann noch zB das Märchen von der NichtEvolution erzählen kann (wie es gerade eben Erdogan eingefallen ist) das ist sehr zu bezweifeln. Kritika kennt eine selbstständig denkende, moderne Moslemin; die lässt sich von keinem ein Kopftuch umbinden und sie mag auch gerne ein Glas Rotwein. Gruss, Kritika
31.01.17
1:03
Charley sagt:
Wer herrschen will, muss die Köpfe der Massen kontrollieren. Das macht man am effektivsten mit Unwahrheiten, Halbwahrheiten, deren Nichtakzeptanz man diskreditiert. Da sind Erdogan u Trump Brüder im "(Un)Geiste".
01.02.17
15:05
Charley sagt:
Nach wie vor bin ich verblüfft, dass obiges ja, die absurden Lehrbuchinhalte i d Türkei nicht hier thematisiert werden.
01.02.17
15:07
Johannes Disch sagt:
Die GBS und ihr Ober-Guru Michael Schmidt-Salomon führen schon seit Jahren einen Kreuzzug gegen alles Religiöse und verkaufen das als "Aufklärung." Den Laden sollte man nicht so wichtig nehmen.
06.02.17
0:03
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