Berlin

Klage von Kopftuch tragender Lehrerin wieder vor Gericht

Die Klage einer kopftuchtragenden Lehrerin geht am Donnerstag in Berlin in die zweite Instanz. Das Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg prüft am Donnerstag, ob das Kopftuch gegen das Berliner Neutralitätsgesetz verstößt.

08
02
2017
Ein Jahr Antidiskriminierungsgesetz: 315 Beschwerden © by Dennis Skley auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ
Ein Jahr Antidiskriminierungsgesetz: 315 Beschwerden © by Dennis Skley auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ

Das Kopftuchverbot für eine Berliner Lehrerin beschäftigt am Donnerstag das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Es verhandelt über die Berufung einer muslimischen Lehramtsbewerberin gegen ein Urteil der Vorinstanz. Das Arbeitsgericht Berlin hatte im April 2016 ihre Entschädigungsklage gegen das Land Berlin abgewiesen. Das Land hatte sie wegen ihres religiös motivierten Kopftuchs nicht eingestellt. (Aktenzeichen 14 Sa1038/16)

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts verstieß die Ablehnung der Klägerin in dem Bewerbungsverfahren nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Zur Begründung führte das Gericht das Berliner Neutralitätsgesetz an. Es untersagt Lehrkräften an öffentlichen Schulen, religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen. Die Berliner Regelung widerspreche nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2015 (1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10), so das Arbeitsgericht.

Die Karlsruher Richter hatten im Januar 2015 entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen nicht mit der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit vereinbar sei. Das Berliner Arbeitsgericht erklärte, dass diese Entscheidung auf Nordrhein-Westfalens Schulgesetz abgestellt gewesen sei. Im Unterschied dazu sehe die Berliner Regelung jedoch „keine gleichheitswidrige Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ vor.

Das Berliner Neutralitätsgesetz behandle alle Religionen gleich, urteilte das Arbeitsgericht. Außerdem gelte dessen Verbot religiöser Bekleidung nicht für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Auch für die Klägerin sei es möglich, dort mit Kopftuch zu unterrichten. Ein Vertreter des Landes Berlin hatte ihr zu Beginn der Verhandlung eine Einstellung nur für berufliche Schulen angeboten. Die Klägerin lehnte dies ab.

Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit unterstützt die Klägerin

Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.) begleitet die Klägerin seit Beginn des Prozesses und unterstützt die Lehrerin bei Ihrem Vorhaben rechtlich gegen das Verbot mit Kopftuch zu unterrichten vorzugehen.

In einer aktuellen Pressemitteilung stellt das Netzwerk klar: „Die Meinung des Gerichts teilen wir nicht und wenden uns gegen die pauschale Annahme, eine Lehrerin mit Kopftuch gefährde den Schulfrieden. Vielmehr erachten wir diesen Schluss als Resultat stereotyper Zuschreibungen.“ Daher unterstützt das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit die muslimische Lehrerin auch bei ihrer Klage in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg.

„Wie wird das richterliche Urteil ausfallen? Wird der Klage stattgegeben und damit ein wichtiges Zeichen gegen die pauschale Diskriminierung und Kriminalisierung von Muslim*innen gesetzt? Wird die Klage abgelehnt und mittelbare Diskriminierung von Muslima mit Kopftuch somit institutionell untermauert? Oder wird der Fall dem Bundesverfassungsgericht übertragen, das seinerseits bereits in zwei Fällen gegen Neutralitätsgesetze geurteilt hat“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Der Urteilsspruch, wonach Kopftücher (und damit auch andere sichtbare Zeichen des Glaubens oder Unglaubens bzw. politische, weltanschauliche Symbole) bei Lehrern nur im Falle einer konkreten Gefährdung untersagt werden kann ist ein blamables Herumlavieren, mit dem sich das Gericht kurzfristig aus der Verantwortung stehlen wollte. Ist irgendwie so, wie wenn das Überqueren der Straße bei Rot selbst nicht unrechtmäßig sei, solange die Verkehrssicherheit dadurch noch nicht konkret gefährdet wird. Dieses Judikat ist eines Rechtsstaates völlig unwürdig, das letzte Wort kann damit sicher noch nicht gesprochen sein. Europäische Gerichte würden sich da klar festlegen. Nach welchen Kriterien soll die angeblich gebotene Einzelfallprüfung durchgeführt werden? Solange alle Eltern und Schüler schweigen, wenn ein Lehrer ein "Gottlos Glücklich"-Shirt oder eine Lehrerin ein Kopftuch trägt, ist es erlaubt. Regt sich Unmut, werden Unterschriften gesammelt oder gar Demonstrationen organisiert, dass kann es verboten werden? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat anlässlich der Einführung des optischen Neutralitätsprinzips in Frankreich auch für Schüler festgestellt, dass in derartigen Fragen der Gesetzgeber zur Ausübung seines Gestaltungsspielraums berechtigt ist. Entweder "gleich viel" an sichtbarer Religion, Weltanschauung, politischer oder sonstiger Anschauung im Sinne des Artikel 21 Europäische Grundrechtecharta oder "gleich wenig" - das sind die beiden diskriminierungsfreien Alternativen.
13.02.17
16:45
Joachim sagt:
@ johannes disch: HErgott, jetzt werden Sie doch nicht gleich pampig! Ich kann die Stelle nicht finden, wo Sie es erklärt haben, und mich interessiert es wirklich, worin der unterschied zw kopftuch und anderen bestimmten Symbolen liegt. Ich verstehe Ihr Verhalten nicht. Sie diskutieren hier auf hohem Niveau mit ernstzunehmenden Argumenten weitab jeden Populismus, was man anderen Usern nicht grade unterstellen kann, und nun bitte ich Sie, mir diesen Punkt Ihrer Sichtweise nochmal zu erklären, aus wirklichem Interesse, und nicht um Sie irgendwie anzugreifen, und dann kommt sowas. Ich verfolge den Disput zw Ihnen und Ute Fabel, werde daraus nicht schlau, das ist alles. Ich habe eine Frage gestellt, nichs weiter. Ihr Antwort war nicht sehr höflich. Wenn Sie es nicht nochmal erklären möchten, in kurzen Worten, dann bitte einen Verweis auf die Stelle, wo Sie es erklären............... Ansonsten bitte die FRage an die anderen User, wo erklärt Herr Disch diesen Punkt? mfg joachim
13.02.17
20:04
Ute Fabel sagt:
@Joachim: Wir hatten in Österreich einen konkreten Fall, wo eine überzeugte Katholiken im Kundenkontakt eine Marienstatue an ihrem Beratungspult aufgestellt hat, nachdem einer muslimischen Kollegin das Kopftuchtragen erlaubt wurde. In einem anderen Fall wollte ein Sikh unter Berufung auf seine "Religionsfreiheit" in der Arbeitszeit einen Kirpan, d.h. einen abgestumpften Kurzdolch am Gürtel tragen, weil er nach seinem Religionsverständnis dadurch von sich fernhalten könne. Was kommt als nächstes? Eine Buddha-Statue oder eine Karl-Marx-Büste in Büro? Wenn Firmen ein Symbol oder Kleidungsstück zulassen, laufen sie Gefahr damit in Teufels Küche zu geraten und die Geister, die sie riefen, werden sie dann kaum mehr los. Es ist eine völlige Fehldeutung des Gleichbehandlungsrechts, dass Unternehmen nun zum religiösen oder weltanschauulichen Tollhaus gemacht werden können und es die Betriebe ohne Möglichkeit zur Gegenwert akzeptieren müssen, dass ihnen Mitarbeiter religiöse, weltanschauliche oder politische Symbole aufdrängen. Das konsequente optische Neutralitätsprinzip ist eine faire und diskriminierungsfreie Möglichkeit des Interessensausgleichs in Betrieben. Es behandelt alle gleich.
16.02.17
11:26
joachim sagt:
alles klar, vielen Sank für die erklährung!. wenn herr disch recht hat, oder auch gemäß dieses neuen urteils da, muss das unternehmen den krummdolch erlauben, solange er nicht zu massiven störungen führt. wenn jetzt kundenbeschwerden kommen, weiss nicht genau ob das schon eine störung des friedens ist. meiner meinung nach ja, aber hat nicht ein gericht in toulouse oder irgendwo in frankreich, anders entschieden? ich glaube, dass in der realität die kopftücher trotzdem nicht eingestellt werden. wenn ich personaler wäre, würde ich der frau mit kopftuch halt sagen "wir melden uns" ... und dann paar tage später eine abssage schicken, "wir wünschen Ihnen alles gute auf ihrem weiteren lebensweg." ich wurde mal abgelehnt wegen "Sie passen bei uns nicht ins Team, und ich muss mein Team zusammenstellen" .... ok. kein ding. wenn er meint. dann wirds ja sowieso nichts mit der zusammenarbeit. Bei dieser ganzen leidigen Diskussion, oh mein gott, hat da überhaupt noch irgendein chef Bock, eine FRau mit kopftuch einzustellen? die otto-normal-chefs werden sagen: ich habe keine lust auf dieses ganze Theater, hier liegen 5 weitere bewerber aufm tisch, also nehm ich nen anderen. höchstens leute, die ein politisches Statement abgeben wollen und zeigen wollen, wie liberal sie sind, stellen ne frau mit kopftuch ein. kann man machen. bei uns in H u M arbeitet eine frau mit kopftuch, ich denke das stört keinen. aber als lehrerin? Egal was das gericht sagt, wenn die Eltern das Rektorat besetzen und ihre kinder reihenweise abmelden, dann lässt man sich halt was einfallen. integration findet so natürlich nicht statt, aber man kann sie ja nicht von oben verordnen. die leute machen da nicht mit.
16.02.17
23:16
Ganz einfach sagt:
Auch dieses Urteil hat nichts mit Islamfeindichkeit oder Diskriminierung zu tun. Schade,dass dies so gesehen wird. Zur Begründung führte doch das Gericht das Berliner Neutralitätsgesetz an, welches ALLEN Lehrkräften an öffentlichen Schulen untersagt, religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen. Selbst Christen dürfen nicht einmal ein Kreuz an der Halskette tragen. Es sind nun einmal seinerzeit gemachte Gesetze, die jeden in Deutschland lebende/n Lehrer/in betreffen! Die Zeilen des Urteils genau lesen und nicht zwischen den Zeilen nach Vermutungen suchen! Also bitte hören Sie auf, es als Fremdenfeindlichkeit zu verstehen (,denn sonst wirken Sie (Urteilsgegner) auf mich weiterhin nicht neutral sondern voreingenommen/unsachlich).
04.09.17
13:06
Elternzeit im Ramadan – ein Fall für „Demokratie leben!“ – sichtplatz.de sagt:
[…] sich als Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit, wurde in der Vergangenheit u.a. bekannt mit der Unterstützung einer Lehrerin bei ihren Klagen gegen das Berliner Neutralitätsgesetz, weil […]
11.03.18
22:59
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