In Berlin dürfen muslimische Lehrerinnen an den meisten Schulen nicht mit Kopftuch unterrichten. Das Neutralitätsgesetz wird schon länger kritisiert. Jetzt könnte die Debatte neu aufflammen.
Nach dem Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichts deutet sich im rot-rot-grünen Berliner Senat eine Auseinandersetzung zum Neutralitätsgesetz an. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte am Donnerstag erklärt, er gehe davon aus, dass das Berliner Gesetz nun nicht mehr zu halten sei. Innensenator Andreas Geisel (SPD) dagegen betonte am Freitag: „Wenn es das Berliner Neutralitätsgesetz nicht gäbe, müsste es sofort geschrieben und verabschiedet werden.“
Auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte in der Vergangenheit bereits angekündigt, das Kopftuchverbot auf den Prüfstand zu stellen. In der offiziell verbreiteten Senatsposition finden sich die Zweifel von Grünen und Linken allerdings nicht wieder: Senatssprecherin Claudia Sünder erklärte am Freitag, die rot-rot-grüne Landesregierung sehe „keine Veranlassung“, etwas am Neutralitätsgesetz zu ändern.
Das Landesarbeitsgericht hatte einer abgelehnten muslimischen Lehrerin mit Kopftuch am Donnerstag eine Entschädigung von 8680 Euro zugesprochen, weil sie benachteiligt worden sei. Es handelte sich laut Gericht aber um eine Einzelfall-Entscheidung.
„Das gestrige Urteil ist kein Urteil gegen das Neutralitätsgesetz, sondern hat einen Diskriminierungsfall behandelt“, betonte Geisel. Die strikte Trennung von Staat und Religion sei ein ganz wesentliches Element der Gesellschaft – vor allem in einer so vielfältigen Stadt wie Berlin.
Justizsenator Behrendt wertete das Urteil dagegen als „Anfang vom Ende des Neutralitätsgesetzes“. Die Koalition werde darüber nun Gespräche führen, kündigte er direkt nach dem Urteil an. „Ich will den Beratungen nicht vorgreifen, gehe aber davon aus, dass das Berliner Neutralitätsgesetz nicht mehr zu halten sein wird“, sagte er.
Das Neutralitätsgesetz schreibt vor, dass Polizisten, Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Justizmitarbeiter im Dienst keine religiös geprägten Kleidungsstücke tragen dürfen. Es ist damit anders formuliert, als das pauschale Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen, das das Bundesverfassungsgericht im Januar 2015 gekippt hatte. (dpa, iQ)