Berlin

Kirchen begrüßen neues Kopftuch-Urteil

Die beiden großen Kirchen haben das Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg begrüßt. Es sei als eine Aufforderung zu mehr religiöser Toleranz zu werten.

12
02
2017
Berlin nach Sonnenuntergang. © Alexander Steinhof auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Die beiden großen Kirchen haben das Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg begrüßt. Der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Manfred Kollig, und der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Jörg Antoine, werteten die Entscheidung am Freitag als Aufforderung zu mehr religiöser Toleranz des Staates.

Das Gericht hatte am Donnerstag einer abgelehnten muslimischen Lehramtsbewerberin mit Kopftuch bei einer Entschädigungsklage recht gegeben. Zugleich forderte es, das Berliner Neutralitätsgesetz müsse anders ausgelegt werden als bisher. So dürfe der Staat Lehrkräften nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens verbieten, auffällige religiöse Kleidungsstücke zu tragen, so das Gericht. Es berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Kollig nannte die Entscheidung „ein gutes Zeichen, dass staatliche Neutralität und persönliche Überzeugung sich nicht ausschließen“. Das bestätigten auch Erfahrungen in den katholischen Schulen oder im Religionsunterricht. Wo „religiöse Überzeugungen offen gezeigt werden dürfen, wo jemand seinen Standpunkt vertreten darf, regt das zu Fragen und Diskussionen an“, so der Verwaltungschef des Erzbistums. „Es diskriminiert nicht und schließt nicht aus. Es führt dazu, andere Überzeugungen besser zu verstehen, ohne sie übernehmen zu müssen.“ Ein Verbot könne nicht die bessere Lösung sein, betonte Kollig.

Das Neutralitätsgesetz hatte die damalige Berliner Koalition von SPD und Linkspartei/PDS im Jahr 2005 verabschiedet. Die seit vergangenem Jahr regierende rot-rot-grüne Koalition ist in der Bewertung des Urteils uneins. Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) erklärten, das Neutralitätsgesetz habe sich bewährt, und es gebe keine Pläne, es zu ändern. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bezeichnete das Urteil dagegen als Anfang vom Ende des Neutralitätsgesetzes. Auch die Linkspartei forderte, das Neutralitätsgesetz und die Einstellungspraxis bei Lehrkräften zu überprüfen. (KNA, iQ)

Wie kam es überhaupt bis zu diesem Punkt? Wir haben den jahrzehntelangen Kopftuchstreit in einem Video zusammengefasst. Klicken Sie auf das Bild, um zum Video zu gelangen.

Kopftuchkarte2

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Und was ist nun mit dem Salafistenbärten und den Mao-Anzügen? Warum sind diese Beispiele hahnebüchen. Zahlreiche Salafisten betreiben Youtube Kanäle, Maoisten sind im Internet sehr aktiv. Vietnamesische Kommunisten machen sich in Wien gerade für die Errichtung eines Ho Chi Minh Denkmals stark. Der liberale österreichische Parlamentarier Niko Alm hat darauf bestanden auf dem Führerscheinfoto ein Nudelsieb tragen zu dürfen. Müssen diese Menschen ihrer Gesinnung, ihre Bekleidung und ihre Symbolik vor den Betriebstoren ablegen, nur die Kopftuchträgerinnen nicht? Ist die deutsche Rechtlage nun eindeutig gegen ein pauschales Verbot von Kopftüchern oder aller religiöser und weltanschaulicher sichbarer Zeichen, oder doch nicht?
06.03.17
13:53
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel -- Ist die deutsche Rechtslage nun eindeutig gegen ein pauschales Verbot von Kopftüchern oder aller religiöser und weltanschaulich sichtbarer Zeichen oder nicht?" (Ute Fabel, 06.03.2017, 13:53) In Deutschland ist ein pauschales Kopftuchverbot verfassungswidrig, so das eindeutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2015. Es ging in dem Verfahren um das Kopftuch. Und wer immer sich sonst in Deutschland wegen was auch immer diskriminiert fühlen sollte, dem steht in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat jederzeit der Rechtsweg offen.
08.03.17
1:29
Ute Fabel sagt:
Erfahrungsemäß rudern auch Höchstgerichte schnell wieder zurück, wenn sie einsehen müssen, dass sie über das Ziel geschossen haben und ihre Urteilsprüche nicht verallgemeinerbar sind, was aber die Voraussetzung der Rechtsstaatlichkeit wäre. Richter sind auch nur Menschen. Wir hatten in Österreich zu beabachten, dass innerhalb von drei Jahren der Oberste Gerichtshof zunächst einen 180-Grad-Salto vorwärts und beim nächsten Anlassfall wieder einen Salto rückwärts gemacht hat, weil er erkennen musste sich verrannt zu haben.
09.03.17
8:00
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel -- "Richter sind auch nur Menschen." (Ute Fabel) Muslime auch.
09.03.17
13:29
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