Kommentar

Kinder zwischen zwei Stühlen

Aktuelle religiöse und politische Entwicklungen spalten Menschen, vor allem Kinder werden von der Stimmung beeinflusst. Wie kann man sie davor bewahren? Eine schwierige Frage, der Umut Ali Öksüz nachgeht.

25
02
2017
Muhammad
Kinder bekommen alles mit, Muhammad © Fionn Kidney/ flickr / CC 2.0

Ideologien, Lagerdenken und Machtkämpfe auf Kosten der Religionen und Politik spalten alle Menschen. Kinder und Jugendliche stecken mitten in diesem Machtkampf. Fragen, mit denen sie regelmäßig konfrontiert sind: „Wer sitzt in welchem Lager? Wo gehen Deine Eltern beten? In welcher Moschee bist Du noch am Wochenende?“ Fragen, die nicht seit gestern zwischen Kindern und Jugendlichen diskutiert werden und die Medien tragen diese Schuld nicht alleine.

Für die Spaltung der türkischstämmigen BürgerInnen, sollte man nicht eine Gruppe oder eine einzelne Person verantwortlich machen. Ein Schüler fragte mal: „Was ist eigentlich das Ziel, wenn alle Seiten hetzen? Hat das überhaupt noch mit dem Islam zu tun?“ Diese Fragen sollten sich auch die Großen stellen, denn Hetze hat viele Folgen. Kinder und Jugendliche dürfen sich ihre Freunde nicht selbst aussuchen. Es ist wichtig, in welcher Gemeinde, die Eltern engagiert sind. Familien streiten tagtäglich, weil ideologische und soziale Netzwerke der einzelnen Gemeinden / Gruppen / Lager Vorrang haben. Das läuft dann unter dem Motto: Erst die Ideologie, dann die Familie und die Meinung einzelner „Führer“ werden in der islamischen Theologie mit den primären Quellen vertauscht. Kinder und Jugendliche wachsen mit Fragezeichen auf und das kritische Denken wird nicht geduldet, vor allem darf man keine „Führer“ in Frage stellen, unter den Jugendlichen geht es dann darum, welcher Führer die „Wahrheit“ sagt und welcher nicht. Sachliche Diskussionen können selbstverständlich nicht geführt werden, da aktuell politische Themen bei den Meisten im Fokus stehen und das Umfeld der Kinder dementsprechend aufgebaut ist.

Das Paradoxe in der Bundesrepublik Deutschland ist, dass alle dafür werben und „warnen“, dass außenpolitische Umstände in Deutschland nichts zu suchen haben. Doch in der Realität sieht es nicht so aus. Viele Deutschtürken, die sich aktuell gerne in die Opferrolle versetzen, mischen doch seit Jahren aktiv in der Politik mit, hier- aber auch in der Türkei. Bekannte Politiker hetzen fleißig weiter und das Ziel ist jedem kein Rätsel mehr: offensive Spaltung.

Jahrelang wirkten Deutschtürken in der türkischen Politik mit. Sie wählten fleißig ihre Lieblinge, obwohl sie ja nie was mit Politik am Hut hatten. Plötzlich läuft es nicht mehr so, wie sie es sich wünschen, die obere Etage kippt und alles ist „auf einmal“ böse. Jetzt heißt es, schließt alle DITIB Moscheen, die DITIB sei kein Ort für Spionage, Hetze und Politik. Das solche Umstände nicht zu entschuldigen und tolerieren sind, muss in keiner Weise erwähnt werden.

Seit über 40 Jahren gehen ältere Damen und Herren in die Moscheegemeinden und haben dort ihre sozialen Netzwerke aufgebaut und werden in verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen erfolgreich etabliert. Auch Kinder und Jugendliche finden in den Moscheen religiöse und soziale Zugänge, die ihre Entwicklung prägen. Klar ist auch, dass politische Themen in keiner Moschee erwünscht sind, auch darüber sollte nicht gesprochen werden.

Jedoch sollte darüber gesprochen werden, ob überhaupt diverse politische Themen in der Nähe von Kindern und Jugendlichen erwünscht sind. Dort sollten Kinder und ausschließlich ihre Entwicklung im Fokus stehen. Doch es gibt genug Heranwachsende, die mit diesem Thema nichts mehr zu tun haben wollen! Sie möchten in Frieden gemeinsam leben ohne sich ständig darüber zu streiten, welcher „Oberboss“ denn Recht hat.

Wer also ein wirkliches Interesse an der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen verfolgt, sollte seine Energie dafür nutzen. Kinder und Jugendlichen fühlen sich selbst instrumentalisiert.

Es gibt tausende Möglichkeiten: Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche anbieten, ganz egal welcher Religion oder Ethnie. Mit den Kindern und Jugendlichen reden, sie begleiten, aber sie nicht biegen und formen! Für sie da sein, aber aus Herzen, nicht nur weil es die höhere Etage möchte, sondern ihnen dabei helfen, sich zu entfalten.

Das klappt ganz gut ohne politische oder ideologische Interessen und Hasspredigten. Denn was aus Herzen kommt, kommt auch bei Herzen an.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Früher war die türkische Politik vom Laizismus geprägte heute ist der Islamismus und genau das erklärt die zunehmende Ablehnung hierzulande. Sonst ein wirklich guter kritischer Artikel, findet man leider hier sehr selten.
25.02.17
17:22
Ute Fabel sagt:
Der Artikel erweckt den falschen Eindruck, dass sich alle Türken über ihre - sunnitische - Religion definieren und sozialisieren. In meinem eigenen Bekanntenkreis gibt es viele Aleviten, die nie in die Moschee gehen und Türken, die in kemalistisch-laizistischen Vereinen tätig sind. Wieder andere interessieren sich weder für Religion noch für Parteipolitik. Ich kenne eine junge Türkin, die sich mit voller Leidenschaft bei Greenpeace engagiert.
26.02.17
8:11
Dilaver sagt:
@Manuel Ihre Ausführungen sind sachlich falsch. Erstens hat es auch vorher eine große Ablehnung gegeben. Und zweitens ist die Türkei nach wie vor eine laizistische Republik. Lediglich die religionsfeindliche Fehlinterpretation der fanatischen faschistischen Säkularisten wurde durch die religionsfreundliche Auslegung korrigiert.
26.02.17
14:35
Manuel sagt:
@Dilaver: Verstehe, dann ist wohl auch noch Atatürk ein Faschist für Sie oder was? Erdogan und seine AKP-Islamisten wollen die Türkei in einen islamistischen Gottesstaat umwandeln, das haben sie mehrmals angedeutet. Jetzt mit der geplanten Verfassungsreform geht der Zug eindeutig in diese Richtung, mir tun nur die laizistischen und liberalen Türken leid, die bald unter einer Religionsdiktatur leben müssen. Laizismus und Atheismus werden ja schon als problematische Begriffe eingestuft und auch Darwin und die Evolutionstheorie soll aus den Schulbüchern, zeigt auch ganz eindeutig wohin sich die Türkei bewegt.
27.02.17
20:24
Lothar sagt:
@Dilaver: Die Politik in der Türkei ist keineswegs "religionsfreundlich". Sie ist "islamfreundlich". Den Christen nützt das gar nichts. Nicht einmal den Aleviten nützt es. Von den Steuergeldern werden über die Religionsbehörde nämlich weder Kirchen noch Cem-Häuser finanziert, sondern ausschließlich sunnitische Moscheen, die auf Staatslinie sind.
02.03.17
15:55
Manuel sagt:
Die Politik der Türkei ist der Islamismus, den sie nun über ihre Verbände ins Ausland exportiert und auch bei uns die Menschen aufhetzt.
02.03.17
17:47
Charly Sierra sagt:
Ich hoff nur der glaubt wirklich was er da schreibt
15.12.17
8:25