Lange galten die Niederlande als tolerant und weltoffen. Nun kann der Rechtspopulist Wilders mit seiner Politik gegen Migranten und Islam punkten. Doch nicht nur er macht Stimmung.
Ein Spuk geht um in den Niederlanden: Das Osterfest ist in Gefahr. Zumindest ist das so, wenn man den besorgten Warnungen von Ministerpräsident Mark Rutte Glauben schenkt. Ihnen zufolge bedrohen fremde Kulturen die traditionellen Feste – und auch ihre Süßigkeiten. Vor der Parlamentswahl am 15. März schwang sich der rechtsliberale Politiker nun als Verteidiger der „christlich-jüdischen Kultur“ – und auch der Ostereier – auf. „Leute müssen ungestört Weihnachten, Nikolaus und auch Ostern feiern können,“ sagte Rutte unlängst im niederländischen Radio.
Was war geschehen? Eine Supermarktkette pries Ostereier unter dem Namen „Versteckeier“ an und zog sich damit den Zorn der Traditionshüter zu – allen voran der Rechtspopulist Geert Wilders. Das sei ein Kniefall vor dem Islam. Da konnte Rutte, dessen größter Kontrahent in diesem Wahlkampf, natürlich nicht schweigen. Doch das ging selbst dem sonst so höflichen Moderator des christlichen Radiosenders EO, Tijs van den Brink, zu weit: „Nun machen Sie mal halblang“, fuhr er den Premier in der Live-Sendung an. „Das Osterei? Das ist noch nicht einmal ein christliches Symbol.“
Die Integration der Migranten ist ein Hauptthema in diesem Wahlkampf. Nicht nur für Wilders geht es um einen Kampf gegen die „drohende Islamisierung“. Auch andere Parteien schrieben die Erhaltung alt-holländischer Traditionen, Werte und Normen auf ihre Fahnen.
Der Kulturkampf wütet schon länger. Bereits im Dezember hatte das öffentlich-rechtliche Fernsehen für einen Eklat gesorgt, weil es auf einer Karte „Frohes Fest“ und nicht „Frohe Weihnachten“ gewünscht hatte. Und als in einem Stadtviertel in Amsterdam kein öffentlicher Weihnachtsbaum aufgestellt worden war, wurde auch dahinter ein Kotau vor dem Islam vermutet. Dabei war es eine ordinäre Sparmaßnahme, wie sich später heraus stellte.
Doch sind dies für die Moralwächter alles Zeichen der „schleichenden Islamisierung“. Tatsächlich stellte vor kurzem das Sozial-Kulturelle Forschungsinstitut SCP dann auch fest, dass unabhängig davon, ob solche Berichte als überzogen entlarvt würden oder nicht, sie das Unbehagen vieler Niederländer schürten. 40 Prozent der Bürger gehen demnach davon aus, dass durch die Zuwanderung ihre nationale Identität verloren geht. Und das beginnt bei den Festen.
Was ist nur los mit den Niederlanden? Jahrhunderte galt das Land als Hort der Toleranz und Liberalität. Leben und Leben lassen – war die Maxime, der die Holländer den Ruf verdankten, ein äußerst lockeres Volk zu sein. Heute ist das Land gespalten: in wütende weiße Niederländer einerseits und wütende Zuwanderer andererseits. Dabei scheint es einen Anlass für die Polarisierung gar nicht zu geben. Es gab keinen Terroranschlag, keine Unruhen in sozialen Brennpunkten und auch keine plötzlich aufgetretenen Integrationsprobleme.
Viele Niederländer sind trotzdem besorgt. Sie fürchten, dass mit Rücksicht auf Muslime die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Sie machen sich Sorgen, dass Homosexuelle angegriffen und Frauen belästigt würden. Der Soziologieprofessor und Integrationsexperte, Jan-Willem Duyvendak, hält die Gefahr der Islamisierung jedoch für totalen Unsinn. Schließlich seien nur weniger als sechs Prozent der Einwohner Muslime. „Wer, abgesehen von Geert Wilders, denkt das im Ernst? Es ist gerade andersherum“, sagt der Professor. „Muslime werden immer niederländischer.“
Die Statistiken geben eine langsame, aber positive Entwicklung bei der Integration wieder. Doch das nehmen viele eben nicht wahr. Die gerade von Wilders geschürten Ängste bestimmen das Bild.
Durch die Verhärtung der Debatte könnten sich gerade die jungen Migranten enttäuscht zurückziehen. Die neueste Studie des Sozial-kulturellen Forschungsinstitutes belegt, dass 40 Prozent der türkischen, marokkanischen und surinamischen Niederländer sich nicht mehr heimisch fühlen. Das gilt gerade für die sehr gut ausgebildeten Marokkaner, sagt die Amsterdamer Soziologin Jacomijne Prins. „Die sagen: Wir haben doch alles gut getan, und doch bleiben wir immer die Marokkaner.“ (dpa/iQ)