Kirchenrechtler

Kritik an Verdrängung von Religion aus Universitäten

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig kritisiert die zunehmende Verdrängung von Religionen aus Universitäten. Er warnt vor einem falschen Verständnis von Neutralität.

09
03
2017
Islam-Institut an der Humboldt Universität in Berlin
Islam-Institut an der Humboldt Universität in Berlin © mjaysplanet auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Kirchenrechtler Hans Michael Heinig beklagt eine Zurückdrängung der Religionsfreiheit an deutschen Universitäten. „Studentische Gemeinden können sich mit ihrem Veranstaltungs- und Beratungsangebot nicht mehr wie bislang in Orientierungsveranstaltungen für Erstsemester vorstellen, Flyer dürfen nicht mehr in der Mensa ausgelegt werden“, schreibt Heinig in einem Gastbeitrag in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ am Donnerstag.

Die Ursache sieht er in Universitätsleitungen, die zunehmend von Naturwissenschaftlern mit „streng positivistischem Weltbild“ dominiert würden. Bei anderen Beteiligten stehe ein Unbehagen gegenüber „dem“ Islam im Vordergrund.

Das an den Staat gerichtete Neutralitätsgebot verbiete keineswegs, religiöse oder weltanschauliche Belange von Studierenden zu berücksichtigen. „Der Staat des Grundgesetzes ist offen für die Religionen und Weltanschauungen seiner Bürger“, argumentiert der Göttinger Rechtswissenschaftler. „Ausdrücklich unterbunden werden dürfen studentische Aktivitäten nur, wenn die Funktionsfähigkeit der Hochschule ansonsten beeinträchtigt ist. Das ist nicht schon deshalb der Fall, weil Religion per se unvernünftig ist und an der auf wissenschaftlich abgesichertes Wissen verpflichteten Universität nichts zu suchen hat“, erklärt Heinig. Der Staat dürfe sich ein solch streng säkularistisches Weltbild nicht zu eigen machen.

„Um wirklich unappetitliche religiöse Gruppen außen vor zu halten, sollten Hochschulen eine Charta mit Grundsätze erarbeiten, die Gruppen mittragen müssen, wenn sie Räume oder andere Ressourcen nutzen wollen“, appelliert der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zu solchen Grundsätzen sollten demnach etwa der säkulare Charakter der staatlichen Ordnung gehören, aber unter anderem auch die Achtung der Religionsfreiheit, die Anerkennung der Würde aller Menschen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Schutz individueller sexueller Selbstbestimmung. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Hans Michael Heinig ist ein typischer religiöser Lobbyist, der zwar Religionsfreundlichkeit fordert aber in Wirklichkeit Religionssonderrechte will. Alle anderern Grundrechte haben sich seiner Auffassung zufolge der Religion anzupassen. Er kritisierte das Urteil des Landgerichts Köln aus dem Mai 2012, das die religiös gebotene Beschneidung eines muslimischen Jungens als Körperverletzung einstufte, heftig und forderte den Gesetzgeber auf, schnell zu handeln, damit „die lange Phase weitgerühmter Religionsfreiheitlichkeit und Religionsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung [nicht] tempi passati“ seien. Besser wäre es er würde sich mehr Sorgen um die körperliche Integrität religionsunmündiger Kinder und deren Schutz von irreversiblen Amputationen an ihrern Genitalien machen.
09.03.17
13:42
Ute Fabel sagt:
Anstatt der so genannten "theologischen" Fakultäten, wo ohnedies nur konfessionelle Inzucht betrieben wird, sollte eine religionsübergreifender Studienlehrgang "Religionswissenschaften" an den staatlichen Universätäten angeboten werden, in dessen Rahmen Lehren und Lernen unabhängig von Glauben oder Unglauben möglich ist.
09.03.17
13:46
Charley sagt:
Genau zu solcher inhaltlichen Festlegung, was erlaubt ist und was nicht, haben die Unis sicherlich keine Lust, denn das zieht einen unendlichen Rattenschwanz von Disskussionen nach sich. Für die Unis ist Studenten-Religiösität gleichwertig einem Yoga-Kurs. Privatsache. Was darf denn wo sonst in der Mensa ausgelegt werden?
10.03.17
6:13
Charley sagt:
Lustig finde ich die Formulierung: "wirklich unappetitliche religiöse Gruppen".... Was versteht er darunter?
10.03.17
6:15
Rerun sagt:
Zum "Schutz individueller sexueller Selbstbestimmung" gehören ganz sicher auch vollständige und intakte Genitalien. Dafür, dass ein Geschlecht darauf keinen Anspruch hat, hat sich Herr Heinig selbst äußerst stark gemacht (soviel auch zum Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau, vgl. §226a StgB vs. §1631d BGB). Er sehe es mir nach, dass ich ihn selber als Mitglied von "unappetitlichen religiösen Gruppen" sehe.
10.03.17
22:31
Kritika sagt:
L.S. An einer Uni wird Wissenschaft gelehrt und -geforscht. Wissenschaft handelt logischerweise von dem was mann weiss, was beweisbar ist. Religion gehört nicht dazu: Geister - heilig oder nicht - Engel, Astrologie, Götter, Himmel, Homöopatie; jeder kann daran glauben oder nicht, aber Wissen darüber oder oder beweisbar davon ist nichts. Deswegen gehört Relgion nicht zu Unies. Das gilt auch für religiöse Fakultäten, die als Fremdkörper nun einmal eine Art Bestandsrecht geniessen. Wenn nun Deutschland zurecht viele Flüchtligen aufgenommen hat folgt daraus nicht die Verpflichtung, sich deren religiösen Vorstellungen zu unterwerfen. Zum Beispiel: wenn Anhänger aller anderer Religionen sich als Lehrer, Arbeiter, Richter, Student so kleiden, dass ihre Religion oder das Frei-von-Religion-Sein nicht erkennbar ist, dann kann das auch Moslims zugemutet werden. Wenn keine Religion religiöse Uni Räume hat, so soll das auch für Moslims gelten. Gruss Kritika
12.03.17
1:22