Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

EuGH: „Arbeitgeber können Kopftuch unter Umständen verbieten“

Ein Unternehmen kann das Tragen von politischen, philosophischen und religiösen Zeichen unter bestimmten Umständen verbieten. Das entschied nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

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03
2017
Kopftuchverbot
Symbolbild: Muslimin mit Kopftuch © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Arbeitgeber können das Tragen eines Kopftuchs untersagen, wenn weltanschauliche Zeichen generell in der Firma verboten sind und wenn es gute Gründe gibt. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag in Luxemburg (Rechtssachen C-157/15 und C-188/15). In Deutschland sind Kopftücher am Arbeitsplatz im Prinzip erlaubt, Einschränkungen sind aber möglich. Bei der Beurteilung müssen sich deutsche Gerichte künftig an die Klarstellungen des EuGH halten.

Anlass der Urteile sind Klagen muslimischer Frauen. In Belgien war der Rezeptionistin Samira A. nach drei Jahren Arbeit in einem Sicherheitsunternehmen entlassen worden, als sie ankündigte, das Kopftuch künftig auch während der Arbeitszeit tragen zu wollen. Das widersprach jedoch der internen Arbeitsordnung, die sichtbare Zeichen von „politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen“ nicht erlaubte.

Unter diesen Umständen stelle ein Kopftuchverbot keine unmittelbare Diskriminierung dar, erklärten die Luxemburger Richter. Allerdings könne es um „mittelbare Diskriminierung“ gehen, also eine Regelung, die Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung besonders benachteiligt. Dies könne jedoch gerechtfertigt sein, etwa um politische, philosophische oder religiöse Neutralität gegenüber Kunden zu wahren. Relevant sei auch, ob die Regelung nur Angestellte mit Kundenkontakt betrifft.

Etwas unklarer ist der Fall aus Frankreich. Asma B. verlor ihren Job als Software-Designerin bei einem Unternehmen, nachdem ein Kunde sich beschwert hatte, weil sie mit Kopftuch arbeitete. Hier sei unter anderem nicht klar, ob das Tragen des Tuchs gegen unternehmensinterne Regelungen verstoße, so die Richter. Das Verbot sei hingegen nicht gerechtfertig, wenn es allein aus dem Willen des Arbeitgebers entstehe, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, der seine Leistungen nicht von einer Frau mit Kopftuch erbringen lassen wolle.

Die konkreten Einzelfälle von Samira A. und Asma B. müssen nun Gerichte in Belgien und Frankreich nach Maßgabe der Luxemburger Richter entscheiden. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Manuel sagt:
@Johannes Disch: Und der deutsche VGH stellt die Religionen über andere Weltanschauungen und diskriminiert diese daher. Ein Kommunist darf nicht mit einem Hammer-und-Sichel-Abzeichen auftreten, aber eine Moslema darf ihr Kopftuch vor sich hertragen, wo ist da die Gerechtigkeit, wo ist da Gleicheit vor dem Gesetz?
21.03.17
10:31
Ute Fabel sagt:
@ Frag W. Ürdig: Bürger können im öffentlichen Raum in ihrer Freizeit Demonstrationen durchführen und sich dabei auf die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit berufen, Arbeitnehmer können hingegen keine Kundgebungen ohne Zustimmung des Unternehmens auf dem Betriebsgelände während der Arbeitszeit abhalten; Bürger können unter Berufung auf die im Grundsgesetz geregelte Meinungsfreiheit und die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisse kommunstische Arbeiterlieder singen und Blauhemden tragen, im Dienst können sie das nicht: Moslems und Musliminnnen können in ihrer Freizeit fünf Mal täglich beten, Kopftücher tragen und sich Salafistenbärte wachsen lassen. In Betrieben ist es diskriminierungsfrei, wenn das optische Neutralitätsprinzip gilt. Bezahlte Gebetspausen während der Arbeitszeit wären eine Diskrimierung aller anderen, die dann mehr arbeiten müssten.
21.03.17
12:34
all-are-equal sagt:
@Frag W. Ürdig: Sie stellten die unbeschränkte Religionsfreiheit über alles und lassen andere Grundrechte wie die Weltanschauungsfreiheit und die politischen Freiheitsrechte unter den Tisch fallen. Religionen und (nicht religiöse) Weltanschauungen genießen jedoch den gleichen Schutzumfang: "Re­li­gi­on" im Sin­ne des AGG be­zeich­net Glau­bens­vor­stel­lun­gen, die sich auf ein Jen­seits be­zie­hen, d.h. auf ei­ne den Men­schen über­stei­gen­de Wirk­lich­keit. Dem­ge­genüber sind mit „Welt­an­schau­ung“ Über­zeu­gun­gen über die Stel­lung des Men­schen in der Welt ge­meint. Sie müssen nach herr­schen­der Mei­nung ähn­lich grund­le­gend und um­fas­send wie re­li­giöse Vor­stel­lun­gen sein (nur dass sie im Un­ter­schied zu ei­ner Re­li­gi­on ei­ne dies­sei­ti­ge Welt­deu­tung ent­hal­ten). Bloße po­li­ti­sche Mei­nun­gen sind da­her noch kei­ne Welt­an­schau­ung. Firmen, die Kreuzketten, Kippas undKopftücher zulassen, müssen auch politisch-weltanschauliche Symbole wie Parteiabzeichen bei ihren Mitarbeitern zulassen. Leute, die sich über eine nicht religiöse Weltanschauung definieren, dürfen nicht zu Menschen zweiter Klasse werden, welchen weniger erlaubt ist als ihren religiösen Kollegen. Auch die sexuelle Orientierung genießt den gleichen Schutzumfang wie die Religion: Niemand darf die Einstellung verweigert werden, niemand darf gekündigt werden, weil er/sie homosexuell ist. Allerdings lässt sich daraus nicht ableiten, dass homosexuelle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch haben während der Arbeitszeit pinke "Gay Pride" oder "Schwul-Na Und?"-Shirts zu tragen.
21.03.17
14:05
Rerun sagt:
Wenn sich die Kritiker an der EuGH Entscheidung doch endlich einmal einig werden würden. Wenn da fragwürdig geschrieben wird: "Weder überwiegt pauschal das des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit, noch das der Arbeitnehmerin auf Glaubens- und (!) Berufsfreiheit sowie Gleichheit. Vielmehr bedarf es des schonenden Ausgleichs. Und hier gilt in der Regel: Der Arbeitgeber darf die gelebte Religiosität nicht einfach verbieten, weil er keinen Bock darauf hat, sondern nur, wenn er schwerwiegende Nachteile für seine unternehmerische Freiheit geltend macht.", dann fragt man sich ja schon, ob das Urteil des EuGH überhaupt verstanden wurde, denn das ist doch genau das, was der EuGH gesagt hat. Das ist ja genauso widersprüchlich wie die Argumentation von Herrn Disch. Einerseits richtigerweise zu sagen, dass das ja überhaupt kein Freibrief sei, ein Kopftuch zu verbieten, weil dies ja an enge Voraussetzungen gebunden ist, die grundlose Willkür ausschließen, anderersseits aber genau diesen Vorwurf dem Urteil zu machen, ist wohl nur mit einer gehörigen Portion Schizophrenie zu bewerkstelligen. Man kann dem Urteil nicht Willkür, Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit unterstellen, während man gleichzeitig feststellen muss, dass genau dies auch mit dem Urteil unzulässig bleibt. Und wo wäre der "schonende Ausgleich", wenn der EuGH festgestellt hätte, dass das Kopftuchtragen unter gar keinen Umständen niemals nicht untersagt werden könne? Von einer "schrankenlosen Behandlung" durch den EuGH zu sprechen, weil er die Religionsfreiheit als nicht schrankenlos angesehen hat, ist wenig sachgerecht. Da geht auch nicht "Markt vor Mensch", es mag nur Menschen, die Religionsfreiheit als eine absolut unbegrenzte Handlungsfreiheit interpretieren möchten, gegen den Strich gehen, dass auch andere Rechte haben. Religionsfreiheit ist zunächst einmal keine beliebige Handlungsfreiheit sondern eine Glaubens- und Gewissensfreiheit.
21.03.17
15:53
Manuel sagt:
@Frag W. Ürdig: Jurstisch fragwürdig ist nur, warum Religionen Sonderrechte haben und andere Weltanschauung diskriminiert werden dürfen. Es gibt einen juristischen Grundsatz, der heißt Gleichheit vor dem Gesetz, aber den scheinen Sie als Superjurist noch nicht gelernt zu haben.
21.03.17
21:12
Johannes Disch sagt:
Wenn man wenigstens ehrlich wäre..... Es geht hier nicht um "Neutralität." Es geht um einen Kampf gegen den Islam und gegen Muslime(innen) Und das versucht man in die Chimäre "Neutralität" zu kleiden.
22.03.17
0:54
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Das Neutralitätssprinzip verlangt von allen das Gleiche ab. Der Umstand, dass sich manche Angehörige einer ganz bestimmten religiösen Strömung derzeit dogmatischer und unnachgiebiger als alle anderen an ein Kleidungsstück klammern, bedeutet nicht, dass diese Gruppe deshalb tatsächlich mittelbar diskriminiert wird. In meinem eigenen Betrieb arbeitet gut ein Dutzend Muslime und Muslimminnen, die ebenfalls glühende Anhänger des optischesn Neutraliätsprinzips am Arbeitsplatz sind und ihre Religion gerne nur privat und nicht während der Dienstzeit ausüben. Beim Neutralitätsprinzip geht es nicht um den Kampf gegen bestimmte Religionsangehörige sondern um den Kampf gegen das aufdringliche, egomanische Zurschaustellung der eigenen Gesinnung. Im übrigen bin ich auch strikt dagegen, dass ein Atheist während der Dienstzeit ein T-Shirt mit der Aufschrift "I Believe in Good, NOT in God" trägt. Das gehört in die Freizeit.
22.03.17
14:21
gregek sagt:
@ Herr Disch, jetzt rüsten Sie bitte einmal verbal ab. Hier liegt genau das Problem: jede Entscheidung, die weniger zu Gunsten von Muslimen ausfällt, wird sofort als diskriminierend und fremdenfeindlich gedeutet. Das sind die typischen, infantilen Verhaltensweisen,von der sich meine 5 jährige Tochter immer mehr verabschiedet......
22.03.17
20:13
Frag W. Ürdig sagt:
Richtig, @Disch, und die Leute heute sind der lebendige Beweis für Ihren korrekten Befund. Und bei so vielen "Rechtsexperten" dürften wir in Deutschland Ja einen richtigen Überfluss haben. Sie sind aber leider keine Rechtskenner, sondern eher Ideologen, denn Juristen, das merkt man ja sofort, kennen den feinen Unterschied. Wie gut, dass es noch die Hürde der Examina gibt. An die fleissigen google-Juristen: Erst mal recherchieren, was der Unterschied zwischen einer 1) Meinung 2) politischen Ansicht und 3) der Glaubensbekundung Ist. Gar nicht soo einfach, aber kleiner Tipp: Es ist nicht dasselbe wie ihr Bachgefühl. Und sie (rerun, allareequal, Manu und der social bot Ute) beweisen einmal mehr: Beim Kopftuch hat jeder ne Meinung, die von seiner persönlichen Weltanschauung getrieben ist und nur wenige für Fähigkeit nüchtern und objektiv zu differenzieren. Sehr dünnhäutig hier die fundamentalistischen Kopftuchgegner. Erinnert mich an ... Genau! Fundamentalistische Karikaturendemonstranten! Die wollen auch verbieten, was ihnen vom Geschmack her nicht gefällt
22.03.17
22:10
Frag W. Ürdig sagt:
Es ist im Übrigen recht amüsant wie schnell klassisch rechtspopulistische Europaskeptiker, die sonst gerne den ..exit herbeiwünschen, über Nacht zu glühenden EuGH-Fans mutieren. Dabei haben sie sich wohl noch nie für Europa interessiert, geschweige denn jemals ein EuGH-Urteil auch nur gelesen. Das Kopftuch wirkt wahre Wunder. Vielleicht hält das ja noch dir kriselnde EU zusammen. Na, immerhin... Das sind übrigens auch dieselben, die Militärdiktaturen gutheissen, solange sie sich nur brutal an Muslimen austoben und Verbrechen begehen (Myanmar, Ägypten, alte Türkei, ...). Das zivilisatorische Eis ist ganz dünn, darunter steckt noch der immer das Talionsprinzip...
22.03.17
22:22
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