Kopftuchverbot

Religionsgemeinschaften kritisieren EuGH-Urteil

Islamische Religionsgemeinschaften kritisieren das Kopftuch-Urteil des EuGH und warnen davor, dass muslimische Frauen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.

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03
2017
Europäischer Gerichichtshof © Denis Simonet auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.
Europäischer Gerichichtshof © Denis Simonet auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland haben die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz scharf kritisiert.

„Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein herber Rückschritt und öffnet Missbrauch Tür und Tor. Der Gesetzgeber ist aufgefordert den Diskriminierungsschutz weiter zu stärken, damit Musliminnen vom Arbeitsleben nicht ausgeschlossen werden“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich des Urteils.

„Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist ein herber Rückschritt für Musliminnen und für den allgemeinen Diskriminierungsschutz. Mit diesem Urteil erteilt der Gerichtshof Arbeitgebern quasi einen Freifahrtsschein zur weiteren Aushöhlung des ohnehin schwachen Diskriminierungsschutzes“, warnt die IGMG weiter.

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) zeigt sich enttäuscht über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Kopftuch am Arbeitsplatz. Das Urteil stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches grundsätzlich erlaubt hatte, erklärte die Religionsgemeinschaft am Dienstag in Köln. Im Kern bedeute der Richterspruch eine Abkehr von verbrieften Freiheitsrechten.

„Wenn Frauen sich zwischen ihrer religiösen Überzeugung und ihrer beruflichen Tätigkeit entscheiden müssen, sind die Diskriminierungsverbote, die Gleichbehandlungsgebote und die individuellen Freiheitsrechte, die das Fundament europäischer Verfassungen und Gesetzgebungen verkörpern, nicht das Papier wert, auf dem sie stehen“, so der ZMD. Die Richter des EuGH könnten mit ihrer Entscheidung das Tor dafür geöffnet haben, dass muslimische Frauen in Europa weiter Diskriminierungen ausgesetzt würden.

Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union (DITIB), Bekir Alboğa, sagte am Rande einer Sitzung der Deutschen Islamkonferenz in Berlin, wer behaupte, Muslime könnten ihre Religion in Deutschland frei ausüben, dürfe Frauen nicht vorschreiben, wie sie sich zu kleiden hätten. Alboğa erklärte: „Wenn eine Frau studiert hat, ihre Selbstständigkeit aufgebaut hat, und sich für eine Arbeit mit Kopftuch entscheidet, soll man doch diese Entscheidung der Frau als Individuum akzeptieren.“

Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass Firmen ihren Mitarbeiterinnen das Tragen des islamischen Kopftuches verbieten dürfen. Voraussetzung ist aber, dass weltanschauliche Zeichen im Unternehmen generell verboten sind und dass es gute Gründe gibt. (KNA/dpa/iQ)

Leserkommentare

Manuel sagt:
@Johannes Disch: Nein ich und grege mögen keine islamischen Dogmen und auch keine mittelalterlich-islamische Gesellschaftsordnung, die Sie hier ständig verteidigen, da liegt der Unterschied.
23.03.17
11:33
Johannes Disch sagt:
@Manuel Sie setzen den Islam und die hier lebenden Muslime ständig mit einer mittelalterlichen Gesellschaft gleich. Und das trifft einfach nicht zu. Die meisten Muslime, die bei uns leben, akzeptieren unsere Gesellschaftsordnung.
25.03.17
4:15
gregek sagt:
@ Herr Disch jetzt noch mal eine kleine Reprise. Ausgangspunkt meines überspitzten, aber die Problematik beschreibenden Fallbeispiels war genau folgendes Zitat aus Ihrer Feder: "Seinen Glauben auch am Arbeitsplatz zu leben ist nämlich gelebtes Grundgesetz (Art. 4 Absatz 1 GG)". Wenn die Formulierung in dieser Form gelten würde, könnten die Mitarbeiter mit Verweis auf diese Art der "Glaubensfreiheit" beliebig die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Ihrem Arbeitgeber verletzen. Gerade hier steht ein Gericht , wie das EuGH in der Verantwortung, gerade in einer mulitkulurellen Gesellschaft Unternehmen mit einer neutralen Haltung gegenüber Religionen und Weltanschauungen entsprechend zu stützen. Entgegen Ihren emotionsbehafteten Aussagen findet hier keine Diskriminierung einer Religion statt, nein, diese wird genau verhindert. Von daher ist es geradezus abstrus, dieses Urteil als faschistisches zu bezeichnen oder die Anhänger dieses Urteilsspruch als Islamfeinde zu brandmarken. Wenn Sie tatsächlich den Richtern des EuGH eine faschistische Gesinnung unterstellen, empfehle ich Ihnen die Veranlassung von deren Absetzung. Ähnliche Argumente haben Sie auch den Kopftuchgegnern an den Kopf geworfen.
26.03.17
21:13
grege sagt:
@ Herr Disch, viele Diskussion haben gezeigt, dass wir in Punkto Islam vielfach eine konträre Meinung besitzen. Dennoch habe ich Ihre Beiträge wegen Ihrer sachdienlichen Informationen und Argumente inhaltlich häufig nicht geteilt, aber respektiert. Im Rahmen der Kopftuchdiskussion treten Sie jedoch gegenüber dem Gegnern des Kopftuches äußerst unwirsch auf. Auf deren Argumente gehen Sie entweder gar nicht ein oder unterstellen pauschal Fremdenfeindlichkeit. Diese Haltung finde ich schade und auch ebenso unnötig. Ich hoffe nicht, dass dieses Verhalten aus vermeintlichen Problemen im Privatleben herrührt.
26.03.17
21:19
Johannes Disch sagt:
@Grege (Ihr P vom 26.03.2017 , 21:19) Dieses P enthält nun wirklich kein einziges Argument. Zu meinem Privatleben: Mir geht (inzwischen wieder) prächtig. -- Zu ihrem P vom selben Tag (21:13) "Weltanschauliche Neutralität" ist eine Chimäre. Zuerst wäre zu fragen: Ist "weltanschauliche Neutralität" ein Wert ans sich? Dürfen ihn Unternehmen verfügen? (Der Staat darf es nicht, jedenfalls nicht pauschal, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2015 deutlich gemacht hat). Wir haben nun also die absurde Situation, dass es Unternehmen in Zukunft leichter fallen könnte, "weltanschauliche Neutralität" herzustellen als dem Staat. Meine Meinung: Ein Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer keine Vorschriften zu machen in Glaubensfragen. Er kauft die Arbeitskraft des Individuums und nicht seinen Glauben. Der ganze Veitstanz ist einem Kampf gegen den Islam und gegen Musliminnen geschuldet. Solange Ayshe mit Kopftuch die Treppe putzt stört das niemanden. Aber wehe Ayshe wird mit Kopftuch Abteilungsleiterin. Das ganze ist Rassimsu, begründet mit juristischer Haarspalterei. Ein Urteil eines weltfremden Gerichts. Ein Gericht, das kein Verfassungsgericht ist, sich aber wie ein Verfassungsgericht gebärdet. Ein Gericht, das sich anmaßt, über Grundrechte zu urteilen. Es geht nicht um Neutralität. Es geht um den Islam. Genauer: Gegen den Islam.
28.03.17
2:47
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie die politischen Freiheitsrechte sind in der Freizeit, im Privatleben und nicht am Arbeitsplatz auszuleben. Mir geht es um professionelle Neutralität, vielen Unternehmen geht es um konsequente Neutralität. In Ravensburg wurde kürzlich eine Kassakraft, die ein auffälliges Kruzifix trug, vom Drogeriemarkt Müller aufgefordert, dieses abzlegen. Ich bin auch gegen atheistische "Gottlos Glücklich"-Buttons oder Parteiabzeichen während der Arbeitszeit. Ein Che Guevara Shirt oder ein Hammer- Und-Sichel -Anstecker bei einem Müllmann würde auch weit weniger Anstoß erregen als bei einem Abteilungsleiter oder Bankangestellten. Das es sich mit dem Kopftuch ähnlich verhält, ist daher nicht verwunderlich
28.03.17
10:45
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Das sagt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) von 2013 etwas anderes, dort halten 73% der befragten Moslems islamische Gebote für wichtiger als staatliche Gesetze!
28.03.17
13:01
grege sagt:
@ Herr Disch, schön zu hören, dass Sie sich offenbar von den Schicksalsschlägen in Ihrem Familienkreis erholt haben. Weltanschauliche Neutralität stellt für mich insofern einen Wert dar, als dass hier die Ungleichbehandlung von Angehörigen eines Personenkreises, sei es ein Team, Abteilung oder Bereich eines Unternehmens reduziert wird. Einheitliche Regeln leisten hier eine elementare Unterstützung. Entgegen Ihrer Aussage legen diese nicht das Ausleben einer Religion fest, sondern nur die Umgangskultur in einem Unternehmen, was einen himmelweiten Unterscheid darstellt. Wenn Mitarbeiter hier einen Konflikt mit Ihrer Religion oder allgemeiner formuliert Ihrer Persönlichkeit sehen, müssen Sie für sich selber eine Abwägung treffen. Solange diese Regeln allgemeingültig praktiziert werden, kann hier von einem "faschistischen Urteil" auch in keinster Weise ein Rede sein. Als das Kruzifixurteil in den 90er Jahren verkündet worden ist, kamen die Gegner dieses Urteilsspruches auch nicht auf die Idee, dem Gericht hier Christenfeindlichkeit zu unterstellen. Mein Gott, wenn ein Gericht in einem Urteil meinem Rechtsgefühl widersprücht, muss man doch nicht gleich in AFD Marnier das Gericht in Grund und Boden reden. Sowhl zum dem EuGH als zu dem einheimischen Gerichten haben mir bisher immer mein Vertrauen in die Rechtsstandlichkeit bestätigt, auch wenn mir das eine oder andere Urteil nicht geschmeckt hat. Insofern, lieber Herr Disch, würde Ihnen die eine oder andere Portion Gelassenheit gepaart mit einer Beilage Empathie für die Gegenseite nicht schlecht zur Gesicht stehen. Interessant finde ich auch, dass dieses Urteil auch im politischen linken Spektrum Anhänger findet, wie ein Kommentar der TAZ zeigt. Um zu verrückter ist es daher, hier von einem faschistischen Urteil zu sprechen.
29.03.17
20:52
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr P vom 28.03.2017, 10:45) Sie wiederholen immer wieder, das Grundrecht auf Religionsfreiheit wäre nur im privaten auszuleben. Das ist falsch. Unsere säkulare Rechtsordnung erlaubt Religion auch im öffentlichen Raum. Dazu zählt auch der Arbeitsplatz. Religion ist im säkularen Rechtsstaat eben keine Privatsache. Das Urteil des EuGH kleidet Diskriminierung in die weltfremde Chimäre "Neutralität." Diskriminierung für alle als Gleichheit zu verkaufen ist eine Pervertierung des Gleichheitsbegriffes. Dass mit diesem Urteil alle Religionen diskriminiert werden ändert nichts am Tatbestand der Diskriminierung.
30.03.17
13:54
Manuel sagt:
@Johannes Disch: "eine Pervertierung des Gleichheitsbegriffes" ist, wenn Symbole nicht-religiöse Weltanschauung verboten werden könne, religöse aber nicht.
31.03.17
11:46
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