Chaos der Begriffe

Probleme werden theologisiert

Muslime kritisieren Begriffe wie „Islamismus“ und „Dschihadismus“. Wieso diese Begriffe die eigentlichen Probleme verdecken und zu welchen neuen Problemen sie führen, erklärt der Generalsekretär des Islamrats Murat Gümüş im IslamiQ-Interview.

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03
2017
Symbolbild- Brockhaus' Konversations-Lexikon © by Moni & Georgs Backstube auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

IslamiQ: Es wird öfter über „Islamismus“, „Dschihadismus“ und „Salafismus“ gesprochen als über den Islam, Dschihad und über die Salaf. Teilen Sie diese Einschätzung? Welche Gründe hat das Ihrer Meinung nach?

Murat Gümüş: Der 11. September, andere Anschläge auch auf europäischem Boden und die zunehmende Radikalisierung allgemein haben zu zwei getrennten Diskursräumen geführt.

Der erste und dominierende Diskursraum ist der weite öffentliche Raum, die politische und mediale Ebene. In ihm gehören die Begrifflichkeiten „Islamismus“, „Dschihadismus“ und „Salafismus“ zum Standardrepertoire der Erklärungsversuche von Radikalisierungserscheinungen. Überraschend ist, dass dieser von unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Akteuren geteilt wird: die Minderheit derjenigen Muslime, die den Islam auf eine Ideologie reduzieren einerseits und die „Islamkritiker“ andererseits. Beide Seiten etablieren und reproduzieren bestimmte Begriffe und deren Deutungen. Unter Dschihad/„Dschihadismus“ oder Islam/„Islamismus“ verstehen beide Seiten in etwa das Gleiche. In der Auslegungsmethodik der Primärquellen des Islams unterscheiden sie sich nicht wesentlich, beide haben Zugang zu diversen modernen Kommunikationsmitteln und können sich dementsprechend gut platzieren.

Der zweite Diskursraum beinhaltet die gelebte muslimische Praxis der überwältigenden Mehrheit der Muslime. Dort geht es nicht um die Frage, ob der Islam Gewalt befürwortet. Diese Frage ist in der gelebten Praxis bereits geklärt. Hier geht es vielmehr um eine gottgefällige Lebensführung im Alltag. Im Raum stehen praktische Fragen wie Halal-Lebensmittel, Zinsen beim Erwerb von Immobilien oder Organtransplantationen. Den Muslimen geht es um die gleichberechtigte Teilhabe im öffentlichen Raum – sozial, kulturell, intellektuell. Also auch ihre Existenz und Sichtbarkeit als Muslime. Das ist, was sie unter gelebtem Islam oder Dschihad auch verstehen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Muslime irritiert sind, wenn sie immer wieder gefragt werden, wie sie diese und jene extremistische Gruppen einschätzen. Denn für sie lässt sich Extremismus islamisch nicht legitimieren.

Murat Gümüş, 1979 geboren, studierte Sozialwissenschaften in Duisburg. Vor seiner aktuellen Tätigkeit als Generalsekretär des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland und stellvertretender Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) war er in der Jugendorganisation der IGMG und zuletzt ihrer Studierendenabteilung aktiv. Gümüş ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

IslamiQ: In öffentlichen Debatten werden Ismen gerne zur Abgrenzung verwendet: Nicht der Islam sei gefährlich, sondern der „Islamismus“. Nicht der Bezug zur Salaf sei gefährlich, sondern der „Salafismus“. Solche Unterscheidungsbestregungen sind zwar verständlich, führen aber nur selten zu einer ausreichenden Differenzierung in der Wahrnehmung. Wie sehen Sie das?

Gümüş: Das ist in der Tat ein großes Problem. Auf der einen Seite existiert der nachvollziehbare Bedarf nach Erklärung und Benennung. Auf der anderen Seite stößt man bei solchen Versuchen auf seine Grenzen, wenn sie über den eigentlich fokussierten und klar abzugrenzenden Forschungsgegenstand hinaus noch andere Subjekte miterfassen.

Aufgrund des aktuellen Kontextes erleben wir das Problem bei den Begriffen „Islamismus“, „Salafismus“ und „Dschihadismus“. Die Begriffe Islam, Salaf und Dschihad sind für Muslime zentral und durchweg positiv konnotiert; sie sind konstitutiv für ihre Selbstdefinition. Durch das Suffix „ismus“ wird etwas ursprünglich Positives zu etwas grundsätzlich Negativem, „Bösem“. Wenn selbst Behörden hier manchmal nicht klar unterscheiden können, kann man eine Differenzierung auch von der Gesellschaft nicht erwarten. Hier muss etwas geschehen, es muss zu einem Umdenken kommen.

Die islamischen Religionsgemeinschaften versuchen bei jeder Gelegenheit hierauf aufmerksam zu machen und ein Umdenken anzustoßen. Die Politik zeigt zum Teil auch eine gewisse Bereitschaft, gemeinsam nach Alternativen zu suchen. Sie erkennen das Problem mittlerweile auch. Jedoch wird diese Sorge dem Anschein nach leider nicht von allen relevanten Akteuren getragen. Akademiker an den islamisch-theologischen Instituten müssen sich der Sorge der Muslime über die Zweckentfremdung islamisch-theologischer Begrifflichkeiten wie im Fall „Dschihadismus“, durch wen auch immer, stärker annehmen. Momentan ist es leider eher so, dass sie – sicherlich ungewollt – bei Tagungen oder Projekten diese Begriffe und Deutungen reproduzieren und verfestigen.

IslamiQ: Das Problem ist also ein sprachliches und kein theologisches.

Gümüş: Ja, aber mit gravierenden Folgen für die islamische Theologie. Denn durch die Verwendung theologischer Begriffe zur Kennzeichnung von problematischen Phänomenen wird auch das Problem selbst theologisiert. Viele Studien und Interviews mit Rückkehrern aus Syrien haben ergeben, dass diese Menschen über wenig bis kaum islamisch-theologisches Grundwissen verfügen. Vielmehr entsteht ein diffuses Bild alternierender, vielfältiger, potenzieller Ursachen, die sich zum erheblichen Teil auch aus unterschiedlichen Lebenssituationen ergeben, die mit ausschlaggebend für ihre Radikalisierung gewesen ist. Die Hinwendung zu problematischen und von der überwältigenden Mehrheit der Muslime abgelehnten Auslegungen islamischer Quellen ist dann häufig nicht der Auslöser der Radikalisierung, sondern das Ergebnis der Verquickung von hauptsächlich sozialen oder psychologischen Faktoren. Dies wird durch die Verwendung der Begriffe „Islamismus“, „Dschihadismus“ und „Salafismus“ häufig übermalt.

IslamiQ: Muslime werden aufgefordert, die Deutungshoheit über ihre Begriffe, die sie an extremistische Gruppen verloren zu haben scheinen, wiederzuerlangen. Wann und warum haben sie diese Ihrer Einschätzung nach verloren?

Gümüş: Die traditionellen Orte des Wissenserwerbs über die islamische Theologie waren lange Zeit islamische Bildungseinrichtungen wie Madrasas, Stiftungen, Moscheen und – wenn es um die Religionspraxis geht – die Familie oder Gesprächskreise. Das Internet ist in den letzten Jahren als neue Quelle hinzugekommen. Während bei den Ersteren eine systematische Einordnung der Quellen und der Zugang zu ihnen von einem Gelehrten oder nachweislich Fachkundigen beigebracht wurde bzw. wird, fehlt diese Instanz im Internet. Hier ist jeder sein eigener Herr. Das Internet bietet eine unüberschaubare und nur schwer überprüfbare Palette an Angeboten über die islamische Theologie. Hier ist man gänzlich auf sich selbst und dem bis dahin erworbenen oder nicht erworbenen Fachwissen überlassen. Wie bei allem anderen auch kann das Internet als Wissensquelle für den Kenner ein Segen sein, für den Laien hingegen ein Fluch.

Vor diesem Hintergrund kann kaum von einem Verlust der Deutungshoheit gesprochen werden. Denn zum einen werden spätestens seit dem 11. September im internationalen Kontext fast schon jährlich theologische Positionierungen vorgenommen. Auf der anderen Seite haben die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland schon vor Jahren begonnen, dieses Thema auf ihre Agenda zu nehmen und dazu Positionierungen zu veröffentlichen. Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) hat in ihren jährlichen Panels und Publikationen das Thema der problematischen Auslegung islamischer Quellen mehrfach aufgegriffen. DITIB hat zu diesem Thema eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht.

Ich denke, dass die Deutungshoheit auf lange Sicht nicht wesentlich gefährdet sein wird, auch wenn man diese Entwicklungen ernst nehmen muss. Es wäre aber verkehrt zu erwarten, dass es ausreichend sein könnte, wenn islamische Religionsgemeinschaften ihre Inhalte stärker im Internet platzieren. Das Internet kann – sinnvoll genutzt – nur eine ergänzende Funktion beim Wissenserwerb über den Islam einnehmen. Die eigentlichen und authentischen Institutionen und Instanzen beim Wissenserwerb waren, sind und werden weiterhin die traditionellen Orte wie Moscheegemeinden, Bildungseinrichtungen und das Zuhause sein. Hier müssen wir und sind wir aus einem islamischen Bewusstsein heraus bestrebt, mehr Menschen zu erreichen.

Weitere Interviews und Beiträge zum Thema:
Chaos der Begriffe: „Extremismus als Containerbegriff„, Michael Kiefer
„Der Kampf um islamische Begriffe“, Bekim Agai und Armina Amerika
Ismen sind Zentrismen, Ali Özgür Özdil

IslamiQ: Muslime müssen mit der Spannung zwischen ihrem Glauben und den Folgen der Taten Einzelner leben. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die belastende Atmosphäre in Deutschland auf die muslimische Jugend auswirken?

Gümüş: Es wird sehr viel über den Islam gesprochen und diskutiert. Im europäischen Kontext ist das nichts Neues. Mit ähnlichen Herausforderungen sahen und sehen sich auch Christen konfrontiert. Jedoch sind Muslime in Europa eine Minderheit – eine von immer mehr Menschen weniger akzeptierte Minderheit. Minderheiten, egal ob religiöse oder ethnische, sehen sich stets vor der Situation, sich erklären zu müssen. Gerade vor dem Hintergrund terroristischer Anschläge – angeblich im Namen des Islams – sehen sich Muslime unter einer Doppelbelastung: sich aufgrund ihrer Minderheitsposition erklären zu müssen und unter Beweis stellen zu müssen, dass man eine andere Überzeugung vom Islam hat als die Terroristen. Insbesondere junge Muslime und hier vor allem kopftuchtragende Musliminnen sind dieser Situation besonders stark ausgesetzt.

Unter dem ständigen Rechtfertigungsdruck wird der Islam für Muslime nicht selten zu einem Sammelsurium von apologetischen Argumenten – und keine Religion, die man einfach lebt. Die Religion wird zu einem Kasten von Argumenten, aus dem man sich je nach Bedarf bedienen kann. Darunter leidet das Verhältnis zur Religion.

Oft lässt sich auch eine Trotzreaktion beobachten. Jugendliche, die sich auch aufgrund ihrer Religion nicht aufgenommen und akzeptiert fühlen, können mit der Zeit neben der bestehenden Barriere weitere eigene Barrieren aufbauen. Das kann in Extremfällen zur Abkapselung von der Gesellschaft führen. Uns werden aus unseren Gemeinden immer häufiger Fälle herangetragen, in denen Kinder in der Schule von LehrerInnen skeptisch und verdächtig beäugt werden oder LehrerInnen im Unterricht abschätzige Bemerkungen über den Islam machen. Solche Fälle werden jedoch leider weitestgehend tabuisiert. Kritik an solch einem Verhalten verhallt. Ich möchte nicht alle LehrerInnen über einen Kamm scheren, denn wir kennen auch sehr viele positive Beispiele. Aber die Problemfälle finden kaum Beachtung im öffentlichen Diskurs.

IslamiQ: Die entscheidende Frage: Gibt es alternative Begriffe und Ansätze?

Gümüş: Es ist einfacher, Kritik an Begriffen wie „Dschihadismus“, „Salafismus“ oder „Islamismus“ zu üben als nach alternativen Begrifflichkeiten zu suchen. Wie bereits erwähnt, belegen Studien zu Rückkehrern oder zum Klientel in Deradikalisierungsstellen, dass es sich bei diesen Personen um theologische Analphabeten handelt. Ich möchte damit keineswegs sagen, dass dieses Phänomen nichts mit dem Islam zu tun hat, sondern versuchen einzuordnen, welche Rolle die Religion hier spielt. Denn immerhin rekurrieren extremistischen Organisationen in ihrer Argumentation, Sprache und Symbolik auch auf den Islam als Referenz. Das kann nicht ausgeblendet werden. Auch kann nicht ausgeblendet werden, dass sie des Islams instrumentell bedienen. Vor diesem Hintergrund sollte statt von „Salafismus“, „Dschihadismus“ oder „Islamismus“ eher vom „den Islam instrumentalisierendem Extremismus “ gesprochen werden.

Außerdem ist es fahrlässig, eine jahrhundertealte islamische Bedeutungsgeschichte, die z. B. hinter dem Begriff Salaf oder Dschihad steht, für gewaltbereite Strömungen zu entfremden, um so einen schnellen Referenzrahmen für Rezipienten zu bieten. Die Beschreibung „den Islam instrumentalisierender Extremismus“ ist eine faktisch korrekte Begrifflichkeit, weil sie den Referenzrahmen umfassend und zutreffend berücksichtigt. Dieser soll keineswegs dazu dienen, eine neue Definition von zu formulieren. Er umfasst auch weiterhin nur die Personengruppen oder Phänomene, die versuchen, das Grundgesetz zielgerichtet aktiv kämpferisch zu beseitigen.

Das Interview führte Ali Mete.

Leserkommentare

Andreas sagt:
@Manuel: Die Muslime in Deutschland versuchen doch gar nicht, ihre vermeintlich mittelalterlichen Dogmen durchzudrücken. Sie nehmen lediglich für sich in Anspruch, dass die grundgesetzliche Religionsfreiheit auch für sie gelten muss. Niemand fordert von Ihnen, dass Sie im Ramadan fasten sollen oder dass Sie fünfmal am Tag beten sollen. Diese Rechte wollen die Muslime lediglich für sich durchsetzen.
06.04.17
17:27
Andreas sagt:
@all-are-equal: Die Mormonen verstehen sich nicht als eigenständige Religion, sondern sind Christen. Und Christen haben im Namen ihres Herrn sehr wohl Religionskriege geführt. Auch Terroranschläge von Christen gibt. Wie es sie auch von Kommunisten gibt und sogar von Buddhisten. Jede Weltanschauung ist nutzbar für Gewalt. Da ist der Islam kein Einzelfall. Entsprechend sollte man ihn auch nicht so behandeln.
06.04.17
17:32
Johannes Disch sagt:
Charley -- Und die Einteilung in Rechtgläubige und Ungläubige ist per se Rassismus" (Charley) Wenn wir moderne ethische Standards auf alte religiöse Schriften anlegen, dann sind sie alle rassistisch. Auch in der Bibel-- in AT und NT-- finden Sie solche Einteilungen. Nichtchristen kommen nach christlicher Lehre auch nicht ins Himmelreich, wenn sie nicht vorher noch die christliche Erleuchtung packt und sie sich bekehren (lassen) zum angeblich einzig richtigen Glauben. So gegen den Islam und Muslime zu argumentieren ist also unfair. Nicht umsonst orientiert sich das GG bei der Religionsfreiheit nicht am Inhalt der Heiligen Schriften, sondern an der Glaubenspraxis der Anhänger. Ein religiöser Glaube muss nicht mit unserer Verfassung vereinbar sein. Das verlangt unser GG nicht. Der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm hat das mal prima auf die griffige Formel gebracht: "Kein Glaube muss mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Aber nicht alles, was ein Glaube verlangt, darf auch unter dem Grundgesetz verwirklicht werden." Und die Einteilung in "Rechtgläubige" und "Ungläubige" ist im Islam schon lange aufgehoben. Schon im Jahre 1988 erließ die Kairoer Al-Azhar-Universität; die zentrale Instanz für Fragen des sunnitischen Islam, dem über 90% der Muslime anhängen; eine Fatwa, die Menschen einteilt in "Rechtgläubige" (Muslims) und "Andersgläubige." Ebenfalls aufgehoben ist die alte Einteilung in "Dar Al Harb" (Haus des Krieges) und "Dar al Islam" ("Haus des Friedens / "Haus des Islam"). Ebenfalls aufgehoben ist die Bedeutung des Begriffes "Djihad" als "Krieg." Dass Fundamentalisten; die in der Regel theologische Analphabeten sind; sich nicht daran halten, dafür kann Al Azhar nichts. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese alte Einteilung längst nicht mehr gilt.
07.04.17
17:06
Charley sagt:
@Johannes Disch: Ich halte es für zu einfach, zu sagen, dass "alle" Religionen rassistisch sind. Das Christentum identifiziere ich tatsächlich mit dem NT, das AT wird gern ihm zugerechnet, ist aber doch für sich zu sehen und zu verstehen. Es gibt einen weiteren starken Unterschied zwischen Islam und Christentum. Während der Islam in seinem ganzen Duktus auf Buchstabenglauben gebaut ist und insofern einem Fundamentalismus großen Vorschub leistet (man schaue in die Alltagspraxis oder auch einfach auf die leidige Kopftuchdiskussion hier, oder die ums Schächten usw.usf.!), stößt das Christentum den einzelnen Christen immer wieder auf sich selbst zurück, selbst eine Praxis für die prinzipielle Idee zu erfinden. So ist das Liebesgebot (worin ich letztlich allein den Inhalt des Christentums sehe) so allgemein, dass es im konkreten vom Einzelnen individualisiert werden muss. (War die Reinigung des Tempels (Hinausprügeln der Händler) ein Akt der Liebe?)..... Wenn man von "durchgeknallten" Fundamentalisten in den USA absieht, findet man in Europa eben überall dieses Christentum, welches als wesentlichen Inhalt das Ringen um die Selbstorientierung hat! Genau davon "befreit" der Islam, indem er ständig dem "Gläubigen" klar sagt, was Allah will, und wenn er Allah nicht versteht, so sagts der Iman oder die "Tradition/religiös gelebte Folkore". Das ist in der Beobachtung des Alltags tatsächlich noch erheblich heftiger als im Katholizismus, der für sich am islamähnlichsten in diesem Sinne (autoritäre Führung der Gläubigen) ist. Konkret würde ich mich wundern, wenn es ein typisch christlicher Duktus ist, auf "Andersgläubige" herab zu schauen (tja, leider im "irrtümlichen Glauben befangen"), wie er mir allerdings in religiösen Fragen bei Moslems als die Regel erscheint. Es geht hier um die Frage des Gewichts des eigenen Glaubens gegenüber dem des Andersgläubigen (nicht um allgemeine Alltagstoleranz). Das hängt eben auch mit dem Buchstaben/Koranglauben zusammen, dass eine Aussage im Koran schon per se die "Weisheit" und "Wahrheit" ist und gar nicht mehr individualisiert werden muss. Man überlege sich, was das für Wortfrömmelei bedeutet, dass Raif Badawi durch 3maliges Aufsagen des Glaubensbekenntnisses sein Moslemsein beweisen konnte und so schon mal der Hinrichtung als Apostat entgehen konnte. Interessant ist, was Sie schreiben über di Kairoer Al-Azhar-Universität, dass sie also tatsächlich so etwas wie eine Lehrautorität im Islam inne hat. Das würde ja fast einem "Papst" entsprechen ("Unfehlbarkeitsdogma"). Ob die Maßgaben der Kairoer Al-Azhar-Universität allerdings im Kopf und dann der Gemütshaltung des einzelnen Moslems angekommen sind oder ankommen werden/können, ist dann noch eine andere Frage. Bei der Diyanet mit ihren Märtyrercomics scheinbar noch nicht!? Sicherlich sind diese Themen nicht schwarz-weiß zu zeichnen, allerdings auch nicht pauschal vom Tisch zu wischen. Vielleicht hängt der Buchstabenglaube des einzelnen Moslems doch auch am "Alter der Religion", denn im 13.Jhrd. war das Christentum noch wenig bereit, dem Einzelnen eine geistliche Selbstorientierung zu zu sprechen (solche landeten oft auf dem Scheiterhaufen). Zugleich - um doch wieder prinzipiell zu werden - stellen sich gegenüber dem Buchstabenglauben erhebliche philosophische Fragen (auch die nach dem im Menschen, der eine Selbstorientierung überhaupt leistet/leisten kann. Das ist meine Hauptfrage an den Islam, nämlich sein Ich-Menschenbild/begriff und dessen Zusammenhang mit dem diesem maßgebenden Allah). Es geht hier übrigens nicht um ein rechtliches (GG) Festklopfen des Rassismusbegriffs, sondern um die (rassistische) Überheblichkeit der "Rechtgläubigen", die diese an mich im Alltag heran tragen ohne sich überhaupt genauer für die Qualität meines Glaubens zu interessieren. Wegen der Äußerlichkeit der islamischen Religon liegen hier - wie mir scheint - prinzipielle Schwierigkeiten im Islam, d.h. nur ein Glaube, der mit sich selbst Zweifel und Orientierungnot kennt, kann das spirituelle Ringen eines "Andersgläubigen" überhaupt wertschätzen und - jenseits aller Wortklauberei - für AUCH berechtigt anerkennen. Es geht auch noch um etwas anderes: Was einen "Christen" quaifiziert, "ins Himmelreich" zu kommen, ist gar nicht so klar und sicher (dazu gibts genug Gleichnisse im NT und welches der Akt ist, durch den man "seine Kleider rein/weiß gewaschen hat im Blute des Lammes" (Apokalypse/Offenbarung des Johannes). Vor allem denke ich, dass das Christentum eine neue, viel größere Sicht auf diese Dinge entwickeln wird, wenn es sich mit dem Reinkarnationsgedanken vebindet, der derzeit breit in die Kultur drängt. Da sind so viele Fragen offen, dass ich den Christen sehen will, der sich hinstellt und meint, Gottes Meinung/Urteil zu kennen! Im Islam wird (die kath. Kirche hat das schon längst überwunden) allerdings immer noch stellvertretend für Allah Todesurteile über Glaubensabtrünnige gefällt. Das ist solch ein massiv gelebter Rassismus, dass hier erheblicher Selbsterklärungsbedarf seitens der Moslems besteht, egal, was die Kairoer Al-Azhar-Universität gesagt hat.
09.04.17
13:21
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Ein Blick in die islamischen Länder genügt und wir sehen, dass diese Einteilung noch immer gängige Praxis ist, den in welchen islamischen Land werden denn nicht nicht-islamische Minderheiten entweder diskriminiert oder sogar verfolgt! Ja es werden in einigen Ländern sogar Nicht-Moslems gezwungen, die mittelalterlich islamischen Dogmen auch noch zu befolgen!
09.04.17
19:15
Manuel sagt:
@Andreas; Sicher versuchen das einige Moslems, ich denke da nur an dem Schimmunterricht an Schulen oder an dem Sexualkundeunterricht oder das man Frauen nicht die Hand gibt, also tun Sie hier bitte nicht so als, wenn alles super toll wäre!
09.04.17
19:17
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Die Äußerung des ehemaligen Verfassungsrichter Dieter Grimm "Kein Glaube muss mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Aber nicht alles, was ein Glaube verlangt, darf auch unter dem Grundgesetz verwirklicht werden." ist höchst fragwürdig. Könnten nach dieser Logik dann auch politische Parteien in ihren Statuten z.B. entschädigungslose Enteignungen verankern. Wäre das solange nicht zu beanstanden als nicht zu Taten geschritten wird. „Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo ihr sie trefft, und ergreift sie, und belagert sie, und lauert ihnen auf in jedem Hinterhalt.“ - Sure 9, 5 Dieser Koranvers steht in der Ausgabe des Koran, die ich besitze noch immer drinnen. In meiner Bibel finde ich im Markusevangelium 16:16: Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
10.04.17
9:05
Charley sagt:
vielleicht war mein Statement zu lang, dass es hier nicht veröffentlicht wurde? Hier nochmal anders: @Johannes Disch: Ich halte es für zu einfach, zu sagen, dass "alle" Religionen rassistisch sind. Es scheint mir auch unfair, das ganze AT dem Christentum „anzukleben“. Es gibt einen starken Unterschied zwischen Islam und Christentum. Während der Islam in seinem ganzen Duktus auf Buchstabenglauben gebaut ist und insofern einem Fundamentalismus großen Vorschub leistet (man schaue in die Alltagspraxis oder auch einfach auf die leidige Kopftuchdiskussion hier, oder die ums Schächten usw.usf.!), stößt das Christentum den einzelnen Christen immer wieder auf sich selbst zurück, selbst eine Praxis für die prinzipielle Idee zu erfinden. So ist das Liebesgebot (worin ich letztlich allein den Inhalt des Christentums sehe) so allgemein, dass es im konkreten vom Einzelnen individualisiert werden muss. Wenn man von "durchgeknallten" Fundamentalisten in den USA absieht, findet man in Europa eben überall dieses Christentum, welches als wesentlichen Inhalt das Ringen um die Selbstorientierung hat! Genau davon "befreit" der Islam, indem er ständig dem "Gläubigen" klar sagt, was Allah will, und wenn er Allah nicht versteht, so sagts der Imam oder die "Tradition/religiös gelebte Folkore". Das ist in der Beobachtung des Alltags tatsächlich noch erheblich heftiger als im Katholizismus, der für sich am islamähnlichsten in diesem Sinne (autoritäre Führung der Gläubigen) ist. Konkret würde ich mich wundern, wenn es ein typisch christlicher Duktus ist, auf "Andersgläubige" herab zu schauen (tja, leider im "irrtümlichen Glauben befangen"), wie er mir allerdings in religiösen Fragen bei Moslems als die Regel erscheint. Es geht hier um die Frage der Gewichtung des eigenen Glaubens gegenüber dem des Andersgläubigen (nicht um allgemeine Alltagstoleranz). Das hängt eben auch mit dem Buchstaben/Koranglauben zusammen, dass eine Aussage im Koran schon per se die "Weisheit" und "Wahrheit" ist und gar nicht mehr individualisiert werden muss. Man überlege sich, was das für Wortfrömmelei bedeutet, dass Raif Badawi durch 3maliges Aufsagen des Glaubensbekenntnisses sein Moslemsein beweisen konnte und so schon mal der Hinrichtung als Apostat entgehen konnte. Interessant ist, was Sie schreiben über di Kairoer Al-Azhar-Universität, dass sie also tatsächlich so etwas wie eine Lehrautorität im Islam inne hat (päpstliche "Unfehlbarkeit"?). Ob die Maßgaben der Kairoer Al-Azhar-Universität allerdings im Kopf und dann der Gemütshaltung des einzelnen Moslems angekommen sind oder ankommen werden/können, ist dann noch eine andere Frage. Bei der Diyanet mit ihren Märtyrercomics scheinbar noch nicht!? Vielleicht hängt der Buchstabenglaube des einzelnen Moslems doch auch am "Alter der Religion", denn im 13.Jhrd. war das Christentum noch wenig bereit, dem Einzelnen eine geistliche Selbstorientierung zu zu sprechen (solche landeten oft auf dem Scheiterhaufen). Zugleich - um doch wieder prinzipiell zu werden - stellen sich gegenüber dem Buchstabenglauben erhebliche philosophische Fragen (auch die nach demjenigen im Menschen, der eine Selbstorientierung überhaupt leistet/leisten kann. Das ist meine Hauptfrage an den Islam, nämlich sein Ich-Menschenbild/begriff und dessen Zusammenhang mit dem diesem maßgebenden Allah).
10.04.17
9:56
Charley sagt:
@ Johannes Disch: Es geht hier übrigens nicht um ein rechtliches (GG) Festklopfen des Rassismusbegriffs, sondern um die (rassistische) Überheblichkeit der "Rechtgläubigen", die diese an mich im Alltag heran tragen ohne sich überhaupt genauer für die Qualität meines Glaubens zu interessieren. Wegen der Äußerlichkeit der islamischen Religon liegen hier - wie mir scheint - prinzipielle Schwierigkeiten im Islam, d.h. nur ein Glaube, der mit sich selbst Zweifel und Orientierungnot kennt, kann das spirituelle Ringen eines "Andersgläubigen" überhaupt wertschätzen und - jenseits aller Wortklauberei - für AUCH berechtigt anerkennen. Es geht auch noch um etwas anderes: Was einen "Christen" quaifiziert, "ins Himmelreich" zu kommen, ist gar nicht so klar und sicher (dazu gibts genug Gleichnisse im NT und welches der Akt ist, durch den man "seine Kleider rein/weiß gewaschen hat im Blute des Lammes" (Apokalypse/Offenbarung des Johannes). Da sind so viele Fragen offen, dass ich den Christen sehen will, der sich hinstellt und meint, Gottes Meinung/Urteil zu kennen! Im Islam wird (selbst die kath. Kirche hat das schon längst überwunden) allerdings immer noch stellvertretend für Allah Todesurteile über Glaubensabtrünnige gefällt. Das ist solch ein massiv gelebter Rassismus, dass hier erheblicher Selbsterklärungsbedarf seitens der Moslems besteht, egal, was die Kairoer Al-Azhar-Universität gesagt hat.
10.04.17
9:57
Andreas sagt:
@Manuel: Sie diffamieren eine ganze Religion, weil es einige Moslems gibt, die dies oder das tun oder verweigern. Das kann man natürlich machen. Damit bewegt man sich aber dann auf dem Boden der Islamfeindlichkeit. Den "einige" sind nicht Repräsentativ für die Gesamtheit.
10.04.17
15:10
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