Der „Moscheereport“

Was bedeutet eine Moschee für Muslime?

Der „Moscheereport“ von Journalist Constantin Schreiber erhitzt derzeit die Gemüter. Was Moscheen für Muslime wirklich bedeuten und warum die Titel der Sendungen ungerechtfertigt sind, erklärt IslamiQ-Redakteurin Esra Ayari.

03
04
2017
Der Moscheereport
Der Moscheereport © Facebook, bearbeitet by iQ.

Moschee. Ein Wort, das unterschiedlichste Assoziationen hervorruft – oft leider negative. Geschuldet ist dieser Umstand momentan auch dem „Moscheereport“ des ARD-Journalisten Constantin Schreiber, der sich die Freitagspredigten von 13 Moscheen angehört und sie zu deuten versucht. Dabei stößt er bei vielen auf Kritik.

Was ist überhaupt eine Moschee und welche Bedeutung hat sie für einen Muslim, eine Muslimin? Als Kind habe ich – wie viele andere – am Wochenende in einer umgebauten Lagerhalle in einem Hinterhof, ähnlich wie die Hamburger Moschee in der Reportage, mit sieben Jahren angefangen das arabische Alphabet zu lernen. Dort lernte ich die ersten Suren auswendig und das richtige Beten. Ich erfuhr, warum Muslime fasten, warum sie die Pflicht haben, ihre Mitbürger zu respektieren und den Bedürftigen zu helfen. In der Woche ging ich nach der Schule in diese Moschee, um bei der kostenlosen Hausaufgabenhilfe meine Schulaufgaben zu machen.

In dieser Moschee nahm ich an Theaterspielen, Spendenaktionen, Tanz- und Kulturveranstaltungen, Vernissagen, Hochzeiten und Sportveranstaltungen teil. In dieser Moschee brach ich gemeinsam mit Hunderten mein Fasten und betete danach mit ihnen Schulter an Schulter. In dieser Moschee fand ich Ruhe, ich fand Freunde.

In meiner Zeit als Studentin lernte ich manchmal in dem Gebetsraum der Moschee und die lieben „Teyzes“ (Tanten) sprachen ein Bittgebet für mich, damit ich die Prüfungen bestehe. Als kleines Kind ging ich an der Hand meines Großvaters zu dieser Moschee, wo ich meinen ersten Koran von ihm geschenkt bekommen hatte. Auch war es diese Moschee, in der wir Jahrzehnte später das Totengebet für ihn beteten. Von solchen tagtäglichen Erfahrungen erfährt man in dem „Moscheereport“ nichts.

Herangehensweise gerecht?

So richtig die anfangs gestellten Fragen von Constantin Schreiber auch sind, so falsch ist die Herangehensweise. Als Ergebnis seines „Moscheereports“ fasst der Journalist zusammen, dass es ihn „enttäuscht, teilweise entsetzt“ hat. Dabei lässt mich der Eindruck nicht los, dass eingangs konstruierte Urteile über Moscheen und Muslime bestätigt werden wollen. Dies ist vor allem auch an  der Diskussionsrunde im Studio, die den Aufnahmen aus der Moschee folgt, bemerkbar. An dem Wort Gerechtigkeit festhaltend, da dieser in der gezeigten Freitagspredigt eine zentrale Rolle spielt, möchte Schreiber von seinen Studiogästen, dem Vorsitzenden der Schura Hamburg Daniel Abdin und der Ethnologin Susanne Schröter, wissen, ob es gerecht sei, dass muslimische Frauen oft nicht die Möglichkeit hätten, in Moscheen zu beten. Doch ist es gerecht diese Frage ohne eine betroffene Muslimin zu diskutieren? Kann der besorgte Unterton des Journalisten bei diesem Umstand ernst genommen werden? Es gibt genügend muslimische Frauen, die sich dieser  berechtigten Thematik gewidmet haben.

Die Freitagspredigten sollen in dem „Moscheereport“ die zentrale Rolle spielen, doch ist es gerecht, dass die Beziehung zum Nachbarn, die der Imam in dem Auszug aus seiner Predigt schwerpunktmäßig behandelt, in der besagten Diskussionsrunde überhaupt nicht zur Sprache kommt?

Ist es außerdem gerecht, Schreibers Buch „Inside Islam“ zu nennen, wenn nur 20 von 2750 Moscheen besucht wurden? In diversen Interviews gab der 37-Jährige Journalist zudem an, dass er durch den bevorstehenden Applaus von rechter Seite sich dennoch nicht davon abbringen lassen möchte, die wichtigen Fragen anzusprechen. Doch ist es nötig von populistischen Phrasen Gebrauch zu machen, die exakt diese Wählerschaft anspricht?

Moscheen werden problematisiert

Moscheen sind oftmals Gegenstand vieler Debatten. Dabei wird oft kritisiert, dass sie in erster Linie als potenzielle Radikalisierungsstätte gesehen und oftmals problematisiert werden. Dieser Eindruck wird durch den „Moscheereport“ bestätigt. Um tatsächlich Gebrauch von Titeln wie „Inside Islam“ und „Moscheereport“ zu machen, hätte Schreiber sich ausgewogener und ausführlicher an die Thematik nähern müssen. Doch er möchte die „Reise durch Deutschlands Moscheen“ als eine Odyssee in das „Fremde“ vermarkten. Doch sind Moscheen wirklich so fremd? Denn immerhin kann man die Freitagspredigten der vier großen islamischen Religionsgemeinschaften seit langen Jahren auf ihren Internetseiten nachlesen. Jedes Jahr laden über 1000 Moscheen zum „Tag der offenen Moschee“ ein, abgesehen von unzähligen Begegnungs- und Gesprächsmöglichkeiten.

Ein Format mit dem Titel „Moscheereport“ kann nur gelingen, wenn ein ganzheitlicher Blick in die Moscheen gewährleistet wird. Eine Moschee ist nicht nur eine Gebetsstätte, sondern ein Ort der Besinnung, der Begegnung und ein Ort voller Erinnerungen. Warum erntet der Report so viel Kritik? Weil all dies nicht berücksichtigt wird. Es mag sein, dass er stichprobenartig wiedergibt, was in einzelnen Moscheen gepredigt wurde, doch er gibt nicht die Geschichte hinter den Menschen wieder, die diese Moscheen zu dem machen, was sie sind.

 

Leserkommentare

Charley sagt:
Habe soeben im Stern vom 23.3.17 das Interview mit Hrn Schreiber gelesen. Das hat einen ganz anderen Duktus, als was im obigen Artikel gezeigt wird. Die Offenheit, mit der Herr Schreiber sich an sein Projekt machte und die Engigkeit, die er in den Moscheen erlebte, stechen deutlich hervor. Engigkeit, was ist damit gemeint? Das richtiges Muslimsein eben darin besteht, sich mit nur mit Glaubensbrüdern abzugeben. D.h. die Begegnung mit der deutschen/europäischen Kultur wird bereits als Verunsicherung, Verführung Sünde, als Verunreinigung angesehen! Stets alles "konservativ und wenig integrativ". Dass z.B. ein Syrer die Predigt konservativer als daheim in Syrien erlebte! - Warum wohl?! Je größer die Sorge vor In-Frage-Stellung, desto heftiger das Verkrampfen in Konservatismen. So auch die Warnung vor der "größten aller Gefahren - die Weihnachtsgefahr" (und natürlich dann auch Sylvester!)... als Warnung in einer Berliner Moschee am 23.12., wenige Tage nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt! ... Herr Schreiber hat seit dem Buch weiter Moscheen besucht, 5 bis zum Interview, Fazit: "Ich würde so gern ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahlt, eine Brücke baut zum Leben in Deutschland. Ich habe sie bisher nicht gefunden. Aber ich suche weiter." Vielleicht mal hier aus islamiq sich dazu positionieren, anstatt nur beleidigt zu sein, weil sich jemand offen für die moslemische Moscheenpredigten interessiert?!
10.04.17
9:39
Andreas sagt:
@Joachim: Meine Aussagen zur Radikalisierung hat sich auf eine Behauptung von Manuel bezogen, dass in Moscheen radikalisiert würde. Und der Vergleich mit chinesischen Restaurants ist unsinnig. Da vergleichen Sie zwei Dinge, die man nicht vergleichen kann.
10.04.17
15:04
joachim sagt:
ich hab das buch grade fertig. er hat keine weltoffene predigt gefunden.
10.04.17
16:12
Johannes Disch sagt:
@Charley Schreiber hat grade mal 13 Moscheen besucht. 13 von ca. 2500. Schreiber sucht weiter? Wunderbar. Da hat er ja noch einiges zu tun und die Chance ist groß, fündig zu werden, nach dem, was er sucht.
11.04.17
10:53
Charley sagt:
@Johannes Disch: Sie unterstellen, dass er eben solch reaktionäre Moscheen nicht nur zufällig besucht, sondern zielstrebig gesucht hat? Das wäre erst mal zu beweisen.... oder einfacher, erzählen Sie doch bitte von den Erlebnissen weltoffener Predigten voller Interesse sich mit zeitgenössischen, mitteleuropäischen Lebensqualitäten konstruktiv auseinander zu setzen.... Ich meine, dass er genau das Problem des Islam beispielhaft getroffen hat, dass auch erklärt, weshalb der - auch von Ihnen favorisierte - Euro-Islam zwar proklamiert, konzipiert ist (vermutlich von den besseren Köpfen unter den Moslems hier), aber leider gar nicht im Alltag der vielen Moslems wirklich gar nicht ankommt, vllt. noch viel weniger in den Gedanken der Imame und vielleicht am allerwenigsten bei den DITIB-Imamen?!
11.04.17
12:09
Johannes Disch sagt:
@Charley Nein. Das unterstelle ich Schreiber nicht. Wie kommen Sie denn darauf? Aber es ist evident, dass man aus 13 Freitagspredigten nicht auf "Den Islam" in Deutschland schließen kann, wie es mache aus der "Ich-hab-so-angst-vor-dem Islam"-Fraktion tun. Schreiber selbst räumt erfreulicherweise ein, dass er keinen Anspruch auf Repräsentativität aus seinen persönlichen Erfahrungen ableitet.
13.04.17
13:42
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Jede Moschee, in der Dinge gepredigt werden, die unsere liberal-säkularen Gesellschafsordnung entgegenstehen, ist eine zuviele und eigentlich sofort gehören geschlossen!
15.04.17
16:20
Charley sagt:
@Johannes Disch: Ende warum wird ihm dann der Vorwurf gemacht, nicht(s) Repräsentatives zu schildern? Zumindest im Hinblick darauf hier diskutiert? Ich hab hier gelernt, dass der Islam durchaus eine hohe Gesiteskultur für hohe Geister bieten kann, aber meine Alltagserfahrung ist eher Geistesengigkeit. Schon allein die unterschwellige Aggression, das man ggf sich in Lebensgefahr bringt, wenn man Witze über den Koran, Allah oder Mohammed macht, ist in Wahrheit krank! Wer so denkt, gehört nicht nach Europa! Da könnten die Moslems kilometerweit v d Juden lernen! Der Islam der Straße ist unterschwellig aggressiv, weil borniert, überheblich und reaktionär. Und dass das Abgrenzen v d Moscheen (mit) ausgeht, stellt Schreiber eindrücklich dar. Als in Italien i letzten Sommer der italienische Schuhverkäufer mich fragte, ob mir die Schuhe, für die sich meine Freundin schon entschieden hatte, auch gefallen würden, sagte ich schmunzelnd, ich hatte keine Lust zu antworten, dass wir keine Moslems seien und meine Freundin das selbst entscheiden würde. Da schnauzt mich ein Kassierer an, wer denn da was gegen den Islam sagen würde? Der Verkäufer war völlig verunsichert. Ich sagte scharf und klar was von Europa und Meinungsfreiheit und wir gingen raus. - Man braucht nicht viele solcher direkten und persönlichen Erfahrungen, um fertig zu sein mit dem Islam! Wie ist es denn hier auf Islamiq mit der Toleranz bei Humor. Hinter jedem Lachverbot steht Drohung und Machtanspruch. Wer da nicht Größe zeigt disqualifiziert sich in Europa! Ich finde es nett, dass Schreiber so interessiert in die Moscheen geht! Man sollte dankbar sein und sich nicht über seine Erfahrungen beschweren, sondern sie als Eindrücke eines offenen Außenstehenden wahrnehmen und sie sich zu Herzen nehmen, gerade wenn zufällig (!) so ein klarer Eindruck entsteht.Ansonsten schiebt man es hochmütig zur Seite aus einem (moslemischen?) Überlegenheitgefühl. .... Und bestätigt damit Schreiber. Wie viele Moscheen haben Sie Hrn Schreiber schon empfohlen, in denen er garantiert etwas anderes hören wird, egal wann er da hingeht? Wie viele solche Moscheen kennen Sie?
15.04.17
22:13
Dilaver sagt:
Was Constantin Schreiber betreibt, ist keine Kritik, sondern Volksverhetzung vom feinsten, welche nicht zurückgewiesen gehört, sondern direkt in die Tonne gekloppt. Danke für den Artikel, welcher die Lebenswirklichkeit von Moscheen in Deutschland treffend beschreibt, die jeder in der Moschee vor Ort beobachten und erleben kann. Nichtmuslime haben die Möglichkeit, die Moschee vor Ort höchstpersönlich aufzusuchen und dort mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Dabei muss es nicht einmal um religiöse Themen gehen, sondern um profane Alltagsthemen.
16.04.17
0:51
Charley sagt:
und auch an Sie, @Dilaver: Listen Sie doch mal jene Moscheen auf, wo man jederzeit in die Predigt gehen kann, und weltoffene, die europäische Kultur (mit) bejahende Predigten hören kann! Schicken Sie doch Hrn .Schreiber mal diese Liste. Er würde bestimmt gern hingehen! Wenn sich anschaut, was er an Brücken zu bauen versucht in seinen Sendungen, dann kann man nur sagen: Respekt!!! Wenn von moslemischer Seite genauso Brücken gebaut würden zur Europäischen Kultur, wir wären viel weiter als wo wir heute stehen. Was Sie hier schreiben, ist nicht mal ein Kommentar, sondern reine Polemik! Gehaltloser gehts kaum!
18.04.17
8:52
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