Die Simpsons sind weltbekannt. Mit feinsinniger Satire geht die Serie oft auch auf gesellschaftliche Themen ein. Das Buch „Religion? Ay Caramba“ beschäftigt sich mit dem Religiösen in der Simpsons-Welt.
Homer Simpson steht vor einer Menschenmenge. Außer einem weißen Tuch und einer schwarzen Kippa hat er nichts an. Die Menge lauscht ihm gebannt: „Wenn wir ganz ehrlich sind, machen doch alle Religionen dasselbe. Sie sagen euch, was man essen und wann man beten soll.“ Homers Zuhörer scheinen in ihm so etwas wie den Erlöser zu sehen. So fährt Homer fort: „Zelebriert das, was ihr gemeinsam habt: Manche essen kein Schwein, andere keine Krustentiere – aber wir alle lieben Hähnchen!“ Die Menge jubelt ihm zu und skandiert den Slogan: „Friede und Hähnchen!“
Seit mehr als 25 Jahren laufen die Geschichten über Homer Simpson, seine Frau Marge und die Kinder Bart, Lisa und Maggie weltweit im TV. Inzwischen gibt es weit über 600 Folgen in 28 Staffeln, weitere sind geplant. Auch wenn es sich um Zeichentrick handelt – eine harmlose Kinderserie sind die Simpsons nicht. Vielmehr schuf der studierte Philosoph Matt Groening Ende der 1980er eine Satire des westlichen Lebensstils. Das Buch „Religion? Ay Caramba“ beschäftigt sich mit dem Religiösem in der Simspons-Welt. Denn auch davor machen die gelben Wesen nicht Halt.
„Die Serie ist gewissermaßen ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Johannes Heger. Der Freiburger Religionspädagoge, Mitherausgeber des Bandes und bekennender Simpsons-Fan, hat mit dem Kirchenhistoriker Thomas Jürgasch zu der Serie geforscht. Wer Theologie gegenwartsbezogen betreiben will, müsse sich der Popkultur bedienen. Zudem sei es nicht leicht, Bilder und Fragestellungen in der Theologie zu finden, mit denen Menschen heute noch etwas anfangen können, so Jürgasch. „Man muss in die gegenwärtige Welt hineinsprechen und Bilder benutzen, die bereits vorhanden sind. Dazu kann die Serie viele hilfreiche Anregungen geben“, sagt der Kirchenhistoriker.
Im Bereich der Religion veralbern die Simpsons vor allem Themen, die aus Sicht der heutigen Kultur problematisch sind. Sie werfen zum Beispiel die Frage auf, wie zeitgemäße Seelsorge, Gemeindeformen und Gottesdienste aussehen könnten. Da gibt es die Figur des Reverend Hooper, der sich bei seiner Gemeinde anzubiedern versucht. Sein Auftreten besteht vor allem aus Filmzitaten und Verweisen auf Serien, da die Kirchenbesucher nach Hoopers Vermutung gerne Filme schauen: Die Autoren sehen darin das Beispiel für eine Kirche, die sich einschleimen will. „Wenn die Kirche nur den Geschmack der Leute treffen will, ohne eigene Positionen zu vertreten, dann wird es problematisch“, so Jürgasch.
Der Erfinder der Simpsons, Matt Groening, bezeichnet sich selbst als Agnostiker. In einem Interview sagte er: „Wenn es einen Gott gibt, sprechen alle Anzeichen dafür, dass er mich hasst.“ Auch wenn Gott für Groenings Leben keine Rolle spielt – in der Serie hat er eine. So begegnet Homer in einer Folge seinem Schöpfer. An einem bitterkalten Sonntag weigert sich Homer, zur Kirche zu gehen, wo seine Familie mit der bibbernden Gemeinde ausharrt. Während Reverend Lovejoy eine langatmige und langweilige Messe feiert, bleibt Homer auf der heimischen, warmen Couch. Im Traum erscheint ihm ein verständnisvoller Allmächtiger, der bekennt: „Manchmal würde ich mir auch lieber ein Footballspiel anschauen.“ Dass nicht jeder diese Art Humor teilt, können die Freiburger Theologen verstehen. Man müsse sich jedoch der Kritik stellen und daran seinen persönlichen Glauben reflektieren.
Dabei kritisieren die Simpsons nicht nur die Religionen, sondern auch den Umgang der Gesellschaft mit ihnen. In dem jetzt erschienenen Sammelband setzt sich der Münsteraner Islamwissenschaftler Milad Karimi mit der Frage auseinander, wie die Simpsons mit dem Islam umgehen. Sein Ergebnis: Wenn die Simpsons Muslime thematisieren, dann sehr negativ, etwa als Terroristen. Das sei zwar eine sehr einfache, aber dennoch repräsentative Weise, „wie unsere Gesellschaft überhaupt etwas mit dem Islam zu tun haben will“, so Karimi. Die Macher der Simpsons karikierten nicht den Islam, sondern das Denken der westlichen Gesellschaft über ihn.
Dabei wollen die Simpsons jedoch nicht nur kritisieren, sondern auch Anstöße geben, wie sich an der Figur des kleinen Bashir bin Laden zeigt. Er und seine Eltern sind Muslime und stammen aus Jordanien.
Die Bewohner Springfields sehen sie als potenzielle Gefährder, die in ihrer Garage bomben bauen. Bart Simpson lässt sich davon aber nicht abschrecken und freundet sich mit Bashir an. Durch die Freundschaft schaut Bart hinter die Vorurteile und entdeckt: Bashirs Eltern sind hochgebildete Wissenschaftler, die sich und ihr Können in die Gesellschaft einbringen. (KNA, iQ)