Kopftuch in der Arbeitswelt

Arbeitsrechtler: Kopftuch-Verbot darf keine Diskriminierung sein

Dürfen Unternehmen religiöse Symbole am Arbeitsplatz verbieten? Ja, sagt ein Justizexperte – aber es gibt Bedingungen. Er verweist auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

19
04
2017
Mein Körper, Mein Recht, mein Recht auf Selbstbestimmung © Dokustelle Muslime
Mein Körper, Mein Recht, mein Recht auf Selbstbestimmung © Dokustelle Muslime

Darf die Kundenberaterin eines Drogeriemarkts ein Kopftuch tragen? Diese Frage soll das Arbeitsgericht in Heidelberg am (heutigen) Mittwoch klären. Der Arbeitsrechts-Experte Thomas Färber sagt im Interview der Deutschen Presse-Agentur: „Es dürfen zwischen den jeweiligen religiösen Symbolen keine Unterschiede gemacht werden.“

Darf die Geschäftsführung ein Kopftuch verbieten?

Thomas Färber: Das kommt auf den Einzelfall an. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jüngst entschieden, dass Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuches untersagen dürfen, wenn im jeweiligen Unternehmen das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens gleichermaßen untersagt ist. Die Einschränkung muss also für alle Mitarbeiter gelten – unabhängig von der Glaubenszugehörigkeit. An diese Feststellungen des EuGH müssen sich auch deutsche Gerichte und deutsche Geschäftsführungen halten.

Thomas Färber berät Unternehmen und Privatpersonen in Fragen des Arbeitsrechts. Der Jurist arbeitet in einer Kanzlei in Bad Homburg vor der Höhe (Hessen).

Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Verschleierungen?

Färber: Das EuGH-Grundsatzurteil wird abstrakt gelten, unabhängig von der konkreten Form der Verschleierung oder eines anderen religiösen Zeichens. Im Einzelfall müssen aber auch objektive Gründe berücksichtigt werden, etwa der Unfallschutz. So könnte denkbar sein, dass zum Beispiel eine Vollverschleierung aus Sicherheitsaspekten bei bestimmten Tätigkeiten nicht akzeptiert werden kann.

Welche Kleidung darf ein Unternehmen überhaupt verbieten?

Färber: Grundsätzlich kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts die Kleidung der Arbeitnehmer bestimmen. Diese Bestimmungen müssen aber angemessen und zumutbar sein. Wenn der Arbeitgeber bestimmte Kleidungen oder Symbole verbietet, darf dies zu keiner Diskriminierung einzelner führen. Unter dieser Voraussetzung ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch berechtigt, bestimmte Kleidung anzuordnen. So wird der Banker im Anzug oder die Bankerin im Kostüm erscheinen müssen, die Zahnarzthelferin in üblicher Praxiskleidung – und der Rettungssanitäter in entsprechender Einsatzkleidung. (dpa, iQ)

Das Interview führte Wolfgang Jung.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Genau gleiches Recht für alle und daran werden sich eben auch Moslemas zu halten haben, wenn sie in einem Betrieb arbeiten möchten, wo das gilt!
19.04.17
18:21
Ute Fabel sagt:
Religion und Weltanschauung sind im exakt gleichen Umfang geschützt. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zu Grunde (z.B. Christentum, Islam), während sich die Weltanschauung auf innerweltliche ("immanente") Bezüge beschränkt (z.B. Marxismus-Leninismus). Firmen müssen etweder alle sichbaren Zeichen, Symbole und Kleidungstücke von Religionen, Weltanschauungen, politischen, philosophischen oder sonstigen Überzeugungen untersagen oder alle zulassen. Keinesfalls dürfen Arbeitnehmer, für welche nicht religiöse Weltanschauungen und politische Überzeugungen indentitätsstiftend sind gegenüber Arbeitnehmern, die sich über ihre Religion definieren, benachteiligt werden, was das Sichbarmachendürfe der Gesinnung am Arbeitsplatz betrifft. Das wurde schon in Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Diskriminierungsbot) verankert: Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
20.04.17
8:15
Rerun sagt:
Ich könnte die Frauen auf dem Foto und die Bildunterschrift ja ernster nehmen, wenn ich nicht davon ausgehen müsste, dass dieselben Frauen bei Jungen nur allzu geneigt sind, sich über "Sein Körper, sein Recht, sein Recht auf Selbstbestimmung" hinwegzusetzen. Ich freue mich schon auf Herrn Disch, der ja nicht einmal Gründe des Arbeitsschutzes gelten lassen würde und das Recht auf Kopftuch pauschal über alles stellt.
20.04.17
12:53
Dilaver sagt:
Kopftuchverbote gehören entweder bedingungslos abgeschafft, oder sie gehören mit den Füßen getreten. Egal wo. Und wer trotzdem am Kopftuchverbot besteht, der gehört hinter Gittern. Klingt vielleicht hart, aber das ist die einzige Sprache, die diese faschistischen Säkularisten verstehen.
21.04.17
3:01
Johannes Disch sagt:
Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention erlaubt das öffentliche Bekunden des religiösen Glaubens. Da heißt es: (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-Gewissens-und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit....seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen ÖFFENTLICH oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. (2)Die Freiheit, seine Religion und Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Ordnung notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer. Nun ist ein pauschales Verbot weltanschaulicher und religiöser Symbole in Unternehmen sicher nicht notwendig zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Moral. Der EuGH gibt privaten Unternehmen die Möglichkeit, ein Grundrecht einzuschränken. Mit seinem Urteil konterkariert er seine eigenen Konvention, nämlich den Art. 9. Ein bisschen Diskriminierung ist schon okay, vor allem, wenn es hauptsächlich Musliminnen trifft. Der EuGH hat ja eingeräumt, dass dieses Urteil in Einzelfällen zu einer "mittelbaren Diskriminierung" führen kann, hält das aber für hinnehmbar. Weltanschauliche Neutralität war bisher vor allem für den demokratischen Rechtsstaat verbindlich. Nun wird das plötzlich auch entscheidend für private Unternehmen. Der EuGH hat mit diesem Urteil gezeigt, dass er die EU noch immer hauptsächlich als Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet. Der Unternehmer wird zum Herrn über die Grundrechte gemacht. Die EU-Unternehmen haben Kohle zu machen. Grundrechte stören da nur. Die sind dem EuGH nicht so wichtig. Das hat der EuGH mit diesem Urteil überdeutlich gezeigt.
21.04.17
22:24
Johannes Disch sagt:
@Rerun (Ihr P 20.04.2017 12:53 Ich würde nicht einmal die Gründe des Arbeitsschutzes gelten lassen für ein Kopftuchverbot und stelle das Recht auf das Kopftuch pauschal über alles?? Weisen Sie mir diese Aussage bitte mal nach.
22.04.17
13:50
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Treten Sie nun auch für ein Recht von Arbeitnehmern ein, am Arbeitsplatz in der privaten Arbeitswelt und öffentlichen Dienst Parteiabzeichen zu tragen? Oder sollen Beschäftigte, die sich über ihre politische Überzeugung definieren, diskriminiert werden? In der von Ihnen zitierten Europäischen Menschenrechtskonvention werden religiöse mit politischen Ansprüchen völlig unzweifelhaft gleichgesetzt. Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Diskriminierungsbot) lautet: Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, DER POLITISCHEN ODER SONSTIGEN ANSCHAUUNG, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
24.04.17
10:52
Johannes Disch sagt:
Das Tragen politischer Symbole am Arbeitsplatz ist grundsätzlich zulässig, so lange es den Betriebsfrieden nicht stört. Das ist geltende deutsche Rechtslage, die sich auch mit EU-Recht verträgt. Es ist also an jeden gedacht: An die Muslimin mit dem Kopftuch, an den Burschenschafter mit der Kappe und auch an den "Merkel? Nein! Danke-Button"-Träger. Nur kommen Burschenschafter und Button-Träger in der Realität am Arbeitsplatz kaum vor. Das sind alles fadenscheinige Konstruktionen. Das Urteil richtet sich vor allem gegen Musliminnen. So ehrlich sollte man sein, das wenigstens zuzugeben. Deutschen Angsthasen geht der A**** auf Grundeis wegen "Dem Islam." Und man glaubt, man schafft Integration durch Verbote. Das Urteil ist einem in ganz Europa grassierendem Rechtsruck und einer zunehmenden Islamfeindlichkeit geschuldet. "Neutralität" ist da nur ein billiges Feigenblatt.
26.04.17
1:00
Manuel sagt:
@Dilaver: Islamisten gehören hinter Gittern!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
26.04.17
17:46
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Wenn man sich die mittelalterlichen Zustände und die extreme Intoleranz in der Islamischen Welt ansieht ist jede Angst vor dem Islam vollkommen berechtigt und Integration ist ersteimal eine Bringschuld des Zugewanderten, er hat sich unseren Werten, Normen und Gepflogenheiten anzupassen und nicht wir seinen, das scheinen Sie einfach nicht zu kapieren!
26.04.17
17:49
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