Selbst erfahrene Ermittler und Wissenschaftler finden den Fall extrem merkwürdig: Ein Oberleutnant der Bundeswehr soll Asyl beantragt haben – getarnt als Flüchtling aus Syrien. Vermutlich plante er einen Anschlag – aus Fremdenhass.
Ein in Unterfranken festgenommener Bundeswehrsoldat soll sich als syrischer Flüchtling ausgegeben, unter falschem Namen Asylbewerberleistungen bezogen und einen Anschlag geplant haben. Dem 28 Jahre alten Oberleutnant sei in dem Asylverfahren sogar subsidiärer Schutz zuerkannt worden, berichtete die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main am Donnerstag. Er habe deshalb auch eine Unterkunft in einem bayerischen Flüchtlingsheim bekommen und neben seinem Sold unter dem falschen Namen auch Geld. Die Ermittler gehen in dem äußerst ungewöhnlichen Fall von einem fremdenfeindlichen Motiv aus.
Der am Mittwoch bei einem Bundeswehr-Lehrgang in Hammelburg (Landkreis Bad Kissingen) festgenommene Mann sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen äußerte er sich vor dem Haftrichter nicht.
Der Fall soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Freitag Thema im Parlamentarischen Kontrollgremium sein. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, mahnte in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitag): „Es muss dringend geklärt werden, ob in der rechten Szene gezielt Anschläge geplant werden, um sie Geflüchteten in die Schuhe zu schieben.“
Der 28 Jahre alte Soldat war in Illkirch im Elsass stationiert. Aufgefallen war er bereits vor fast drei Monaten auf dem Flughafen Wien, weil er eine Pistole in einer Toilette vor den Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen versteckt hatte. Als er am 3. Februar die Waffe aus ihrem Versteck in einem Putzschacht holen wollte, wurde er von den österreichischen Behörden vorübergehend festgenommen. Für die Waffe, die er nach dpa-Informationen nicht von der Bundeswehr hatte, besaß der Soldat keine Erlaubnis. In U-Haft kam der Oberleutnant in Österreich nicht: Üblicherweise werde so eine Tat mit einer Geldstrafe geahndet, zumal der Mann unbescholten gewesen sei, teilte die Staatsanwaltschaft in Korneuburg mit.
Die anschließenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes (BKA) ergaben, dass sich der Soldat Ende Dezember 2015 bei der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen unter falschem Namen als syrischer Flüchtling ausgab. Anfang Januar 2016 stellte er bei der Erstaufnahmeeinrichtung im mittelfränkischen Zirndorf einen Asylantrag. Die Behörden schöpften dem Anschein nach bei der Registrierung keinen Verdacht. Anschließend soll er eine Unterkunft in einem Flüchtlingsheim erhalten und seit Januar 2016 auch deshalb Geld unter falschen Namen bezogen haben.
Bei dem Soldaten fanden die Ermittler Anhaltspunkte für ein fremdenfeindliches Motiv. Daher bestehe der Verdacht, er habe mit der am Flughafen hinterlegten Waffe eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Einzelheiten etwa zu möglichen Zielen waren zunächst nicht bekannt. Nach Informationen der „Welt“ soll er mehrfach in einem Chat gegen arabische Asylbewerber und Muslime gehetzt haben. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) habe den Mann in der vergangenen Woche befragt.
In die möglichen Anschlagsplanungen soll ein 24 Jahre alter Student aus dem hessischen Friedberg einbezogen gewesen sein. Er sitzt ebenfalls in U-Haft. Die Ermittler werfen ihm Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz vor. In seiner Wohnung seien unter anderem Gewehrpatronen gefunden worden, berichtete die Staatsanwaltschaft. Vor dem Haftrichter habe er angegeben, diese von dem Soldaten zu haben. Auch bei ihm fanden die Ermittler Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Beide Männer stammen aus Offenbach und standen in Mail-Kontakt.
90 Beamte des Bundeskriminalamtes, der hessischen und bayerischen Polizeibehörden sowie österreichische und französische Sicherheitsbehörden hatten am Mittwoch 16 Wohnungen und Diensträume der Bundeswehr in Deutschland, Österreich und Frankreich durchsucht. Außer den Wohnungen der Beschuldigten nahmen die Ermittler auch Wohnungen von Menschen aus deren Umfeld unter die Lupe. Sie stellten zahlreiche Mobiltelefone, Laptops und schriftliche Unterlagen sicher. (dpa, iQ)