Der renommierte Philosoph Jürgen Habermas hält eine deutsche Leitkultur nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Er widerspricht dem Bundesinnenminister De Maizière.
Der Philosoph Jürgen Habermas hält eine deutsche Leitkultur für nur schwerlich mit dem Grundgesetz vereinbar. „Eine liberale Auslegung des Grundgesetzes ist mit der Propagierung einer deutschen Leitkultur unvereinbar“, schreibt Habermas in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“ am Mittwoch. „Sie verlangt nämlich die Differenzierung der im Lande tradierten Mehrheitskultur von einer allen Bürgern gleichermaßen zugänglichen und zugemuteten politischen Kultur. Deren Kern ist die Verfassung selbst.“
Weiter schreibt Habermas: „Keine Muslima darf dazu genötigt werden, beispielsweise Herrn de Maiziere die Hand zu geben.“ Allerdings müsse die Zivilgesellschaft von den eingewanderten Staatsbürgern erwarten, „dass sie sich in die politische Kultur einleben – auch wenn sich das rechtlich nicht erzwingen lässt“.
Der Philosoph betonte, dass die Eingebürgerten genauso wie die Alteingesessenen „ihre eigene Stimme in den Prozess der Fort- und Umbildung dieser Inhalte“ einbringen könnten. Versuche der rechtlichen Konservierung einer Leitkultur widersprächen nicht nur dem liberalen Grundrechtsverständnis, sie seien auch unrealistisch, urteilt Habermas.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Bundesbürger am Wochenende dazu aufgerufen, sich selbstbewusst zu einer deutschen Leitkultur zu bekennen und sie vorzuleben. Der Innenminister nannte einen Katalog von zehn Punkten, der jenseits von Grundrechten und Grundgesetz nach seiner Meinung die Leitkultur ausmacht. (KNA/dpa/iQ)