In den Unionsparteien wird der Ruf nach einem Islamgesetz lauter. Diese Forderung belegt, dass rechtspopulistische Positionen Eingang in die politische Mitte finden. Ein Beitrag von Burak Altaş.
Die Diskussionen zum Islamgesetz in Österreich haben auch Deutschland eingeholt. Bereits 2016 forderte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, dass “das aufgeklärte Europa seinen eigenen Islam kultivieren” müsse. “Da stehen wir noch am Anfang unserer Bemühungen.” Zur Schaffung dieses “europäischen Islams” sei ein Islamgesetz von Nöten. Ein jahr später erregt diese Forderung erneut die Gemüter. Dieses Mal setzen sich insbesondere Julia Klöckner (CDU) und Jens Spahn (CDU) für ein Islamgesetz ein.
Im gesellschaftlichen Bewusstsein ist die Konnotierung von Moscheen als “Gefahrenorte” kein neues, wenn auch in jüngster Zeit vermehrt gefördertes Phänomen. Das aktuellste Beispiel dafür ist Constantin Schreibers “Inside Islam”. Der Besuch in 13 Moscheen bei bundesweit mehr als 2.500 islamischen Gotteshäusern verleitet den Autor nicht nur zu einer Verallgemeinerung seiner umstrittenen Thesen. Diese sind auch gekennzeichnet von Fehlern und Verfälschungen. Anders ist die Darstellung von Aussagen über “Yazid”, einem der meist verhassten Persönlichkeiten in der islamischen Geschichte, als Hasspredigt gegenüber der Volksgruppe der “Jesiden” nicht zu erklären; insbesondere nicht als simplen Übersetzungsfehler.
Dass sich nun in den Unionsparteien Stimmen auftun, die ein Islamgesetz fordern, kann insbesondere mit der nahenden Wahlatmosphäre erklärt werden. Deutschland blieb von der europaweiten Erstarkung rechter Parteien nicht verschont. In Form der AfD ist rechte Politik bereits in einigen Landesparlamenten präsent. Dieser Umstand lässt bei den etablierten Parteien Besorgnis über das Wählerverhalten aufkommen. Um keine Risse in der Parteibasis zu riskieren, ist ein Schwenk nach rechts das kleinere Übel. Die Leidtragenden sind dabei in der Regel die Muslime.
Die Diskussionen um ein Islamgesetz basieren auf der Annahme, dass die muslimische Lebensweise eine potentielle Gefahr darstelle, die es zu regeln gelte. Entsprechend münden die Vorstellungen über ein solches Gesetz auch in ressentimentbeladenen Forderungen. Deutschpflicht in Moscheen, Sprachtests für Imame, flächendeckende Moscheeregister, Finanzierungsverbot aus dem Ausland oder die Ausbildung der Imame im Inland sind nur beispielhafte Punkte, die durch ein Islamgesetz normiert werden sollen. Abgesehen davon, dass die Umsetzung dieser Forderungen einen Bruch mit unserer Verfassung bedeuten würde, sind diese außerdem auch nicht praxistauglich. Es dürfte ein Hinweis auf „Prediger“ wie Pierre Vogel und Co. genügen, um vor Augen zu führen, dass Deutsch als Predigtsprache kein Bollwerk gegen Extremismus und Radikalisierung ist.
Ein speziell für den Islam entworfenes Gesetz wird aller Voraussicht nach sowohl gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes als auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes verstoßen. Eine Deutschpflicht nur für islamische Predigten bei gleichzeitiger Akzeptanz etwa hebräischer oder – zumindest denkbar – lateinischer Gottesdienste ist verfassungswidrig. Genauso verstößt die eingangs erwähnte „Kultivierung“ eines europäischen Islams von staatlicher Hand wie auch die Aussage von Jens Spahn (CDU), die Islam-Verbände in Deutschland seien die falschen Partner, weil sie „eine konservative Ausprägung des Islams vertreten“ würden, gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Religion sowie dem Neutralitätsgebot.
Derartige politische Manöver sind mehr Populismus denn tatsächlich umsetzbare Politik. Was an dieser Entwicklung wirklich erschreckend ist, sind weniger die Einzelforderungen als der Umstand, dass die muslimische Gesellschaft hierzulande zu einer potenziellen Zielscheibe für fremde Anliegen degradiert wird, die jederzeit auf ihrem Rücken ausgetragen werden können. Dies erfordert eine nicht enden wollende Bereitschaft auf Seiten der Muslime, gegen diesen Teufelskreis vorzugehen, und kostet viel Energie. Während die Kopftuchfrage für Lehrerinnen erst allmählich zu einer freiheitlichen Lösung gelangt, wird nunmehr das Kopftuch von Rechtsreferendarinnen und Richterinnen problematisiert. Die Anstrengungen für das Kopftuch im öffentlichen Bereich sind noch nicht abgeschlossen, da zeichnen sich durch das jüngste Koftuchurteil des EuGH im privaten Arbeitssektor die nächsten Konflikte ab.
Debatten wie jene über ein Islamgesetz verletzen außerdem die mühsam aufgebauten Beziehungen der Muslime mit der Gesellschaft und beeinflussen die Wahrnehmung durch die Mehrheit negativ. Es wird ein rückläufiger Trend in den Beziehungen eingeleitet, der sich auf die Arbeit der muslimischen Nichtregierungsorganisationen bemerkbar auswirkt und nicht nur zu Motivationsverlust führt, sondern auch jahrelange Vertrauensverhältnisse aushöhlt. Die Verhandlungen um die Unterzeichnung eines Staatsvertrages mit den muslimischen Religionsgemeinschaften in Niedersachsen zeigt deutlich auf, wie aufreibend die Wirkung tagesaktueller politischer Debatten auf das Verhältnis zwischen den Muslimen und dem Staat oder der Mehrheitsgesellschaft sein kann.
Es ist äußerst verantwortungslos, wenn sich Politiker anmaßen, ihre Wahlpropaganda auf dem Rücken der Muslime austragen zu dürfen, die „Nebenwirkungen“ einer solchen Kampagne dabei billigend in Kauf nehmen – wenn nicht gar willkommen heißen -, um anschließend in anderem Zusammenhang den Muslimen „fehlgescheiterte Integration“ vorzuwerfen. Bezeichnend ist an dieser Stelle die Reaktion aus der AfD. Vizepräsident Alexander Gauland meint: „Die Menschen, die Sicherheit wünschen, wählen dann doch lieber das Original.“ Armin Paul Hampel (AfD) sieht seine Partei sogar „schon jetzt mitregieren.“ Diese Reaktionen aus dem äußeren rechten Spektrum der Parteienlandschaft müssten die Verfechter der Islamgesetz-Debatte eigentlich alarmieren. Dass sie unbeeindruckt ihre verfassungswidrigen Forderungen fortsetzen, zeugt davon, dass „hellblau“ inhaltlich schon längst in der CDU/CSU angekommen ist.