Im Osten nichts Neues: Der Rechtsextremismus ist in den neuen Ländern besonders ausgeprägt, verrät eine neue Studie. Die Parteien in Sachsen reagieren unterschiedlich – selbst innerhalb der Koalition.
Sachsen ist durch eine weitere Studie zum Rechtsextremismus erneut in den Fokus geraten. Die am Donnerstag von der Ost-Beauftragten des Bundes, Iris Gleicke (SPD), vorgestellte Untersuchung wirft der sächsischen Regierung Versäumnisse im Kampf gegen Rechts vor. Der Union wurde geraten, die Probleme nicht „mit Sachsenstolz“ zu übertünchen, sondern sich ihrer anzunehmen. In der schwarz-roten Koalition führte das zu gegenseitigen Attacken. Gleicke forderte die sächsische Politik zu einer klaren Positionierung auf. „Das ganze Gerede der letzten Jahrzehnte, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus, das hat sich, glaube ich, negativ ausgewirkt, weil damit ein Freibrief entstanden ist“, sagte sie im Rundfunk Berlin-Brandenburg.
CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer griff Gleicke scharf an: „Man muss sich mittlerweile ernsthaft fragen, ob die so genannte Ost-Beauftragte der Bundesregierung ihren Job noch richtig versteht“, sagte Kretschmer und wies die in der Studie erhobenen Vorwürfe zurück. Der Kampf gegen Rechts sei für die sächsische Union eine wichtige Aufgabe: „Wir stehen seit jeher für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremisten.“
„Die Studie belegt deutlich, dass staatliches Handeln starken Einfluss darauf hat, ob Rechtsextremismus gedeihen kann oder nicht. Diese Erkenntnis muss dringend in Sachsen und bei der seit 1990 regierenden sächsischen CDU ankommen und endlich ernst genommen werden“, hob SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe hervor. Passivität und falsche Zurückhaltung hätten in der Vergangenheit großen Schaden angerichtet: „Die politische Kultur Sachsens muss sich wandeln.“
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) stellte klar, dass die große Mehrheit der Sachsen fest auf dem Boden der Demokratie steht. Rechtsextreme seien eine kleine und hässliche Minderheit, würden das Bild Sachsens und Ostdeutschlands aber schmälern, sagte er am Rande einer Landtagssitzung. Die Studie habe die Aussagen des Sachsen- Monitors bestätigt: „Die Studie liefert nicht wirklich neue Erkenntnisse.“ Dennoch werde sie ausgewertet.
Tillich hält es nicht für verkehrt, wenn die Sachsen stolz sind auf ihr Land sind: „Das muss aber einhergehen mit der dazugehörigen Weltoffenheit und der Offenheit für andere.“ Auch anderswo gebe es rechtsextremistische Erscheinungen. Das habe nicht unbedingt mit einer Partei zu tun. Ein Vorwurf sei aber richtig: „Wir haben nach 1990 versucht, die Schulen zu entpolitisieren.“ Dies sei aus der Erfahrung der 40 Jahre DDR geschehen, wo Schulen und Kindergärten eher ein Instrument der politisch-ideologischen Erziehung waren.
Linke-Parteichef Rico Gebhardt warf der Union vor, Rechtsextreme groß gemacht zu haben: „Sie hat die Bevölkerung der Verunsicherung durch Niedergang der Industrie, Arbeitslosigkeit und Abwanderung überlassen.“ Dieses soziale Vakuum habe die CDU mit der Verheißung einer „neuen Staatspartei“ gefüllt: „Deshalb wurde die Entwicklung einer normalen demokratischen Diskussions- und Streitkultur nach Kräften behindert, egal ob an Schulen oder sonst im öffentlichen Raum.“
Die sächsische Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) forderte die CDU auf, ihre „Wagenburgmentalität“ aufgeben und demokratische Teilhabe zu verbessern. „Statt jene, die sich unter schwierigsten Bedingungen für die Demokratie einsetzen, als Nestbeschmutzer zu diffamieren, sollte sie jedes zarte Pflänzchen zivilgesellschaftlichen Engagements, insbesondere in ländlichen Regionen, hegen und pflegen.“ Die Ergebnisse der Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung müssten für die die Regierung ein Weckruf sein.
Tillich hatte auch Gründe benannt, warum der Rechtsextremismus im Osten stärker verankert ist. Die Menschen hätten hier nach zwei Diktaturen erst nach der Wende eine Beziehung zur Demokratie entwickeln können, sagte er. Aufgrund der vielen Veränderungsprozesse nach 1990 gebe es im Osten eine „Gestresstheit“. Zugleich würden die Menschen merken, dass Globalisierung und die Zuwanderung von Menschen aus anderen Teilen der Welt zu einer weiteren Veränderung der Gesellschaft führt. (dpa, iQ)