Gespräche über das Fasten am Ramadan mit Nichtmuslimen werden unter Muslimen meist als nervig empfunden. Doch das muss nicht immer der Fall sein. Meryem Yilmaz schreibt über eine Begegnung, die sie nicht mehr vergessen kann.
Ramadan ist einer der schönsten Monate für Muslime weltweit. Viele versuchen deshalb, die Zeit so effektiv wie möglich zu nutzen. Als eine in Deutschland lebende Muslimin begegne ich tagtäglich Mitbürgern, die gerne die Praxis des Islams verstehen möchten. Deshalb beteilige ich mich an diversen Aktionen, online wie offline, um den für uns heiligen Monat Ramadan für eine breitere Öffentlichkeit zu erklären und verständlicher zu machen. Unter der Hashtagaktion #meinramadan und #meinramadanmoment2017 postete ich beispielsweise in sozialen Netzwerken, dass meine Katzen gemeinsam mit mir den Sahûr, also die letzte Mahlzeit vor dem Fasten begehen und ein Stück von meinem Essen stibitzen wollen, oder wie es ist, in der Gemeinschaft das Nachtgebet im Ramadan, also Tarâwîh-Gebet, zu verrichten. Im Privaten führe ich, wie sicherlich viele andere Muslime auch, Gespräche mit interessierten Nichtmuslimen. Und ich muss zugeben, dass diese Gespräche teilweise tiefgründiger sind als der Austausch mit anderen. Wieso ich dieser Ansicht bin, möchte ich kurz darlegen.
Im Gespräch mit einer interessierten Person erläuterte ich, dass Muslime vom Anbeginn des Imsâk, also der berechneten Zeitgrenze vor der Morgendämmerung, bis zur Abenddämmerung, sich in der Enthaltung üben. Die Person wollte wissen, worum es genau bei der Enthaltsamkeit geht. Bevor ihr meine Antwort lest, denkt darüber nach, was ihr selbst auf diese Frage geantwortet hättet. Gewiss wären unter den Antworten, dass man sich von Speisen und Getränken, sowie vom Beischlaf enthält. Diese Antworten sind natürlich richtig, dennoch wären dann aber leidige Fragen wie „Nicht einmal Wasser?!“ vorprogrammiert und die Person hätte nicht verstanden, dass wir Muslime uns auf den Fastenmonat freuen und uns sogar beim Eintritt des Monats gegenseitig beglückwünschen.
Deshalb erläuterte ich ihr neben dieser Information auch die spirituelle Komponente. Ich fügte hinzu, dass man sich insgesamt auch von schlechten Taten und Gedanken fernhält. Das man sich in Geduld und Nachsicht übt und dass der Islam großen Wert auf die Charakterschulung legt und deshalb das Ego gezähmt werden soll. Dass deshalb Muslime besonders im Ramadan darauf bedacht sind, Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, aber auch Notleidenden und Bedürftigen zu helfen und ihnen ihre Unterstützung anzubieten.
Ich erkannte in ihrem Gesicht, dass sie begriffen hatte, worum es geht. Sie fragte nämlich auch, ob ich beispielsweise auch auf den Fernseher oder mein Handy verzichten würde, um mit einer besseren Hingabe meine Konzentration auf die Verrichtung der Gottesdienste zu lenken. Und ob ich bereits angefangen hätte, mein Inneres zu schulen. Konkret fragte sie danach, ob ich auf meine Worte mehr als sonst achte, vielleicht sogar vorher durch mein Herz filtere und Unnötiges erst gar nicht ausspreche. Wie ich über meine Mitmenschen denke und gezielt gegen Vorurteile ankämpfe und ob ich bedachter mit meiner Umwelt und der Natur umgehe…
Mir wurde bewusst, dass diese Person den tieferen Sinn des Ramadans verstanden hatte. Eine alleinige körperliche Enthaltung und Reinigung war nie Sinn des Ramadans, denn ohne die spirituelle Komponente wäre der Ramadan wie ausgehöhlt. Ramadan war schon immer die Konzentration auf das Wesentliche und der Verzicht auf das Überflüssige. Mit ihren Fragen wollte sie also wissen, ob ich bereits angefangen hatte, mich auch spirituell zu reinigen. Bricht man ihre Frage runter auf das Wesentliche, so fragte sie mich eigentlich nach meiner Beziehung zum Schöpfer. Beeindruckt muss ich zugeben, dass diese Fragen mit Abstand die bisher besten Fragen waren, die mir zum Ramadan gestellt wurden. Fragen, gestellt von einem Nichtmuslim, über die sich eigentlich jeder Muslim Gedanken machen sollte.